Die heimliche Geliebte. Barbara Cartland
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Die Heimliche Geliebte
Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2017
Copyright Cartland Promotions 1985
Gestaltung M-Y Books
1.
Der Marquis von Ruckford ließ sich von seinem Kammerdiener aus seiner faltenlos sitzenden Abendjacke helfen, die Weston legerer geschnitten hatte, als er das für den Prinzen von Wales getan hätte, weil der Marquis jedes Gefühl, beengt zu sein, verabscheute.
Das Schlafzimmer in der Poststation war groß und recht gemütlich. Ein helles Feuer brannte im offenen Kamin, und Seine Lordschaft stellte befriedigt fest, daß das breite, vierpfostige Bett mit der dicken Matratze alle Ansprüche erfüllte, die er in Bezug auf Bequemlichkeit stellen mochte.
Auf seinem gutgeschnittenen Gesicht zeigte sich ein leichtes Stirnrunzeln, als aus der Ferne Stimmengewirr und Gelächter an sein Ohr drang, was ihn schon den ganzen Abend gestört hatte.
„Ich habe das Gasthaus noch nie so lärmend erlebt“, bemerkte er irritiert zu seinem Kammerdiener. „Vielleicht hätten wir besser daran getan, bei Lord Lincoln zu übernachten.“
„Ausgerechnet heute hat ein Boxkampf stattgefunden“, erwiderte dieser. ,,Die Börse soll zweitausend Guineen betragen haben, wobei erhebliche Summen auf den Lokalmatador gesetzt wurden.“
„Hat er wenigstens gewonnen?“ fragte der Marquis nur mäßig interessiert.
Da er selbst als ausgezeichneter Amateurboxer galt, hatte er für Boxkämpfe nichts übrig, wenn sich nicht bekannte Champions gegenüberstanden.
„Angeblich soll die Angelegenheit sehr unbefriedigend verlaufen sein“, erklärte der Kammerdiener. „Trotz seiner hochgepriesenen Qualitäten lag der Gegner des Lokalhelden nach einer knappen halben Stunde besiegt auf dem Boden. Ein Großteil der Zuschauer glaubt daher Grund zu der Klage zu haben, den weiten Weg für nichts und wieder nichts gemacht zu haben.“
„Das war wohl kaum anders zu erwarten“, stellte der Marquis fest. „Leider halten sich als Folge davon viel zu viele lärmende Menschen in der Poststation auf.“
„Sie sind dabei, sich gegenseitig unter den Tisch zu trinken, Mylord. Nach Aussage des Wirts hat er nie zuvor einen solchen Umsatz gehabt.“
Der Marquis entgegnete nichts. Einerseits entsprach es nicht seiner Gewohnheit, mit seinem Diener zu klatschen, andererseits war er müde, da er bereits in den frühen Morgenstunden Lord Hargraves’ Schloß in Huntingdonshire verlassen hatte.
Nachdem er sich mit Hilfe seines Kammerdieners seiner restlichen Kleidungsstücke entledigt und sich mit warmem Wasser gewaschen hatte, das mit ein paar Tropfen Eau de Cologne angereichert worden war, beherrschte ihn nur ein Gedanke, wie dankbar ihm der Prinz von Wales sein mußte, daß er ihm die beschwerliche Reise abgenommen hatte. Dadurch hatte er allerdings Gelegenheit erhalten, ein Paar Kastanienbrauner auszuprobieren, die er vor zwei Monaten im Tattersall erworben und bisher lediglich in den Hyde Park geführt hatte.
Lord Hargraves Schloß lag von der Hauptstraße weit entfernt, und die staubigen Wege waren nicht dazu angetan, die Fahrt angenehmer zu machen, genauso wenig wie die Tatsache, daß der Marquis unterwegs hatte zweimal übernachten müssen.
Wenigstens hatte sich die Reise gelohnt. Er führte ein Bild mit sich, von dem er wußte, daß es das Entzücken Seiner Königlichen Hoheit erregen würde.
Er hatte kaum einen Fuß in das Schloß gesetzt, als er auch schon begriff, warum Lord Hargraves nach London zurückkehren wollte. Sein Vorschlag, den Marquis von Ruckford zu schicken, um seine Schätze zu begutachten, war von Motiven diktiert worden, die er in seinem wohlformulierten Brief an den Prinzen wohlweislich nicht erwähnt hatte.
Lord Hargraves hatte dem Marquis seine Tochter mit der Grandezza eines Zauberers vorgestellt, der ein weißes Kaninchen aus einem Zylinder zaubert.
Wieder einmal sah sich der Marquis einigermaßen irritiert in die Lage versetzt, klarstellen zu müssen, daß sein Interesse Bildern und nicht der Ehe galt.
