Opfer der Gefühle. Barbara Cartland

Читать онлайн книгу.

Opfer der Gefühle - Barbara Cartland


Скачать книгу
Schloß war stets ein wenig düster gewesen, und die Dinge bewegten sich ziemlich langsam innerhalb der alten Mauern, als spielte Zeit keine besondere Rolle.

      Plötzlich erwachte das große Haus zu hektischem Leben, und wenn auch einige Neuerungen begrüßenswert waren - der Stil, in dem sie durchgeführt wurden, und die Methode, mit der die neue Herrin Gehorsam erzwang, wirkten bedrückend.

      Mehrere alte Dienstboten wurden pensioniert, was großes Unbehagen im Kreise der anderen erzeugte. Sorilda sah, daß sie schneller als früher umhereilten und immer wieder nervös um sich schauten. Nach jahrelanger Arbeit war ihnen das Gefühl der Sicherheit genommen worden.

      Was Sorilda betraf, so verschwendete Iris keine Zeit, um ihr in aller Deutlichkeit klarzumachen, daß sie nicht die Absicht hegte, sich um die Nichte ihres Mannes zu kümmern. Sorilda war keineswegs eingebildet, hätte aber sehr dumm sein müssen, um nicht zu merken, daß ihre eigene Schönheit die sofortige Abneigung der neuen Herzogin erregt hatte. In den Adern ihrer Mutter war österreichisches Blut geflossen, und die Tochter hatte das dunkelrote, für viele Wiener Schönheiten typische Haar geerbt. Ihre Augen strahlten in intensivem Grün, und ihre Haut war so zart wie Magnolienblüten.

      In den drei Jahren seit dem Tod ihrer Eltern hatte sie sich von einer hübschen Fünfzehnjährigen zu einer bildschönen jungen Frau entwickelt, die in London zweifellos großen Anklang gefunden hätte, wäre sie dort in Erscheinung getreten. Der Herzog hatte es bisher nicht für nötig gefunden, seine Nichte in die Gesellschaft einzuführen, da ihr das Leben im Schloß zu genügen schien.

      Hin und wieder hatte er überlegt, daß sie früher oder später der Königin im Buckingham-Palast vorgestellt werden und daß er eine seiner wenigen widerwärtigen weiblichen Verwandten als Anstandsdame bestimmen mußte. Stets hatten ihn die unzähligen Eatons gelangweilt, die um ihn herumscharwenzelten und ihn mit Briefen bombardierten, die ihn nicht interessierten.

      Im Gegensatz zu seinem Vater sah er sich nicht als Familienoberhaupt, das jedem zur Seite stand, der Rat und Hilfe brauchte. Er zog es vor, sich alle anderen vom Leib zu halten. Das bedeutete, daß die meisten Gäste des Schlosses in seinem Alter waren. Und da er sich nie bemüht hatte, Sorilda mit anderen Leuten bekannt zu machen, wurde sie nur selten zu den Partys im County eingeladen, nicht zuletzt auch deshalb, weil ihr Onkel auf viele einschüchternd wirkte. Er war in der Tat eine furchterregende Persönlichkeit.

      In seiner Jugend war er sehr attraktiv gewesen, und die Jahre hatten sein Selbstbewußtsein keineswegs verringert. Der Mehrzahl seiner Mitmenschen fühlte er sich weit überlegen, und er sah keinen Grund, jemanden einzuladen, der ihn weder interessierte noch amüsierte. Dies schränkte den Kreis der Besucher, die ins Schloß kamen, weiterhin ein, und Sorilda hätte ein sehr einsames, tristes Leben geführt, wäre sie nicht mit ihrer Ausbildung beschäftigt gewesen.

      Indem sie sich dem Revisor des Herzogs anvertraute, der ihren Vater sehr geschätzt hatte, gelang es ihr, eine sympathische Gouvernante und Lehrer aus mehreren Teilen der Grafschaft ins Schloß zu holen. Falls der Herzog die hohen Kosten für den Unterricht seiner Nicht mißbilligte, so erwähnte er dies jedenfalls nicht. Und da Sorilda Fachgebiete gewählt hatte, die sie faszinierten, besaß sie eher die Kenntnisse eines Mannes als einer jungen Frau.

      Ein Jahr zuvor, an ihrem siebzehnten Geburtstag, hatte ihre Gouvernante erklärt, sie müsse kündigen, da sie sonst bald zu alt sei, um einen neuen Posten zu finden. Danach war Sorilda meist allein gewesen, hatte aber weiterhin Musikstunden genommen und die Lehrer behalten, die ihr alte und neue Sprachen beibrachten.

      Doch sie hatte sich vorgenommen, ihren Onkel darauf hinzuweisen, daß sie nun erwachsen sei und ihre Tage nicht länger im Schulzimmer verbringen könne. Und dann war Iris angekommen, und Sorilda hatte bald gemerkt, daß sie ihr Dasein zwar nicht mehr im Schulzimmer, aber dafür ganz im Hintergrund der Ereignisse fristen mußte.

