Theodor Storm: Novellen, Märchen, Gedichte & Briefe (Über 400 Titel in einem Band). Theodor Storm
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Ludwig Pietsch (Husum, 16.12.1864)
An Hans Storm (Husum, 16.12.1866)
An Hans Storm ( Husum, 21.12.1868)
An Ernst Esmarch (Husum, 23.12.1871)
An Ernst Storm (Husum, 29.12.1870)
An Ernst Storm (Husum. 26.-30.12.1871)
An Ernst Storm (Hademarschen, 24.12.1887)
An Erich Schmidt (Husum, 29.12.1877)
An PaulHeyse (Husum, 20.12.1876)
An Wilhelm Petersen (Hademarschen, 23.12.1887)
An Wilhelm Petersen (Husum, 23.12.1877)
An Wilhelm Petersen (Husum, 20.12. 1878)
An Wilhelm Petersen (Hademarschen, 21.12.1880)
An Wilhelm Petersen (Hademarschen, 31.12.1880)
An Gottfried Keller (Hademarschen, 22.12.1882)
Märchen und Spukgeschichten:
Hinzelmeier: Eine nachdenkliche Geschichte
Nachbars Kasperle
Da dachte Hinzelmeier: »Das ist der Stein der Weisen!« und ging geradewegs auf ihn zu. Der Mensch aber beharrte in seiner nachdenklichen Stellung, nur daß er zu Hinzelmeiers Erstaunen seine große Nase wie Gummi elasticum über das Kinn herabzog.
»Ei, lieber Herr, was treibt Ihr denn da?« rief Hinzelmeier.
»Das weiß ich nicht«, sagte der Mann, »aber ich habe da eine verwünschte Glocke an der Mütze, die mich abscheulich im Denken stört.«
»warum zupft Ihr Euch denn aber so entsetzlich an der Nase?«
»Oh«, sagte der Mensch und ließ den Nasenzipfel fahren, daß er mit einem Klapps wieder in seine alte Form zurückschnellte –»da bitte ich um Entschuldigung; aber ich leide oftmals an Gedanken, denn ich suche den Stein der Weisen.«
»Mein Gott!« sagte Hinzelmeier, »da seid Ihr wohl, gar des Nachbars Kasperle; der gar nicht wieder nach Haus gekommen ist?«
»Ja«, sagte der Mensch und reichte Hinzelmeier die Hand, »der bin ich.«
»Und ich bin Nachbars Hinzelmeier«, sagte dieser, »und suche auch den Stein der Weisen.«
Hierauf reichten sie sich noch einmal die Hände und kreuzten dabei die Finger auf eine Weise, woran sie sich gegenseitig als Eingeweihte erkannten. Dann sagte Kasperle: »Ich suche den Stein der Weisen jetzt nicht mehr.«
»Da reist Ihr vielleicht nach dem Rosengarten?« rief Hinzelmeier.
»Nein«, sagte Kasperle, »ich suche den Stein nicht mehr; aber ich habe ihn bereits gefunden.«
Da verstummte Hinzelmeier eine ganze Zeit lang; endlich faltete er andächtig die Hände und sagte feierlich: »Es mußte schon so kommen, ich wußte es wohl; denn ich habe vor neun Jahren den Teufel aus der Welt geschossen.«
»Das muß sein Sohn gewesen sein«, sagte der Andere, »dem alten Teufel bin ich noch vorgestern begegnet.«
»Nein«, sagte Hinzelmeier, »es war der alte Teufel; denn er hatte Hörner vor der Stirn und einen Schwanz mit schwarzer Quaste. Aber erzählt mir doch, wie Ihr den Stein gefunden habt.«
»Das ist einfach«, sagte Kasperle; »dort unten im Dorfe wohnen lauter dumme Leute, die nur mit Schafen und Rindvieh verkehren; sie wußten nicht, welchen Schatz sie besaßen; da habe ich ihn in einem alten Keller gefunden und mit drei Sechslingen das Pfund bezahlt. Und nun denke ich bereits seit gestern darüber nach, wozu er nütze sei und hätte es vermutlich schon gefunden, wenn mich die verwünschte Glocke nicht dabei gestört hätte.«
»Lieber Herr Kollege!« sagte Hinzelmeier, »das ist eine höchst kritische Frage, woran vor Euch wohl noch kein Mensch gedacht hat! Aber wo habt Ihr denn den Stein?«
»Ich sitze darauf«, sagte Kasperle und zeigte aufstehend Hinzelmeiern den runden, wachsgelben Körper, worauf er bisher gesessen hatte.
»Ja«, sagte Hinzelmeier, »es ist kein Zweifel, Ihr habt ihn wirklich gefunden; aber nun laßt uns bedenken, wozu er nütze sei.«
Damit setzten sie sich einander gegenüber auf den Boden, indem sie den Stein zwischen sich nahmen und die Ellenbogen auf ihre Knie stützten.
So saßen und saßen sie; die Sonne ging unter, der Mond ging auf und noch immer hatten sie nichts gefunden. Mitunter fragte der Eine: »Habt Ihr’s« aber der Andere schüttelte immer mit dem Kopfe und sagte: »Nein, ich nicht; habt Ihr’s?« und dann antwortete der Andere: »Ich auch nicht.«
Krahirius ging ganz vergnügt im Grase auf und nieder und fing sich Frösche. Kasperle zupfte sich schon wieder an seiner schönen, großen Nase; da ging der Mond unter und die Sonne kam herauf; und Hinzelmeier fragte wieder: »Habt Ihr’s?« und Kasperle schüttelte wieder den Kopf und sagte: »Nein, ich nicht, habt Ihr’s?« und Hinzelmeier antwortete trübselig: »Ich auch nicht.«
Dann dachten sie wieder eine ganze Weile nach; endlich sagte Hinzelmeier: »So müssen wir erst die Brille polieren, dann werden wir hernach schon sehen, wozu er nütze sei.« Und kaum hatte Hinzelmeier seine Brille abgenommen, so ließ er sie vor Erstaunen ins Gras fallen und rief: »Ich hab es! Herr Kollege, man muß ihn essen! Nehmt nur gefälligst die Brille von Eurer schönen Nase.«
Da nahm auch Kasperle die Brille herunter und nachdem er seinen Stein eine Weile betrachtet hatte, sagte er: »Dieses ist ein sogenannter Lederkäse und muß mit des Himmels Hilfe gegessen werden. Bedienen Sie sich, Herr Kollege!«
Und nun zogen beide ihre Messer aus der Tasche und hieben wacker in den Käse ein. Krahirius kam herbeigeflogen und nachdem er die Brille aus dem Grase aufgesammelt und über seinen Schnabel geklemmt hatte, setzte er sich gemächlich zwischen die Essenden und schnappte nach den Rinden.
»Ich weiß nicht«, sagte Hinzelmeier, nachdem der Käse verzehrt war, »mir ist unmaßgeblich zumute, als wäre ich dem Stein der Weisen um ein Erkleckliches näher gerückt.«
»Wertester Herr Kollege«, erwiderte Kasperle, »Ihr sprecht mir aus der Seele. So laßt