Da Miss Emily neunzehn Jahre alt und sehr hübsch war, würde es Lord Hargraves sicherlich nicht schwerfallen, anderweitig einen Ehemann von Rang und Namen zu finden, der zu der dunkeläugigen Schönheit paßte.
Der Marquis jedenfalls ließ deutlich durchblicken, daß er auf dem Heiratsmarkt nicht zu haben war. Dabei überraschte es ihn nicht sonderlich, daß der Lord ihn für seine Tochter ausersehen hatte. In den letzten Jahren hatten immer wieder die Eltern heiratsfähiger Töchter die Angel nach ihm ausgeworfen. Er war nicht nur ein sehr vermögender, sondern auch ein außerordentlich gutaussehender Mann. Nur mit viel Geschicklichkeit und gelegentlicher Strenge hatte er es verhindern können, allgemein Beau Ruckford genannt zu werden, wobei ihm zugutekam, daß er ein ausgezeichneter Sportsmann war. Erstaunlicherweise wurde er nicht nur von den reizenden Damen bewundert, die seine Gunst suchten, sondern auch von den Mitgliedern seines eigenen Geschlechtes.
Er gehörte den besten Clubs an, hatte sich bei Duellen mit dem Degen und der Pistole hervorgetan und war mit Abstand der beste Amateurreiter, der je seine eigenen Pferde durchs Ziel gebracht hatte. Und bei alldem spielte er eine bedeutende Rolle im Oberhaus, wo seine Meinung von jedem Politiker geschätzt wurde.
Der Prinz von Wales fand in ihm einen unentbehrlichen Ratgeber, wenn es sich um Kunstwerke handelte.
Die Vorliebe des Prinzen für Gemälde alter Meister und Stilmöbel versorgte die Karikaturisten mit endloser Munition gegen ihn. Seine enormen Schulden brachten das Parlament und die Bevölkerung auf, während die Kostbarkeiten, für die er solche Summen ausgab, den Neid jedes Sammlers erregten.
Carlton House konnte mit seinen Bildern, Spiegeln, Bronzefiguren, Sevres-Porzellan und Gobelins den Vergleich mit Versailles und selbst dem Zarenschloß in St. Petersburg aushalten.
Der Prinz durchstöberte Woche für Woche die Londoner Antiquitätenläden und kaufte neue Schätze, mit denen er Carlton House schmückte.
Obwohl zwölf Jahre älter als der Marquis, bezeichnete er ihn als einen seiner engsten Freunde. Die meisten Männer seiner Umgebung zeigten wenig Interesse für sein kostspieliges, aber befriedigendes Hobby oder heuchelten Begeisterung für etwas, wovon sie nichts verstanden, was auf den Marquis nicht zutraf.
In jeder anderen Beziehung unterschieden sich die beiden Männer voneinander. Beide hatten ursprünglich sehr gut ausgesehen, doch während der Prinz durch sein ausschweifendes Leben ständig an Gewicht zulegte, was seiner äußeren Erscheinung nicht guttat, wurde der Marquis höchstens noch schlanker, was seine hohen Backenknochen und das kräftige Kinn betonte.
Die Frauen bezeichneten sein Gesicht als das eines Freibeuters, ein Vergleich, zu dem sein Benehmen ihnen gegenüber geradezu herausforderte.
Während der Prinz sich vom Leben treiben ließ, hatte der Marquis ganz klare Vorstellungen davon, was er von der Zukunft erwartete. Vor allem in einer Beziehung hatte er einen festen Vorsatz gefaßt, nämlich erst dann zu heiraten, wenn es ihm in seine Pläne paßte.
Er war sich wohl bewußt, daß ein Mann mit seinem historischen Namen, seinem riesigen Vermögen und seiner gesellschaftlichen Stellung einen Erben haben mußte. Und obwohl er darüber noch zu niemand ein Wort verloren hatte, hatte er bereits eine Braut im Auge, die Tochter des Herzogs von Tealby, dessen Ländereien an die seinen angrenzten. Lady Adelaide Wilmott war der Typ Frau, den der Marquis am Kopfende seiner Tafel sehen wollte. Sie war ruhig und wohlerzogen, und obwohl keine blendende Schönheit, doch von angenehmem Äußeren. Mit ihren aristokratischen Zügen und der stolzen Haltung würde sie den berühmten Ruckford-Familienschmuck mit Würde tragen.
Zur Zeit war Lady Adelaide Hofdame der Königin, was nach Ansicht des Marquis eine gute Übung für das Leben bedeutete, das sie an seiner Seite führen würde.
Daß sie schon vierundzwanzig Jahre alt war, kümmerte