Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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un­se­rer Hoff­nun­gen – und das kann sich nicht ein­mal von dem ver­rück­ten Ehren­ka­te­chis­mus und sei­nen Fau­st­rechts­sat­zun­gen frei­ma­chen? Eu­rem Her­zen will ich da­bei nicht zu nahe tre­ten, aber eu­ren Köp­fen macht es we­nig Ehre. Ihr, de­ren Ju­gend die Spra­che und Weis­heit Hel­las’ und La­ti­um’s zur Pfle­ge­rin er­hielt, und auf de­ren jun­gen Geist man die Licht­strah­len der Wei­sen und Ed­len des schö­nen Al­ter­thums früh­zei­tig fal­len zu las­sen die un­schätz­ba­re Sor­ge ge­tra­gen hat – ihr wollt da­mit an­fan­gen, daß ihr den Co­dex der rit­ter­li­chen Ehre, das heißt den Co­dex des Un­ver­stands und der Bru­ta­li­tät zur Richt­schnur eu­res Wan­dels macht? – Seht ihn doch ein­mal recht an, bringt ihn euch auf deut­li­che Be­grif­fe, ent­hüllt sei­ne er­bärm­li­che Be­schränkt­heit und laßt ihn den Prüf­stein nicht eu­res Hei­zens, aber eu­res Ver­stan­des sein. Ver­wirft die­ser ihn jetzt nicht, so ist euer Kopf nicht ge­eig­net, in dem Fel­de zu ar­bei­ten, wo eine ener­gi­sche Urt­heils­kraft, wel­che die Ban­de des Vor­urt­heils leicht zer­reißt, ein rich­tig an­spre­chen­der Ver­stand, der Wah­res und Fal­sches selbst dort, wo der Un­ter­schied tief ver­bor­gen liegt und nicht wie hier mit Hän­den zu grei­fen ist, rein zu son­dern ver­mag, die nothwen­di­gen Er­for­der­nis­se sind: in die­sem Fal­le also, mei­ne Gu­ten, sucht auf eine an­de­re ehr­li­che Wei­se durch die Welt zu kom­men, wer­det Sol­da­ten oder ler­net ein Hand­werk, das hat einen gol­de­nen Bo­den.«

      Auf die­se gro­be, ob­schon wah­re Rede ant­wor­te­ten wir er­regt, in­dem wir uns im­mer ge­gen­sei­tig in’s Wort fie­len: »Ers­tens ir­ren Sie in der Haupt­sa­che; denn wir sind kei­nes­falls da, um uns zu du­el­li­ren, son­dern um uns im Pis­to­len­schie­ßen zu üben. Zwei­tens schei­nen Sie gar nicht zu wis­sen, wie es bei ei­nem Duell zu­geht: den­ken Sie, daß wir uns, wie zwei We­ge­la­ge­rer, in die­ser Ein­sam­keit ein­an­der ge­gen­über­stel­len wür­den, ohne Se­kun­dan­ten, ohne Ärz­te u. s. w.? Drit­tens end­lich ha­ben wir in der Duell­fra­ge – ein Je­der für sich – un­se­ren eig­nen Stand­punkt und wol­len nicht durch Be­leh­run­gen Ih­rer Art über­fal­len und er­schreckt wer­den.«

      Die­se ge­wiß nicht höf­li­che Ent­geg­nung hat­te auf den al­ten Mann einen üb­len Ein­druck ge­macht; wäh­rend er zu­erst, als er merk­te, daß es sich um kein Duell han­de­le, freund­li­cher auf uns hin­blick­te, ver­droß ihn uns­re schließ­li­che Wen­dung, so daß er brumm­te; und als wir gar von un­se­ren eig­nen Stand­punk­ten zu re­den wag­ten, faß­te er hef­tig sei­nen Beglei­ter, dreh­te sich rasch um und rief uns bit­ter nach: »Man muß nicht nur Stand­punk­te, son­dern auch Ge­dan­ken ha­ben!« Und, rief der Beglei­ter da­zwi­schen: »Ehr­furcht, selbst wenn ein sol­cher Mann ein­mal irrt!«

      In­zwi­schen hat­te aber mein Freund be­reits wie­der ge­la­den und schoß von Neu­em, in­dem er: »Vor­sicht!« rief, nach dem Pen­ta­gramm. Dies so­for­ti­ge Knat­tern hin­ter sei­nem Rücken mach­te den al­ten Mann wüthend; noch ein­mal kehr­te er sich um, sah mei­nen Freund mit Haß an und sag­te dann zu sei­nem jün­ge­ren Beglei­ter mit wei­che­rer Stim­me: »Was sol­len wir thun? Die­se jun­gen Män­ner rui­ni­ren mich durch ihre Ex­plo­sio­nen.« – »Sie müs­sen näm­lich wis­sen«, hub der Jün­ge­re zu uns ge­wen­det an, »daß Ihre ex­plo­di­ren­den Ver­gnü­gun­gen in dem jet­zi­gen Fal­le ein wah­res At­ten­tat ge­gen die Phi­lo­so­phie sind. Be­mer­ken Sie die­sen ehr­wür­di­gen Mann, – er ist im Stan­de, Sie zu bit­ten, hier nicht zu schie­ßen. Und wenn ein sol­cher Mann bit­tet –« »Nun so thut man es doch wohl«, un­ter­brach ihn der Greis und sah uns streng an.

