Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern

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Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch) - Christian  Morgenstern


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blonder Enkel bin

      kein Fremder hier;

      der Bursch dort teilt vielleicht

      uralte Vaterschaft

      mit meinem Blut.

      Wie mir das Herz schlägt,

      töricht laut und stark!

      Es ist ein Stolz

      um alte Volkheit doch, –

      und warens Bären auch,

      die hier als Gäste

      des schönsten Reichs gehaust ––

      der Enkel hegt,

      nicht ihren Grimm,

      doch ihre Kraft noch heut.

      Den Nacken hoch, Germane!

      Felskastelle

      des Berner Dietrich

      und des großen Karl

      erzählen heut

      von alten Siegen noch,

      und schwarze Augen

      brenne heut noch heißer,

      wenn sie des Nordens

      blauer Blitz versengt.

      Fliegendes Blatt

       Inhaltsverzeichnis

      Kecke weiße Spitzensäume,

      schlanke Stiefeletten,

      aus den Augen Purzelbäume

      toller Amoretten,

      Zöpfe, minder Liebeszäume,

      eher Liebesketten,

      Lippen, heiß vom Hauch der Träume, –

      wer kann da sich retten?

      Übermut

       Inhaltsverzeichnis

      Einher zu gehn, den freien Kopf

      sechs Fuß hoch über der Erde!

      genug, daß aus dem ärmsten Tropf

      ein stolzer König werde.

      Die Brust wird breit, die Hüfte leicht,

      das Auge Glut und Glanz.

      Ihr Toren, die ihr kriecht und schleicht,

      mein Gang ist eitel Tanz.

      Bahn frei!

       Inhaltsverzeichnis

      Nur müßt ihr mich nicht halten wollen,

      wenn die Rosse der Phantasie

      vor meiner Geißel dahinrasen!

      Wehe dem Schurken,

      der mir in die Zügel fällt, –

      siebenmal schleif ich ihn

      um den Bezirk

      meiner Welt.

      Wehe vor allem dem Rezensenten,

      der mir

      mit höchst ungriechischem Feuer

      den Weg bedräut.

      Meine Peitsche ist länger noch

      als seine Ohren,

      von stärkerem Leder

      als seine Hirnhaut,

      die Schnur noch gespaltner

      als seine Zunge.

      Bahn frei!

      Kurz ist zur Fahrt die Zeit.

      Springt mit herauf,

      wenns euch lüstet!

      Tausend gewähr ich Platz,

      hier an den Mähnen,

      hier an den Schweifen,

      hier auf den Rücken der Rosse,

      und hier oben bei mir

      auf dem Wagen

      weiteren tausend.

      Herauf, Freunde!

      Sturm um die Stirn,

      Sonnen im Aug,

      so laßt uns jauchzend

      die tausendundein Weltwege

      durchbrausen.

      Per exemplum

       Inhaltsverzeichnis

      Ich wollt, ich wäre Gott;

      denn Mensch sein

      heißt Prahler sein.

      In Gedanken

      mit Sternen spielen –

      Spiel für Dichter

      und Wäscherinnen.

      Aber wär ich Gott ...

      ich griffe mir

      per exemplum

      ein violettbestrumpftes,

      schnupftabaktalariges,

      zölibatbettiges

      Pfäfflein

      von irgend einem

      bigotten Planeten,

      macht' es so groß

      wie mich selber

      und hängt' ihm dann

      das ganze Sternall

      als Rosenkranz

      über die Hand –

      es abzubeten.

      »Hurtig, hurtig!

      Dein Lohn ist

      die ewige Seligkeit!«

      »Aber Herr, Herr ...«

      »Nichts da! Gebetet!«

      Ach! daß ich Mensch bin, –

      ein Murmeltier,

      auf den Alpen

      passiver Begriffe.

      Ἄσβεστος γέλως

       Inhaltsverzeichnis

      Die Tage der Gläubigen

      uralten Wahns

      sind dahin!

      Unauslöschlich Gelächter

      grüßt,

      was sie lassen und tun.

      Am Sonnenhimmel

      schaun sie noch immer

      schwärzliche Punkte

      und sprechen: »Seht!

      Gottes Finger

      deuten auf uns!«


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