Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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wann es sein Ei­gen­sinn und sei­ne Ei­tel­keit ge­le­gen fan­den. Aber Al­bert hielt ihn durch die blo­ße Ge­walt sei­nes Blickes ent­fernt, und so­bald er der Kran­ken die Mas­se Blut, wel­che ihm nö­tig schi­en, ent­zo­gen hat­te, leg­te er den Ver­band mit al­ler Si­cher­heit ei­nes ge­üb­ten Ope­ra­teurs an; dann leg­te er Con­sue­lo’s Arm be­hut­sam un­ter die De­cke, reich­te dem Stifts­fräu­lein ein Riech­fläsch­chen, um es der Kran­ken un­ter die Nase zu hal­ten, und rief den Ka­plan und den Doc­tor in Ama­li­ens Zim­mer.

      – Mei­ne Her­ren! sag­te er, Sie kön­nen der Per­son nichts nüt­zen, die ich be­han­de­le. Un­schlüs­sig­keit oder Vor­ur­tei­le läh­men Ihre Tä­tig­keit und Ihre Ein­sicht. Ich er­klä­re Ih­nen, dass ich al­les auf mich neh­me, und dass ich bei der Auf­füh­rung ei­nes so erns­ten Ge­schäf­tes nicht zer­streut und nicht ge­hin­dert sein will. Ich bit­te Sie dem­nach, Herr Ka­plan, sich mit Ihren Ge­be­ten zu be­schäf­ti­gen, und Sie Herr Doc­tor, mei­ner Cou­si­ne et­was zu ver­ord­nen. Ich wer­de es nicht dul­den, dass man vom Tode spre­che und An­stal­ten da­nach ma­che am Bet­te ei­ner Per­son, die in kur­z­er Zeit zu sich kom­men wird. Man möge sich das ge­sagt sein las­sen. Wenn ich hier einen ge­lehr­ten Mann be­lei­di­ge, wenn ich einen Freund ver­let­ze, so will ich des­we­gen um Ver­zei­hung bit­ten, so­bald ich an mich selbst wer­de den­ken kön­nen.

      Dies sag­te Al­bert, in ei­nem sanf­ten, ru­hi­gen Tone, der ge­gen die Tro­cken­heit der Wor­te son­der­bar ab­stach, und ging dar­auf wie­der in Con­sue­lo’s Zim­mer; er schloss die Tür ab, steck­te den Schlüs­sel in die Ta­sche und sag­te zu dem Stifts­fräu­lein:

      – Nie­mand kommt hier her­ein, oder geht hin­aus, ohne dass ich es hei­ße.

      6.

      Die be­stürz­te Wences­la­wa ge­trau­te sich kein Wort zu er­wi­dern. Al­ber­t’s Mie­ne und Be­neh­men hat­te et­was so Ent­schie­de­nes, dass die gute Tan­te sich fürch­te­te und ihm in­stinkt­mä­ßig mit ei­ner bei­spiel­lo­sen Pünkt­lich­keit und Be­eifrung zu ge­hor­chen be­gann.

      Der Arzt, der sei­ne Au­to­ri­tät gänz­lich miss­ach­tet sah, und kei­ne Lust hat­te, wie er spä­ter er­zähl­te, sich mit ei­nem Ra­sen­den her­um­zu­bal­gen, ent­schied sich weis­lich nach Hau­se zu ge­hen. Der Ka­plan mach­te sich an sein Bre­vier und Al­bert, dem sei­ne Tan­te und die bei­den Mäg­de bei­stan­den, brach­te den gan­zen Tag am Bet­te der Kran­ken zu, ohne in sei­ner Sorg­sam­keit einen Au­gen­blick nach­zu­las­sen.

      Nach ei­ni­gen Stun­den der Ruhe kehr­te die Kri­sis fast mit der­sel­ben Hef­tig­keit wie in der ver­gan­ge­nen Nacht zu­rück, aber sie dau­er­te nicht so lan­ge, und als sie der Wir­kung kräf­ti­ger Be­ru­hi­gungs­mit­tel ge­wi­chen war, bat Al­bert das Stifts­fräu­lein zu Bet­te zu ge­hen und ihm nur eine fri­sche Frau zur Hil­fe zu schi­cken, da­mit sich auch die bei­den an­de­ren nie­der­le­gen könn­ten.

      – Willst du denn nicht eben­falls ru­hen, Al­bert? frag­te Wences­la­wa zit­ternd.

      – Nein, lie­be Tan­te, ant­wor­te­te er; ich habe es nicht nö­tig.

      – Mein Gott! rief sie, du reibst dich auf, Kind! – Die­se Frem­de kommt uns wahr­lich teu­er zu ste­hen, füg­te sie hin­zu wäh­rend sie hin­aus ging, durch die Acht­lo­sig­keit des jun­gen Gra­fen dreist ge­macht.

      Al­bert ver­stand sich in­des­sen dazu, et­was Spei­se zu ge­nie­ßen, um sich nicht der Kräf­te zu be­rau­ben, de­ren er, wie er wohl ein­sah, noch be­dür­fen wür­de. Er aß ste­hend im Cor­ri­do­re, das Auge auf die Tür ge­hef­tet, und so­bald er fer­tig war, warf er die Ser­vi­et­te auf den Bo­den und ging wie­der in das Zim­mer.

