Opfer der Gefühle. Barbara Cartland

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Opfer der Gefühle - Barbara Cartland


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sie mit unangenehmen Aufgaben betraut, die keineswegs ausgeführt werden mußten, sondern eher eine Strafe darstellten.

      Aber um sechs konnte sie unbemerkt aus dem Haus schlüpfen und zum Stall laufen. Sie fürchtete nur, Harriet würde sie beobachten und ihre Herrin informieren. Plötzlich fiel ihr ein, daß man ihr befohlen hatte, nicht zu trödeln.

      »Wir sehen uns morgen früh, Huxley«, sagte sie lächelnd. »Und vielen Dank!«

      Sie war ihm nicht nur für sein Versprechen dankbar, Kingfisher bereitzuhalten. Sorilda kehrte ins Schloß zurück. Als sie die Halle betrat, hörte sie den Ruf ihrer Stieftante, die auf dem Treppenabsatz stand.

      »Komm herauf!«

      Sorilda gehorchte dem unfreundlichen Befehl und rannte nach oben. Schmerzhaft packte die Herzogin ihren Arm.

      »Hast du Huxley gesagt, der Bote soll auf eine Antwort warten?«

      »Nein, das hast du mir nicht aufgetragen.«

      »Natürlich wollte ich das, du kleine Närrin! Lauf noch einmal hinunter und gib ihm Bescheid. Und der Bote soll die Antwort zu dir bringen, nicht zu mir. Verstehst du?«

      Sorilda hob nur sekundenlang die Brauen, dann eilte sie ohne ein weiteres Wort zum Stall. Nun wußte sie, daß ihr Verdacht, die Herzogin könnte sich für den Grafen interessieren, begründet war.

      Im Stall sah sie ein gesatteltes Pferd. Daneben wartete ein Reitknecht in der Livree ihres Onkels, um nach Winsford Park aufzubrechen. Huxley, den Brief in der Hand, erteilte dem jungen Burschen gerade seine Anweisungen. Erstaunt wandte er den Kopf, als Sorilda zurückkam.

      »Ich habe vergessen, Ihnen etwas zu sagen«, erklärte sie. »Der Reitknecht soll auf eine Antwort warten und sie mir übergeben.«

      Ihr Auftrag stürzte sie in tiefe Verlegenheit, denn Huxley wußte, daß sie den Grafen nicht persönlich kannte, und es war offensichtlich, für wen die Antwort bestimmt war.

      Huxley hatte sein Leben lang im Dienst des Herzogs gestanden und frühzeitig gelernt, daß es ihm - so seltsam das Verhalten der Herrschaften auch anmuten mochte - nicht zukam, Fragen zu stellen.

      Und so erwiderte er nur: »Jawohl, Miss. In einer Stunde müßte der Bursche wieder da sein, es sei denn, er muß sehr lange warten.«

      »Dann werde ich in einer Stunde wiederkommen, um ihm Zeit und Mühe zu ersparen.«

      »Tun Sie das, Miss.«

      Huxley ahnte, daß sie die Gelegenheit nutzen wollte, um sich mit den Pferden zu befassen. Er instruierte den jungen Mann, und Jim führte das Pferd auf das Kopfsteinpflaster des Hofs, um sich in den Sattel zu schwingen.

      »Komm so schnell wie möglich zurück!« befahl der Oberreitknecht. »Ich weiß genau, wie lang der Weg nach Winsford Park dauert!«

      »Da ich schon mal hier bin, könnte ich mir Kingfisher ansehen«, meinte Sorilda.

      Sie inspizierte das verbundene Fesselgelenk und sprach freundlich auf Kingfisher ein, der sie mit seiner Nase anschubste.

      »Morgen um sechs«, versprach sie ihm und hatte das Gefühl, daß er sie verstand.

      Es war sogar noch etwas früher, als Sorilda durch das Außentor aus dem Stall ritt, damit niemand sie zufällig von einem der Schloßfenster aus bemerkte.

      Huxley hatte Kingfisher für sie bereits gesattelt, obwohl sie in ihrer Freude auf den Ausritt schon vor der vereinbarten Zeit im Stall erschienen war. Sie hatte ihr Reitkostüm angezogen, aber keinen Hut aufgesetzt, denn sie rechnete nicht damit, um diese Stunde jemandem zu begegnen. Ihr Haar trug sie so, wie es ihr gefiel, mit Ringellöckchen vor den Ohren.

      Sie wußte, daß sie behutsam mit dem Hengst umgehen mußte und ihm keinen Galopp erlauben durfte, und so hielt sie ihn in einem gemächlichen Trab. Zwischen den Bäumen und in den Senken des Parks lag immer noch der Morgennebel. Die Narzissen blühten bereits, und an den Zweigen zeigten sich die ersten grünen Knospen. Der Winter war sehr streng gewesen, und die Natur erwachte später als üblich zu neuem Leben.