      Im Grun­de wuß­ten wir nicht recht, was wir von ei­nem sol­chen Vor­gan­ge zu hal­ten hat­ten; wir wa­ren uns nicht deut­lich be­wußt, was un­se­re et­was lär­men­den Ver­gnü­gun­gen mit der Phi­lo­so­phie ge­mein hät­ten, wir sa­hen eben­so we­nig ein, wes­halb wir, aus un­ver­ständ­li­chen Rück­sich­ten der Höf­lich­keit, un­sern Schieß­platz auf­ge­ben soll­ten, und mö­gen in die­sem Au­gen­bli­cke recht un­schlüs­sig und ver­dros­sen da­ge­stan­den ha­ben. Der Beglei­ter sah uns­re au­gen­blick­li­che Be­trof­fen­heit und er­klär­te uns den Her­gang. »Wir sind ge­nö­thigt«, sag­te er, »hier in Ih­rer nächs­ten Nähe ein paar Stun­den zu war­ten, wir ha­ben eine Verab­re­dung, nach der ein be­deu­ten­der Freund die­ses be­deu­ten­den Man­nes noch die­sen Abend hier ein­tref­fen will; und zwar ha­ben wir einen ru­hi­gen Platz, mit ei­ni­gen Bän­ken, hier am Ge­hölz, für die­se Zu­sam­men­kunft ge­wählt. Es ist nichts An­ge­neh­mes, wenn wir hier durch Ihre be­nach­bar­ten Schieß­übun­gen fort­wäh­rend auf­ge­schreckt wer­den; es ist für Ihre eig­ne Emp­fin­dung, wie wir vor­aus­set­zen, un­mög­lich, hier wei­ter zu schie­ßen, wenn Sie hö­ren, daß es ei­ner uns­rer ers­ten Phi­lo­so­phen ist, der die­se ru­hi­ge und ab­ge­le­ge­ne Ein­sam­keit für ein Wie­der­se­hen mit sei­nem Freun­de aus­ge­sucht hat.« –

      Die­se Aus­ein­an­der­set­zung be­un­ru­hig­te uns noch mehr: wir sa­hen jetzt eine noch grö­ße­re Ge­fahr, als nur den Ver­lust un­se­res Schieß­plat­zes, auf uns zu­kom­men und frag­ten has­tig: »Wo ist die­ser Ru­he­platz? Doch nicht hier links im Ge­hölz?«

      »Gera­de die­ser ist es.«

      »Aber die­ser Platz ge­hört heu­te Abend uns Bei­den«, rief mein Freund da­zwi­schen. »Wir müs­sen die­sen Platz ha­ben« rie­fen wir Bei­de.

      Uns­re längst be­schlos­se­ne Fest­fei­er war uns au­gen­blick­lich wich­ti­ger als alle Phi­lo­so­phen der Welt, und wir drück­ten so leb­haft und er­regt uns­re Emp­fin­dung aus, daß wir uns, mit un­serm an sich un­ver­ständ­li­chen, aber so drin­gend ge­äu­ßer­ten Ver­lan­gen, viel­leicht et­was lä­cher­lich aus­nah­men. We­nigs­tens sa­hen uns uns­re phi­lo­so­phi­schen Stö­ren­frie­de lä­chelnd und fra­gend an, als ob wir nun, zu uns­rer Ent­schul­di­gung, re­den müß­ten. Aber wir schwie­gen; denn wir woll­ten am we­nigs­ten uns ver­rat­hen.

      Und so stan­den sich die bei­den Grup­pen stumm ge­gen­über, wäh­rend über den Wip­feln der Bäu­me ein weit­hin aus­ge­goss­nes Aben­d­roth lag. Der Phi­lo­soph sah nach der Son­ne zu, der Beglei­ter nach dem Phi­lo­so­phen und wir Bei­de nach un­serm Ver­steck im Wal­de, das für uns ge­ra­de heu­te so ge­fähr­det sein soll­te. Eine et­was grim­mi­ge Emp­fin­dung über­kam uns. Was ist alle Phi­lo­so­phie, dach­ten wir, wenn sie hin­dert, für sich zu sein und ein­sam mit Freun­den sich zu freu­en, wenn sie uns ab­hält, selbst Phi­lo­so­phen zu wer­den. Denn wir glaub­ten, uns­re Erin­ne­rungs­fei­er sei recht ei­gent­lich phi­lo­so­phi­scher Na­tur: bei ihr wünsch­ten wir für uns­re wei­te­re Exis­tenz erns­te Vor­sät­ze und Plä­ne zu fas­sen; in ein­sa­mem Nach­den­ken hoff­ten wir Et­was zu fin­den, was in ähn­li­cher Wei­se uns­re in­ners­te See­le in der Zu­kunft bil­den und be­frie­di­gen soll­te, wie jene ehe­ma­li­ge pro­duk­ti­ve Thä­tig­keit der frü­he­ren Jüng­lings­jah­re. Gera­de dar­in soll­te je­ner ei­gent­li­che Wei­he­akt be­ste­hen; Nichts war be­schlos­sen als ge­ra­de dies – ein­sam zu sein, nach­denk­lich da­zu­sit­zen, so wie da­mals vor fünf Jah­ren, als wir uns zu je­nem Ent­schlus­se ge­mein­sam sam­mel­ten. Es soll­te eine schwei­gen­de Fei­er­lich­keit sein, ganz Erin­ne­rung, ganz Zu­kunft – die Ge­gen­wart nichts als ein Ge­dan­ken­strich da­zwi­schen. Und nun trat ein feind­li­ches Schick­sal in un­sern Zau­ber­kreis – und wir wuß­ten nicht, wie es zu ent­fer­nen sei; in wir fühl­ten, bei der Selt­sam­keit des gan­zen Zu­sam­men­tref­fens


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