Theodor Storm: Novellen, Märchen, Gedichte & Briefe (Über 400 Titel in einem Band). Theodor Storm

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Theodor Storm: Novellen, Märchen, Gedichte & Briefe (Über 400 Titel in einem Band) - Theodor Storm


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hinterher. Das machte ihn so vergnügt, daß er ganz wie von selber zu singen anhub. »Er ist ja ein lustiger Mensch!« rief die Alte von ihrem Herde hinüber. Hinzelmeier nickte; ihm fielen auf einmal alle Lieder wieder ein, die er vor Zeiten im elterlichen Hause von seiner schönen Mutter gehört hatte. Nun sang er sie, eines nach dem andern:

      »Das macht, es hat die Nachtigall

       Die ganze Nacht gesungen;

       Da sind von ihrem süßen Schall,

       Da sind von Hall und Widerhall

       Die Rosen aufgesprungen.

      Sie war doch sonst ein wildes Blut,

       Nun geht sie tief in Sinnen;

       Trägt in der Hand den Sommerhut

       Und duldet still der Sonne Glut,

       Und weiß nicht, was beginnen.

      Das macht, es hat die Nachtigall

       Die ganze Nacht gesungen!« – ;–

      Da wurde in der Wand, dem Herde gegenüber, unter den Reihen der blanken Zinnteller, ein Schiebefensterchen zurückgezogen und ein schönes blondes Mädchen, es mochte des Hauswirts Tochter sein, steckte neugierig den Kopf in die Küche.

      Hinzelmeier, der das Klirren der Fensterscheiben vernommen hatte, hörte auf zu singen und ließ seine Augen an den Wänden der Küche umherwandern; über das Butterfaß und die blanken Käsekessel und über den breiten Rücken der Alten bis an das offene Schiebefensterchen, wo sie an zwei anderen jungen Augen hängen blieben.

      Das Mädchen wurde ganz rot. – »Er singt schön!« sagte sie endlich.

      »Es kam mir nur so«, erwiderte Hinzelmeier. »Ich singe sonst gar nicht.«

      Dann schwiegen beide eine Weile und man hörte nur das Zischen der Pfanne und das Prasseln der Eierkuchen. »Caspar singt auch schön!« hub das Mädchen wieder an.

      »Freilich wohl!« meinte Hinzelmeier.

      »Ja«, sagte das Mädchen, »aber so schön wie Er macht er’s doch nicht. Wo hat Er denn das schöne Lied her?«

      Hinzelmeier antwortete nicht darauf, sondern trat auf einen umgestürzten Zuber, der unter dem Schiebefenster stand und sah an dem Mädchen vorbei in die Kammer. Drinnen war voller Sonnenschein. Auf den roten Fliesen der Diele lagen die Schatten von Nelken-und Rosenstöcken, welche seitwärts vor einem Fenster stehen mochten. Plötzlich wurde im Hintergrund der Kammer eine Tür aufgerissen. Der Frühlingswind brauste herein und riß dem Mädchen ein blauseidenes Band von der Riegelhaube; dann fahr er durchs Schiebefenster und trieb seine Beute kreiselnd in der Küche umher. Hinzelmeier aber warf seinen Hut danach und fing es wie einen Sommervogel.

      Das Fenster war ein wenig hoch. Er wollte es dem Mädchen hinauflangen, sie bückte sich zu ihm heraus; da fahren beide mit den Köpfen aneinander, daß es krachte. Das Mädchen schrie; die Zinnteller klirrten, Hinzelmeier wurde ganz konfus.

      »Er hat einen gar wackeren Kopf!« sagte das Mädchen und wischte sich mit ihrer Hand die Tränen von den Wangen. Als aber Hinzelmeier sich das Haar aus der Stirn strich und ihr herzhaft ins Gesicht schaute, da schlug sie die Augen nieder und fragte: »Er hat sich doch kein Leid’s getan?«

      Hinzelmeier lachte. »Nein, Jungfer!« rief er – er wußte selbst nicht, wie es ihm auf einmal einfallen mußte –»nehm Sie mir’s nicht übel, aber Sie hat gewiß schon einen Schatz?«

      Sie setzte die Faust unters Kinn und wollte ihn trotzig ansehen, aber ihre Augen blieben an den seinen hängen. »Er faselt wohl«, sagte sie leise.

      Hinzelmeier schüttelte den Kopf; es wurde ganz still zwischen den Beiden.

      »Jungfer!« sagte nach einer Weile Hinzelmeier, »ich möchte Ihr das Band in die Kammer bringen!«

      Das Mädchen nickte.