      Vielleicht wird der Frühling auch mir ein bißchen Glück bringen, dachte sie. Im vergangenen Jahr hatte sie, obwohl sie ohne die Eltern recht einsam gewesen war, oft den Eindruck gewonnen, daß sich mit ihrem Heranwachsen neue Horizonte und Perspektiven eröffnen würden. Jetzt kam es ihr so vor, als würde sie sich nicht voran, sondern rückwärts bewegen. Letzte Woche war sie von einem halb und halb erwarteten Schicksalsschlag getroffen worden, denn ihre Stieftante hatte erklärt, es sei reine Geldverschwendung, Sorildas Lehrer weiterhin zu bezahlen.

      »Du bist zu alt, um nach wie vor Unterricht zu nehmen. Außerdem - was für einen Sinn hat diese Lernerei?!«

      »Es gibt noch so vieles, was ich wissen möchte«, erwiderte Sorilda. »Bitte erlaub mir wenigstens, die Musikstunden fortzusetzen!«

      »Was glaubst du denn, wer dir jemals zuhören wird?« rief Iris in scharfem Ton. »Außerdem kann sich dein Onkel so etwas nicht leisten.«

      Das stimmte nicht, aber Sorilda wußte, daß ihre Stieftante jeden Penny, den sie vom Herzog bekam, ausschließlich für sich selbst verwenden wollte. Nie hätte sie gedacht, daß sich eine Frau in so kurzer Zeit so viele Kleider und Juwelen anschaffen könnte. Sorilda fand es unglaublich, daß ihre Stieftante, deren Garderobe und Juwelen ein kleines Vermögen gekostet haben mußten, der Nichte ihres Mannes nicht nur schöne Kleider, sondern auch die ersehnte geistige Bereicherung mißgönnte.

      »Bitte, bitte!« hatte sie gefleht. »Laß mich weiterhin Musikunterricht nehmen, zumindest bis zum Ende des Sommers!«

      »Nein!«

      Die Herzogin preßte die Lippen zu einem harten Strich zusammen, und ihre Augen verengten sich.

      »Du mußt endlich lernen, genau das zu tun, was man dir sagt. Sei dankbar, daß du ein Dach über dem Kopf hast! Eigentlich müßte es genug andere Verwandte geben, die bereit wären, dich aufzunehmen.«

      »Darüber solltest du mit Onkel Edmund reden.«

      Sie wußte, daß der Herzog seine Verwandtschaft nicht ausstehen konnte und Iris’ Vorschlag, seine Nichte fortzuschicken, entschieden ablehnen würde. Andererseits sagte sie sich, daß es vielleicht besser für sie wäre, bei einer älteren Kusine zu wohnen, die nicht viel für sie übrig hatte. Nichts würde schlimmer sein, als auf Schloß Nuneaton zu bleiben und Tag um Tag der Bosheit ihrer Stieftante aasgesetzt zu sein. Aber nicht einmal das war ein Ausweg. Der Herzog, der seine Verwandten verabscheute, würde sich weigern, Sorildas wegen Verbindung mit ihnen aufzunehmen.

      Nur wenn sie ausritt, konnte sie ihrem Unglück entrinnen und mit ihren Gedanken allein sein.

      Sie entfernte sich vom Schloß, und nach einer Weile erinnerte sie sich, daß Huxley erklärt hatte, wenn sie den Grafen sehen wolle, könne sie ihn auf dem »langen Galopp« bei der abgebrannten Eiche finden. Der Baum war einst von einem Blitz getroffen worden, doch der verkohlte Stamm stand immer noch, und auf Nuneaton wies man einander den Weg mit Angaben wie »rechts« oder »links« oder »nördlich von der abgebrannten Eiche«.

      Nach einer halben Stunde erreichte sie den Zaun, der die Ländereien des Herzogs und des Grafen trennte. Der Besitz von Nuneaton erstreckte sich weit nach Osten und Süden. Im Westen wurde er von dem Gebiet begrenzt, das der Familie Winsford schon seit mehreren Generationen gehörte.

      Bald sah sie einen Reiter auf dem »langen Galopp« dahin rasen, als sie Kingfisher im Schatten einiger Bäume zügelte.

      Er war ziemlich weit von ihr entfernt, und sie sah ihm aufmerksam entgegen. Ein Jahr mußte vergangen sein, seit sie den Grafen zuletzt gesehen hatte. Er war nicht nur der attraktivste Mann, sondern auch der beste Reiter, den sie kannte.

      Während sie überlegte, ob das Pferd zu seinen neuen Errungenschaften zählte, wurde es gezügelt und herumgeschwungen, dann ritt der Graf wieder an ihr vorbei. Nun bewegte er sich viel langsamer, und sie konnte das Tier genauer begutachten. Es war ein wunderbarer Fuchs mit langer Mähne und üppigem Schweif. Das Muskelspiel unter


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