Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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im Wa­gen schla­fen, mit die­sem Tres­sen­hut auf dem Kop­fe? …

      – Ihre Müt­ze? da, da, Vä­ter­chen! rief der jun­ge Schelm und reich­te ihm sei­ne Pelz­kap­pe, die er au­gen­blick­lich mit gut­mü­ti­gem Be­ha­gen auf sein Haupt stülp­te.

      – Aber die Rei­se­fla­sche? He? Da­ran hast du nicht ge­dacht, nichts­nüt­zi­ge Krea­tur!

      – O frei­lich habe ich dar­an ge­dacht, ant­wor­te­te sie, und lang­te eine große mit Juch­ten über­zo­ge­ne und in Sil­ber ge­fass­te Glas­fla­sche her­vor, ich habe sie selbst mit dem bes­ten Un­gar aus Tant­chens Kel­ler ge­füllt. Kos­ten Sie, es ist Ihre Lieb­lings­sor­te.

      – Und die Pfei­fe? und mein tür­ki­scher Ta­backs­beu­tel?

      – Es ist al­les da, ant­wor­te­te das Kam­mer­mäd­chen; der gnä­di­ge Herr fin­den al­les in der Wagen­ta­sche. Wir ha­ben an al­les ge­dacht und wir ha­ben nichts ver­säumt, um dem gnä­di­gen Herrn die Rei­se an­ge­nehm zu ma­chen.

      – Na! sag­te der Frei­herr, sich eine Pfei­fe stop­fend. Ein schänd­li­cher Streich ist es bei dem al­len, den du mir da ge­spielt hast, mei­ne lie­be Ama­lie! machst dei­nen Va­ter zum Ge­spött und bist Schuld dar­an, dass sich die Leu­te über mich lus­tig ma­chen wer­den.

      – Lie­ber Va­ter! ant­wor­te­te Ama­lie; ma­che ich mich nicht zum Ge­spöt­te in den Au­gen der Welt, wenn ich mich dar­auf er­picht stel­le, einen lie­bens­wür­di­gen Cou­sin zu hei­ra­ten, der mich kei­nes Blickes wür­digt und un­ter mei­nen Au­gen mei­ner Mu­sik­leh­re­rin an­ge­le­gent­lich den Hof macht? Ich habe lan­ge ge­nug die­se Miss­hand­lung aus­ge­hal­ten, und ich weiß nicht, ob es vie­le Mäd­chen von mei­nem Stan­de, mei­nem Äu­ße­ren, mei­nem Al­ter ge­ben möch­te, die nicht einen erns­te­ren Groll ge­fasst hät­ten. Das weiß ich ge­wiss, dass Man­che die we­ni­ger Lan­ge­wei­le aus­zu­stehn hat als ich seit acht­zehn Mo­na­ten hin­un­ter­schlu­cken muss­te, der Sa­che kurz ein Ende macht und da­von geht oder sich ent­füh­ren lässt. Ich nun be­gnü­ge mich da­mit, mei­nen Va­ter zu ent­füh­ren und mit ihm da­von zu ge­hen. Das ist doch wohl an­stän­di­ger, was mei­nen Sie, lie­ber Va­ter?

      – Du hast den Teu­fel im Lei­be! ant­wor­te­te der Baron und gab sei­ner Toch­ter einen Kuss.

      Er leg­te den Rest des We­ges sehr ver­gnügt zu­rück, trank, tauch­te, schlief, und klag­te und wun­der­te sich wei­ter über nichts.

      Die­ses Er­eig­nis mach­te auf dem Schlos­se nicht so großes Auf­se­hen als die klei­ne Baro­nes­se sich ge­schmei­chelt hat­te. Um mit dem Gra­fen Al­bert an­zu­fan­gen, so hät­te der eine Wo­che hin­brin­gen kön­nen, ohne es nur zu be­mer­ken, und als es das Stifts­fräu­lein ihm an­kün­dig­te, sag­te er nur:

      – Das ist der geist­reichs­te Ge­dan­ke, den die geist­rei­che Ama­lie ge­habt hat, seit sie den Fuß hier ins Haus setz­te. Un­ser gu­ter On­kel, denk ich, wird es nicht lan­ge an­ste­hen las­sen, uns wie­der zu be­su­chen.

      – Mir tut es leid, dass der Bru­der fort ist, sag­te der alte Graf. In mei­nem Al­ter zählt man nach Wo­chen, nach Ta­gen. Was dir nicht lan­ge scheint, Al­bert, ist für mich eine Ewig­keit, und ich bin des­sen nicht so ge­wiss, wie du, mein Sohn, mei­nen gu­ten, sorg­lo­sen Fritz wie­der­zu­se­hen. Nun! Ama­lie hat es ge­wollt, setz­te er hin­zu, in­dem er den merk­wür­dig schmei­chelnd und bos­haft zu­gleich ab­ge­fass­ten Brief, den die jun­ge Baro­nes­se zu­rück­ge­las­sen hat­te, lä­chelnd wie­der zu­fal­te­te und bei Sei­te warf; Wei­ber­zorn ver­zeiht nicht. Ihr wa­ret nicht für ein­an­der ge­macht, mei­ne Kin­der, und mei­ne schö­nen Träu­me sind zer­ron­nen.