      »Wo geht denn aber der Weg?«

      Es klang ihm in den Ohren: »Mitunter auch durchs Fenster!« – Das war die Stimme seiner Mutter. Er sah sie an seinem Bette sitzen; er sah sie lächeln; es war ihm plötzlich, als stehe er in einem rosenroten Nebel, der aus dem offenen Schiebefenster in die Küche hereinzog. Er trat wieder auf den Zuber und legte seine Hände um den Nacken des Mädchens. Da sah er durch die offene Kammertür in einen Garten, darinnen standen die blühenden Rosenbüsche wie ein rotes Meer und in der Ferne sangen kristallne Mädchenstimmen:

      »Rinke, ranke, Rosenschein,

       Tu dich auf und schließ uns ein!«

      Hinzelmeier drängte das Mädchen sanft in die Kammer zurück und stemmte die Hände auf das Fensterbrett, um sich mit einem Satz hineinzuschwingen; da hörte er es: »krahira, krahira!« über seinem Kopfe schwirren; und ehe er sich’s versah, ließ der Rabe die grüne Brille aus der Luft und gerade auf seine Nase fallen. Nur wie im Traume sah er noch das Mädchen die Arme nach ihm ausstrecken; dann war auf einmal alles vor seinen Augen verschwunden; aber in weiter Ferne sah er durch die grünen Gläser eine dunkle Gestalt in einem tiefen Felsenkessel sitzen, welche mit einem Stemmeisen eifrig in den Grund zu bohren schien.

       Inhaltsverzeichnis

      Aber er wanderte hin und her, kreuz und quer, er wurde müder und müder, sein Rücken wurde gekrümmt; aber immer fand er doch den Stein der Weisen nicht. So waren neun Jahre dahingegangen, als er eines Abends in ein Wirtshaus einkehrte, welches am Eingange einer großen Stadt gelegen war. Krahirius nahm sich mit der Klaue die Brille herunter und putzte sie an seinen Flügeln; dann setzte er sie wieder auf und hüpfte in die Küche. Als die Hausleute ihn sahen, lachten sie über seine Brille, nannten ihn ‘Herr Professor’ und warfen ihm die fettsten Bissen vor.

      »Wenn Ihr der Herr des Vogels seid«, sagte der Wirt zu Hinzelmeier, »so ist nach Euch gefragt worden.«

      »Freilich bin ich das –« sagte Hinzelmeier.

      »Wie heißt Ihr denn?«

      »Ich heiße Hinzelmeier.«

      »Ei, ei«, sagte der Wirt, »Ihren Herrn Sohn, den Gemahl der schönen Frau Abel, den kenne ich recht wohl.«

      »Das ist mein Vater«, sagte Hinzelmeier verdrießlich, »und die schöne Frau Abel ist meine Mutter.«

      Da lachten die Leute und sagten, der Herr sei außerordentlich spaßhaft. Hinzelmeier aber sah vor Zorn in einen blanken Kessel.

      Da starrte ihm ein grämliches Angesicht entgegen, voll Runzeln und Hahnepfötchen und er gewahrte nun wohl, daß er abscheulich alt geworden sei.

      »Ja. ja!« rief er und schüttelte sich, als gelte es aus einem schweren Traum zu kommen; »wo war es doch? Ich war ja dicht davor.« Dann erkundigte er sich bei dem Wirte, wer nach ihm gefragt habe.

      »Es war nur eine arme Dirne«, sagte der Wirt, »sie trug ein weißes Kleid und ging mit nackten Füßen.«

      »Das war die Rosenjungfrau!« rief Hinzelmeier.

      »Ja«, antwortete der Wirt, »ein Sträußermädel mag es wohl sein, sie hatte aber nur noch eine Rose in ihrem Körbchen.«

      »Wohin ist sie gegangen?« rief Hinzelmeier.

      »Wenn Ihr sie sprechen müßt«, sagte der Wirt, »so werdet Ihr sie schon in der Stadt an einer Straßenecke finden können.«

      Als Hinzelmeier das gehört hatte, schritt er eilig zum Hause hinaus und in die Stadt hinein; Krahirius, die Brille auf dem Schnabel, flog krächzend hinterher. Es ging aus einer Straße in die andere und an allen Ecksteinen standen Blumenmädchen; aber sie trugen plumpe Schnallenschuhe und boten schreiend ihre Ware feil. Das waren keine Rosenjungfrauen. – Endlich, als schon die Sonne hinter den Häusern hinab war, gelangte Hinzelmeier an ein altes Haus, aus dessen offener Tür ein zartes Leuchten


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