      Wie viele schöne Frauen empfand Iris eine gänzlich überflüssige Eifersucht auf alle Konkurrentinnen. Tag und Nacht mußte sie im Mittelpunkt des Interesses stehen. Und die erste Begegnung mit der Nichte ihres Mannes hatte ihr einen schweren Schock versetzt.

      Als Sorilda nun die Mißstimmung am Frühstückstisch bemerkte, versuchte sie die Wogen zu glätten.

      »Ich glaube, der Graf von Winsford hat den Hosenbandorden bekommen, weil er Prinz Albert von Anfang an bei der Planung des Kristallpalastes unterstützte.«

      »Woher willst du das wissen?« fragte die Herzogin.

      Ehe Sorilda antworten konnte, erklärte ihr Onkel: »Sie hat recht, und das Ganze war ein idiotisches Projekt. Nur ein Wahnsinniger kann einen Glaspalast entwerfen und den Hyde Park damit entweihen. Das ist eine unerhörte Zumutung für alle Bewohner dieses Landes.«

      Sorilda erinnerte sich, daß ein Parlamentsmitglied im Unterhaus ähnliche Worte gebraucht hatte. Aber trotz des Widerstands von Seiten distinguierter Persönlichkeiten wie des Herzogs und der Presse war der Bau des Palastes weitergeführt worden.

      »Ihr werdet schon sehen!« fuhr der Schloßherr mit erhobener Stimme fort. »Das Ganze wird ein gigantischer Fehlschlag, und es würde mich nicht überraschen, wenn dieses Gebäude just in dem Augenblick zusammenbricht, wenn es von der Königin eröffnet wird.« Er schnaufte verächtlich und fügte hinzu: »Was kann man denn von einem Gärtner erwarten, der sich als Architekt bezeichnet?«

      Damit war Joseph Paxton gemeint, einer der bedeutendsten Männer des Jahrhunderts. Er hatte sein Leben tatsächlich als Gärtner begonnen, war aber später als Protegé des Herzogs von Devonshire und ohne architektonische Qualifikationen zum gefeierten Erbauer des großen Konservatoriums in Chatsworth geworden, dem Sitz des Herzogs in Derbyshire. In den Zeitungen war verächtlich berichtet worden, Paxton habe Prinz Albert den grob skizzierten Entwurf eines Glaspalasts vorgelegt, der im Grunde nur ein überdimensionales Gewächshaus sei. Nicht nur der Herzog von Nuneaton prophezeite eine Katastrophe.

      Sorilda studierte die Zeitungen immer sehr methodisch, und sie hatte zahllose Artikel, Leserbriefe und Berichte gefunden, in denen vorausgesagt wurde, daß das Bauwerk infolge der Vibrationen, die durch die Schritte der Besuchermassen entstehen würden, unweigerlich einstürzen müsse.

      Andere Leute äußerten die Überzeugung, es würde durch einen Hagelsturm zertrümmert, durch einen Donnerschlag zerschmettert oder durch einen Regenschauer fortgespült werden. Aber die Bauarbeiten am Kristallpalast wurden fortgesetzt, und Sorilda hatte gelesen, daß sie sich nun bereits ihrem Ende näherten. Selbst die schärfsten Kritiker merkten allmählich, daß da etwas Außerordentliches vorging. Bereits in zwei Wochen, am 1. Mai, würde die Königin den Kristallpalast eröffnen.

      Von Anfang an war der Herzog einer der heftigsten Gegner von Prinz Alberts »Traum« gewesen. Sorilda war allerdings überzeugt, daß er das bei Hof nicht erwähnte. In diesem Augenblick schien ihn aber nicht der Glaspalast zu ärgern, sondern seine Eifersucht auf den Grafen von Winsford. Weil es die Gefühle anderer Menschen sehr deutlich spürte, ahnte das junge Mädchen, daß seine Stieftante in dem Grafen nicht nur den Nachbarn sah, dessen Ländereien an jene von Schloß Nuneaton grenzten. Wenn sein Name erwähnt wurde, was ziemlich oft geschah, trat ein Ausdruck in die hellblauen Augen, der sich vom üblichen kühl berechnenden Blick unterschied. Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn sich die junge Herzogin in den Grafen von Winsford verliebt hätte.

      Seit Sorilda im Schloß lebte, hatte sie nicht nur ihren Onkel und seine Gäste über ihn reden hören, sondern auch die Dienstboten und alle anderen in der Nachbarschaft. Und als sie ihn zum ersten Mal bei dem Jagdtreffen gesehen hatte, das alljährlich auf Nuneaton stattfand, war ihr bewußt geworden, warum so viel über ihn geklatscht wurde. Er sah großartig aus, was die Begeisterung der Frauen erklärte, und er war ein besserer Reiter als alle Männer, die sie kannte. Letztes Jahr hatte er in Ascot den Gold-Cup gewonnen, und man erwartete, daß er seinen Erfolg in diesem Jahr wiederholen würde.

      Vor seiner Hochzeit war der Herzog nicht gerade ein enger Freund des Grafen gewesen, hatte ihn aber toleriert. Dann schien sich der Nachbar, mit dem er jahrelang in Frieden gelebt hatte, über Nacht in einen Feind verwandelt zu haben.

      »Eins will ich euch sagen!« rief der


Скачать книгу