      Bei die­sen Wor­ten sah der alte Chris­ti­an sei­nen Sohn mit ei­ner Art weh­mü­ti­ger Freund­lich­keit an, als hät­te er in des­sen Au­gen eine Spur von Be­dau­ern le­sen wol­len. Aber er fand kei­ne; Al­bert drück­te nur des Va­ters Arm zärt­lich an sich, ihm zu er­ken­nen zu ge­ben wie dank­bar er ihm sei für die­ses Ver­zich­ten auf einen Plan, der sei­ner Nei­gung so ent­ge­gen­ge­setzt ge­we­sen.

      – Dein Wil­le ge­sch­ehe, mein Gott! sag­te der Greis, und du mein Sohn, fol­ge dei­nem Her­zen! Du be­fin­dest dich wohl, du scheinst jetzt ru­hig und glück­lich in un­se­rer Mit­te. Ich wer­de zu­frie­den ster­ben und die Er­kennt­lich­keit dei­nes Va­ters wird dir Glück brin­gen, wenn wir nicht mehr bei ein­an­der sein wer­den.

      – Re­den Sie nicht so, mein Va­ter! rief der jun­ge Graf, des­sen Au­gen sich so­gleich mit Trä­nen füll­ten. Ich habe nicht die Kraft, die­sen Ge­dan­ken zu er­tra­gen.

      Dem Stifts­fräu­lein, das eben weich zu wer­den an­fing, wink­te in die­sem Au­gen­bli­cke der Ka­plan be­deut­sam mit den Au­gen, wor­auf er sich er­hob und mit ge­zier­ter Be­schei­den­heit aus dem Saa­le ging. Sie ver­stand den Wink. Nicht ohne Be­trüb­nis und Angst sag­te sie sich, es sei nun Zeit zu re­den, und die Au­gen zu­drückend, wie je­mand der sich durch das Fens­ter hin­ab­stürzt, um der Feu­ers­brunst zu ent­rin­nen, be­gann sie stot­ternd und noch blei­cher als sonst, wie folgt:

      – Ge­wiss liebt Al­bert sei­nen Va­ter in­nig und er möch­te ge­wiss nicht ihm einen töd­li­chen Kum­mer ver­ur­sa­chen …

      Al­bert rich­te­te sei­nen Kopf em­por und sah sei­ner Tan­te mit so kla­ren, durch­drin­gen­den Au­gen ins Ge­sicht, dass sie ihre gan­ze Fas­sung ver­lor und nicht wei­ter konn­te. Der alte Graf schi­en die wun­der­li­che An­mer­kung nicht ge­hört zu ha­ben, und wäh­rend der Pau­se, wel­che ein­trat, zit­ter­te die arme Wences­la­wa un­ter dem Bli­cke ih­res Nef­fen, wie das Reb­huhn un­ter dem des Hun­des, wel­cher es ge­bannt und be­zau­bert hält.

      Aber nach we­ni­gen Mi­nu­ten er­wach­te Graf Chris­ti­an aus sei­ner Zer­streu­ung und gab nun sei­ner Schwes­ter Ant­wort, gleich als ob sie wei­ter ge­spro­chen oder als ob er in ih­rem Geis­te ge­le­sen hät­te was sie sa­gen woll­te.

      – Lie­be Schwes­ter! sag­te er, wenn ich dir ra­ten soll, so quä­le dich nicht um Din­ge, wo­von du nichts ver­stehst. Du hast in dei­nem gan­zen Le­ben nicht er­fah­ren, was eine Her­zens­nei­gung ist, die stren­ge Den­kungs­art ei­ner Stifts­da­me kann ei­nem jun­gen Man­ne nicht zur Re­gel die­nen.

      – Gott im Him­mel! mur­mel­te das Fräu­lein aufs Äu­ßers­te be­trof­fen. Mein Bru­der will mich ent­we­der nicht ver­ste­hen, oder sei­ne Ver­nunft und Fröm­mig­keit ha­ben ihn ganz und gar ver­las­sen. Wie könn­te er es aus Schwach­heit be­güns­ti­gen oder leicht neh­men wol­len …

      – Nun, was? Vol­len­den Sie Tan­te! sag­te Al­bert fest und ernst. Re­den Sie, da Sie es sich zur Stra­fe auf­er­legt ha­ben. Spre­chen Sie Ihre Mei­nung klar und be­stimmt aus! Die­ses ge­zwun­ge­ne We­sen muss ein Ende neh­men und wir müs­sen ein­an­der ken­nen.

      – Nein, mei­ne Schwes­ter, rede nicht wei­ter! fiel Graf Chris­ti­an ein. Du hast mir nichts zu sa­gen was ich nicht wüss­te. Ich weiß schon lan­ge was du willst, ohne dass ich es mer­ken las­se. Es ist noch nicht Zeit, sich über die­sen Punkt zu er­klä­ren. Wenn es Zeit sein wird, so weiß ich was ich zu tun habe.

      Er fing so­gleich von an­de­ren Din­gen zu re­den an und ließ das Stifts­fräu­lein in Be­stür­zung, Al­bert in Un­ge­wiss­heit und Un­ru­he.

      So­bald der Ka­plan er­fuhr, wie das Haupt der Fa­mi­lie den un­be­scheid­nen Wink, der in­di­rekt von ihm aus­ging, auf­ge­nom­men


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