Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

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Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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Dagfinn für mich; er hat ein gutes Schwert, nach dem mich's schon lange gelüstet.

      Bård Bratte. Ich will Bård Torstejnssons Panzer haben; der schützte sein Leben bei Låka, denn der ist fest gegen Hieb und Stich.

      Jatgjer. Nein, den laß mir; er paßt mir besser; fünf Mark Goldes sollst Du dagegen haben.

      Bård Bratte. Woher willst Du fünf Mark Goldes nehmen, Skalde?

      Jatgjer. Ich will sie Gregorius Jonsson abnehmen, wenn wir nach Norden kommen.

      Die Mannen durcheinander schreiend. Und ich will – und ich will – Das Weitere wird undeutlich im Lärm.

      Paul Flida. Auf jetzt, jeder nach seiner Herberge – bedenkt, daß Ihr in der Königshalle seid!

      Die Mannen. Ja, ja, – Heil dem König, Heil König Skule!

      König Skule. Zu Bette nun, Ihr wackren Mannen! Wir haben heut lange am Zechtisch gesessen.

      Einer vom Gefolge, indem der Schwarm sich zu entfernen beginnt. Morgen ziehen wir das Los um der Birkebeiner Hab' und Gut.

      Ein Andrer. Laßt lieber den Zufall entscheiden!

      Einige. Nein, nein!

      Andre. Ja, ja!

      Bård Bratte. Da streiten sich die Wolfsbälge um das Bärenfell.

      Paul Flida. Und hinterdrein erlegen sie den Bären.

      Alle ab durch den Hintergrund.

      König Skule wartet, bis die Mannen sich entfernt haben; die Spannung in seinen Zügen läßt nach; er sinkt nieder auf eine Bank. Wie bin ich müde, totmüde! Tagaus und tagein inmitten dieses Schwarms zu stehen, lächelnd vorwärts zu blicken, als sei ich des Rechtes und des Sieges und des Glückes so unerschütterlich gewiß! Nicht einen Menschen zu haben, mit dem ich über das reden kann, was so schmerzhaft mich quält! Er springt mit einem Ausdruck des Entsetzens empor. Und dann die Schlacht bei Låka! Daß ich dort siegte! Håkon sandte sein Heer gegen mich; Gott sollte zwischen den beiden Königen richten und entscheiden, – und ich siegte, siegte, wie noch nie einer über die Birkebeiner gesiegt hat! Die Schilde standen fest im Schnee, aber keiner war dahinter; – die Birkebeiner rannten zum Walde, über Hochebenen und Forsten und Hügel, so weit die Füße sie tragen wollten. Das Unglaubliche geschah; Håkon verlor, und ich gewann. In diesem Sieg ist ein geheimes Grauen. Du großer Gott des Himmels, es gibt also kein sicheres Gesetz da oben, nach dem alles sich vollziehen muß? Recht zu haben, darin liegt keine siegende Macht? Leidenschaftlich abbrechend. Ich bin krank, ich bin krank! – Warum sollte das Recht nicht auf meiner Seite sein? Ist es nicht, als wollte Gott selber mich gewissermaßen davon überzeugen, da er mich siegen ließ? Grübelnd. Die Möglichkeiten sind gleich; – nicht einer Feder Schwere mehr auf der einen Seite als auf der andern, und doch – schüttelt den Kopf – doch neigt sich die Wage für Håkon. Ich habe Haß und heiße Wünsche in meine Schale zu werfen, und doch neigt sich die Wage für Håkon. Kommt mir unversehens der Gedanke an das Königsrecht, so ist immer er, niemals ich, der wahre König. Soll ich mich selbst als den rechten ansehen, so bedarf es künstlicher Mittel; ich muß ein sinnreiches Gebäude, ein Werk des Verstandes errichten; ich muß die Erinnerungen verscheuchen und mich mit Gewalt zwingen zum Glauben. So war es nie zuvor. Was ist denn geschehen, daß mich fortan so zweifeln gemacht hat? Daß der Bischof den Brief verbrannte? Nein, – dadurch wurde die Ungewißheit ewig; aber sie wurde nicht größer. Hat denn Håkon in der letzten Zeit irgend eine große königliche Tat vollbracht? Nein, seine größten Taten vollführte er, als ich am wenigsten an ihn glaubte. Er setzt sich an der rechten Seite nieder. Was ist es? Ha, es ist seltsam; es kommt und schwindet wie ein Irrwisch; es tanzt mir auf der Zungenspitze, wie wenn man ein Wort verloren hat und es nicht wiederfinden kann. Springt auf. Ha! Nun hab' ich's! Nein –! Ja, ja! Nun hab' ich's! – »Norwegen war ein Reich; es soll ein Volk werden; alle sollen eins werden, und sollen sich dessen bewußt sein, daß sie eins sind!« Seit Håkon diese wahnwitzigen Worte gesprochen hat, steht er allezeit vor mir als der rechte König. – Er sieht sich ängstlich um und flüstert: Wenn nun eine Gottesstimme aus diesen seltsamen Worten tönte? Wenn nun Gott diesen Gedanken bis jetzt bei sich bewahrt hätte und ihn nun ausstreuen wollte – und Håkon zu seinem Sämann erkoren hätte?

