Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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Erd­be­ben be­un­ru­higt: hier ein Wort, das Ih­nen we­nigs­tens sa­gen soll, wie es bei mir steht. Die Stadt ist voll zer­rüt­te­ter Ner­ven­sys­te­me, die Pa­nik in den Hôtels kaum glaub­lich. Die­se Nacht, ge­gen 2-3 Uhr, habe ich eine Rund­tour ge­macht und ei­ni­ge mir be­freun­de­te Per­so­nen be­sucht, die im Frei­en, auf Bän­ken oder in Drosch­ken, der Ge­fahr vor­zu­beu­gen glaub­ten. Mir selbst geht es gut; noch kei­nen Au­gen­blick Schre­cken – und so­gar sehr viel Iro­nie!«

      Niz­za ver­öde­te voll­stän­dig nach die­sem Er­eigniß, mein Bru­der ließ sich aber nicht ab­hal­ten, sei­ne be­stimm­te Zeit dort zu blei­ben, auch nach der Wie­der­ho­lung ei­nes Erd­sto­ßes. Er war so we­nig von die­sen äu­ßern Ver­hält­nis­sen be­rührt ge­we­sen, daß er un­ter all den Auf­re­gun­gen, die das Erd­be­ben in Niz­za her­vor­rief, un­ge­stört sein großes Haupt­werk im Geis­te zu­sam­men­zu­fas­sen ge­sucht hat­te und zwar un­ter dem nach­fol­gen­den Plan:

      *

      »Der Wil­le zur Macht. Ver­such ei­ner Um­wer­thung al­ler Wert­he.

      *

      Ers­tes Buch.

       Der eu­ro­päi­sche Ni­hi­lis­mus.

      *

      Zwei­tes Buch.

       Kri­tik der bis­he­ri­gen höchs­ten Wert­he.

      *

      Drit­tes Buch.

       Prin­cip ei­ner neu­en Wert­h­set­zung.

      *

      Vier­tes Buch.

       Zucht und Züch­tung.

      *

       Ent­wor­fen den 17. März 1887, Niz­za.«

      Die­ser Plan, der mit dem aus dem Som­mer 1886 in sei­ner Ge­samm­t­an­ord­nung fast iden­tisch ist, wur­de bis Ende Win­ter 1888 fest­ge­hal­ten. Im Nach­be­richt wird noch aus­führ­lich von spä­te­ren Plä­nen und den ein­zel­nen Pha­sen der Ent­ste­hung des »Wil­lens zur Macht« die Rede sein.

      Wir wa­ren aber ge­nö­thigt, den Plan vom 17. März 1887 zur Grund­la­ge die­ser Aus­ga­be zu neh­men, da er der ein­zi­ge ist, der eine ziem­lich deut­li­che An­wei­sung zur Zu­sam­men­stel­lung des Wer­kes giebt. Au­ßer­dem bie­tet er, durch die großen all­ge­mei­nen Ge­sichts­punk­te der Ein­t­hei­lung, den wei­tes­ten Spiel­raum das rei­che Ma­te­ri­al, das zu an­dern Plä­nen vor­han­den ist, sinn­ge­mäß ein­zu­ord­nen. Der Plan hat sich ge­ra­de bei der neu­en hier vor­lie­gen­den Aus­ga­be be­son­ders güns­tig er­wie­sen, so­daß vie­le Ka­pi­tel einen fort­lau­fen­den Ge­dan­ken­gang zei­gen. Doch giebt es na­tür­lich auch jetzt noch Lücken, so­daß der in­tel­li­gen­te Le­ser selbst mit bau­en muß, um eine Ge­sammt­über­sicht zu ge­win­nen.

      Das vor­lie­gen­de Werk bie­tet in sei­ner jet­zi­gen Ge­stalt einen nicht un­wich­ti­gen Vort­heil: es ge­währt in viel hö­he­rem Gra­de als die ers­te Aus­ga­be einen Ein­blick in des Au­tors Geis­tes­werk­statt. Wir se­hen gleich­sam die Ge­dan­ken vor un­sern Au­gen ent­ste­hen und kön­nen zu­gleich be­ob­ach­ten, wie un­be­fan­gen mein Bru­der sei­ne ei­ge­nen Ge­dan­ken prüft und sich nie zu ver­heh­len sucht, wel­che schlim­men oder un­be­weis­ba­ren Sei­ten die­se Pro­ble­me ha­ben könn­ten. Die Aus­führ­lich­keit, mit der sie hier und da be­han­delt wer­den, wür­de der Au­tor in dem vollen­de­ten Werk viel­leicht ver­mie­den ha­ben (ob­gleich dies nicht si­cher ist), für uns ist sie aber ein großer Vor­zug, weil wir da­durch sei­ne Ge­dan­ken so viel bes­ser ver­ste­hen ler­nen. Wie vie­le Miß­ver­ständ­nis­se die Kür­ze der Dar­stel­lung sei­ner Ge­dan­ken her­vor­ru­fen kann, da­für ist die »Göt­zen­däm­me­rung« ein be­wei­sen­des Bei­spiel. Der Au­tor be­zeich­net die »Göt­zen­däm­me­rung« di­rekt als einen Aus­zug des »Wil­lens zur Macht«; – aber wie ist die­ses klei­ne Buch ge­ra­de sei­ner Kür­ze we­gen falsch auf­ge­faßt wor­den! Die Le­ser schie­nen zu glau­ben, daß die­se grund­le­gen­den neu­en Ge­dan­ken nur so flüch­tig hin­ge­wor­fen wä­ren; Nie­mand schi­en zu ah­nen, auf welch um­fas­sen­den Stu­di­en sie be­ruh­ten. Da­von giebt hof­fent­lich die­se neue Aus­ga­be des »Wil­lens zur Macht« eine bes­se­re Vor­stel­lung.