      Paul Flida tritt durch die Mitte ein. Herr König, ich hab' was Neues zu melden.

      König Skule. Neues?

      Paul Flida. Ein Mann, der vom Fjord heraufkommt, erzählt, die Birkebeiner hätten ihre Schiffe bei Tunsberg auslaufen lassen, und in den letzten Tagen hätten sich viele Mannen dort bei der Stadt versammelt.

      König Skule. Gut, wir wollen sie angreifen – morgen oder übermorgen.

      Paul Flida. Herr, es wäre nicht unmöglich, daß die Birkebeiner mit dem Angriff uns zuvorkämen.

      König Skule. Dazu haben sie weder Schiffe noch Mannschaften genug.

      Paul Flida. Aber Arnbjörn Jonsson sammelt Schiffe wie Mannschaften rings um Vike.

      König Skule. Desto besser – so schlagen wir sie alle miteinander – wie bei Låka.

      Paul Flida. Herr, es ist nicht so leicht, die Birkebeiner zweimal hintereinander zu schlagen.

      König Skule. Und warum nicht?

      Paul Flida. Weil Norwegens Saga nicht meldet, daß solches jemals zuvor geschehen ist. – Soll ich nicht Späher nach Hovedö aussenden?

      König Skule. Das tut nicht not; 's ist dunkle Nacht und neblig dazu.

      Paul Flida. Ja, ja, – der König muß das am besten wissen – aber bedenkt, Herr, daß alle hier in Vike Euch feindlich sind. Die Städter von Oslo hassen Euch, und kommen die Birkebeiner, so machen sie gemeinsame Sache mit ihnen.

      König Skule lebhaft. Paul Flida, wär' es nicht denkbar, daß ich die Vikväringer auf meine Seite brächte?

      Paul Flida blickt ihn verwundert an und schüttelt den Kopf. Nein, Herr, das ist nicht denkbar.

      König Skule. Und warum nicht?

      Paul Flida. Nein, denn Ihr habt ja die Trondhjemer auf Eurer Seite.

      König Skule. Beide, die Trondhjemer und die Vikväringer will ich haben!

      Paul Flida. Nein, Herr, das ist nicht möglich.

      König Skule. Nicht denkbar – nicht möglich! Und warum – warum nicht?

      Paul Flida. Weil der Vikväringer ein Vikväringer und der Trondhjemer ein Trondhjemer ist, und weil die Saga nichts anderes meldet, und weil es immer so gewesen ist.

      König Skule. Ja, ja, – Du hast recht. Geh!

      Paul Flida. Und ich soll keine Späher aussenden?

      König Skule. Wart' bis zum Tagesgrauen. Paul Flida ab. Norwegens Saga meldet nichts dergleichen; es ist immer so gewesen. Paul Flida antwortet mir, wie ich Håkon geantwortet habe. Gibt's denn eine Stufenleiter nach oben und nach unten? Ist Håkon eben so hoch über mich erhöht, wie ich erhöht bin über Paul Flida? Sähe Håkons Auge die ungeborenen Gedanken, und meines nicht? Wer stand auf gleicher Höhe mit Harald Hårfager zu der Zeit, als ein König auf jeder Landspitze saß, und Harald sprach: »Jetzt sollen sie fallen, fortan soll nur einer sein!« Er warf die alte Saga über den Haufen, – er schuf eine neue Saga. Pause; er schreitet brütend auf und ab; dann bleibt er stehen. Kann ein Mensch dem andern den Gottesruf abnehmen, wie er seinem erschlagenen Feinde Waffen und Gold abnehmen kann? Kann ein Thronforderer das Königswerk auf sich nehmen, wie er den Königsmantel umnehmen kann? Die Eiche, die als Schiffsbauholz gefällt wird, kann sie sagen: ich will der Mast im Schiffe sein, ich will das Amt der Tanne übernehmen, schlank und leuchtend empordeuten, einen güldenen Wimpel auf der Spitze tragen, mit weißen, schwellenden Segeln im Sonnenschein blinken und in weiter, weiter Ferne von den Leuten gesehen werden? – Nein, nein, du schwerer, knorriger Eichenstamm, dein Platz ist unter dem Kiele; dort sollst du liegen und Nutzen schaffen, still und von keinem Auge droben im Licht gesehen; – du sollst verhindern, daß das Schiff im Sturm kentert;


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