      Die An­zahl der Apho­ris­men ist in der neu­en Aus­ga­be um un­ge­fähr 570 Num­mern ver­mehrt. Es giebt da­bei al­ler­dings Wie­der­ho­lun­gen, die aber im­mer »an­ders nu­an­cirt und in an­de­rem Zu­sam­men­hang« un­ge­mein zur Ver­deut­li­chung ei­nes Ge­dan­kens bei­tra­gen; man­ches Im­promp­tu und man­che so­zu­sa­gen ver­suchs­wei­se Auf­stel­lung von Fra­gen und Pro­ble­men wird sich der ver­ständ­niß­vol­le Le­ser rich­tig zu deu­ten wis­sen und selbst eine Lö­sung zu ge­ben ver­su­chen. »Be­wun­dern aber wird er vor Al­lem, wie Pe­ter Gast sagt, die Uner­schöpf­lich­keit des Nietz­sche’­schen Geis­tes in der Be­hand­lung sei­ner The­men: wie er sie im­mer von Neu­em um­kreist, ih­nen im­mer un­er­war­te­te­re Sei­ten ab­ge­winnt und sie in Wor­te zu fas­sen weiß, die ihr In­ners­tes aus­spre­chen.«

      Das Rie­sen­werk, wie es dem Au­tor vor­ge­schwebt hat, ist un­voll­en­det ge­blie­ben. Uns Her­aus­ge­bern des Nietz­sche-Archivs war es mit un­sern schwa­chen Kräf­ten vor­be­hal­ten, die köst­li­chen Bau­stei­ne nach den An­ga­ben des Au­tors, wie sie noch vor­han­den sind, ge­wis­sen­haft zu­sam­men­zu­stel­len. Es ist nicht so­gleich bei der ers­ten Aus­ga­be in über­sicht­li­cher Wei­se ge­lun­gen, und es war schwer, wenn man an die Ab­sich­ten des Au­tors dach­te, die­ses Werk da­mals in die­ser un­voll­kom­me­nen Form in die Welt zu schi­cken. Vi­el­leicht ist die­se neue, so be­rei­cher­te Aus­ga­be et­was bes­ser ge­rat­hen: aber man stel­le sich vor, daß sei­ne ei­ge­ne Meis­ter­hand die­sen un­ge­heu­ren Stoff mit all der lo­gi­schen Fol­ge­rich­tig­keit wie z.B. in der »Ge­nea­lo­gie der Moral« aus­ge­ar­bei­tet und mit dem Glan­ze sei­nes un­er­reich­ba­ren Sti­les ver­klärt hät­te – wel­ches Werk stün­de jetzt vor uns! Und was un­se­re Trau­er noch er­höht, ist, daß wir durch sei­ne per­sön­li­chen Auf­zeich­nun­gen wis­sen, wie er sich die Aus­füh­rung sei­nes phi­lo­so­phisch-theo­re­ti­schen Haupt­wer­kes ge­dacht hat:

      »Zur Ein­lei­tung: Die düs­te­re Ein­sam­keit und Öde der Cam­pa­gna ro­mana. Die Ge­duld im Un­ge­wis­sen. »Mein Werk soll ent­hal­ten ein Ge­samm­turt­heil über un­ser Jahr­hun­dert, über die gan­ze Mo­der­ni­tät, über die er­reich­te ›Ci­vi­li­sa­tion‹.

      »Je­des Buch als eine Erobe­rung, Griff – tem­po len­to –, bis zum Ende dra­ma­tisch ge­schürzt, zu­letzt Ka­ta­stro­phe und plötz­li­che Er­lö­sung

      Nicht ohne tie­fe Be­we­gung kann man die nach­fol­gen­de aus­führ­li­che Nie­der­schrift le­sen, in wel­cher der Au­tor sich selbst eine Richt­schnur auf­stellt, nach wel­cher er dies Haupt­werk zu ge­stal­ten ge­denkt. Er klei­det die Vor­schrif­ten zu­nächst in die Form ei­nes all­ge­mei­nen Apho­ris­mus und schreibt dar­über: »Das voll­kom­me­ne Buch.« Aber je wei­ter er in der Auf­zeich­nung die­ser Vor­schrif­ten kommt, de­sto mehr sieht man: es ist sein ei­ge­nes Buch, das er meint, und zwar sein Haupt­werk, das in um­fas­sends­ter Wei­se sei­ne Phi­lo­so­phie dar­stel­len soll. Er schreibt im Herbst 1887:

      »Das voll­kom­me­ne Buch. Zu er­wä­gen:

      1.


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