      Die Tür, wel­che zu Ama­li­en führ­te, hat­te er ver­schlos­sen, und die we­ni­gen Per­so­nen, de­nen er den Zu­tritt ver­stat­te­te, muss­ten über den Cor­ri­dor ge­hen. Ama­lie be­stand aber dar­auf, ein­ge­las­sen zu wer­den und gab vor, bei der War­tung ih­rer Freun­din ei­ni­ge Hil­fe leis­ten zu wol­len. Sie be­nahm sich da­bei so un­ge­schickt und zeig­te bei je­der fie­ber­haf­ten Be­we­gung Con­sue­lo’s eine sol­che Furcht vor ei­ner Wie­der­kehr der Zu­ckun­gen, dass Al­bert un­ge­dul­dig wur­de und sie bat, sie möch­te sich um nichts küm­mern und sich in ih­rem Zim­mer mit sich selbst be­schäf­ti­gen.

      – In mei­nem Zim­mer! ver­setz­te Ama­lie, und wenn es mir auch der An­stand nicht ver­wehr­te zu Bet­te zu ge­hen, wäh­rend du da bist, nur durch eine Tür von mir ge­trennt und fast bei mir im Zim­mer, meinst du denn, dass ich mit die­sem Schrei­en und die­ser schreck­li­chen To­des­angst vor den Ohren einen ru­hi­gen Schlaf ge­nie­ßen könn­te?

      Al­bert zuck­te die Ach­seln und ant­wor­te­te ihr, es sei­en noch Zim­mer ge­nug im Schlos­se; sie möch­te sich das bes­te aus­su­chen und Ge­duld ha­ben, bis man die Kran­ke in ein Ge­mach schaf­fen könn­te, wo ihre Nähe nie­man­den läs­tig wür­de.

      Ama­lie be­folg­te in vol­lem Är­ger die­sen Rat. Der An­blick der zar­ten, so zu sa­gen müt­ter­li­chen Sorg­falt, mit wel­cher Al­bert ihre Ne­ben­buh­le­rin be­han­del­te, war ihr pein­li­cher als al­les Üb­ri­ge.

      – Ach, Tan­te! rief sie aus, sich dem Stifts­fräu­lein in die Arme wer­fend, als die­se ihr in ih­rem ei­ge­nen Zim­mer ein Bett ne­ben dem ih­ri­gen hat­te zu­recht ma­chen las­sen, wir ha­ben Al­bert nicht ge­kannt. Jetzt zeigt er uns, wie er zu lie­ben ver­mag.

      Wäh­rend meh­rer Tage schweb­te Con­sue­lo zwi­schen Le­ben und Tod, aber Al­bert be­kämpf­te die Krank­heit mit ei­ner Aus­dau­er und Ge­schick­lich­keit, die ihr ob­sie­gen muss­ten. Er führ­te Con­sue­lo glück­lich durch die­se schwe­re Pro­be, und so­bald sie au­ßer Ge­fahr war, ließ er sie in einen Turm des Schlos­ses brin­gen, der die Son­ne län­ger hat­te, und von wo die Aus­sicht noch schö­ner und aus­ge­dehn­ter als von al­len üb­ri­gen Fens­tern war.

      Die­ses in al­tem Ge­schmack mö­blier­te Zim­mer sag­te auch dem erns­ten Sin­ne Con­sue­lo’s mehr zu als je­nes, das man ihr zu­erst an­ge­wie­sen hat­te, und sie hat­te schon frü­her den Wunsch durch­bli­cken las­sen, es zu be­woh­nen. Sie war dort si­cher vor der Zu­dring­lich­keit ih­rer Ge­fähr­tin, und konn­te un­ge­ach­tet der be­stän­di­gen Ge­gen­wart ei­ner Frau, die man je­den Abend und je­den Mor­gen ab­lös­te, die sanft und lang­sam hin­flie­ßen­den Tage ih­rer Ge­ne­sung ge­wis­ser­ma­ßen al­lein mit ih­rem Ret­ter zu­brin­gen.

      Sie spra­chen stets Spa­nisch mit­ein­an­der, und in die­ser Spra­che, die ihr Ge­burts­land, Kind­heit und Mut­ter zu­rück­rief, klang der zärt­li­che und zar­te Aus­druck, wel­chen Al­bert sei­ner Lie­be gab, sü­ßer in Con­sue­lo’s Ohren. Voll leb­haf­ten Dank­ge­fühls, schwach von den über­stan­de­nen Lei­den, in de­nen Al­bert al­lein ihr bei­ge­stan­den und mit Er­folg ge­hol­fen hat­te, über­ließ sie sich ganz der wei­chen Ruhe, wel­che hef­ti­gen Kri­sen zu fol­gen pflegt.

      Ihre Erin­ne­rung kehr­te nach und nach zu­rück, aber noch un­ter ei­nem Schlei­er, der sich nicht über­all gleich­mä­ßig lüf­te­te. Zum Bei­spiel, wäh­rend sie sich mit ei­ner rei­nen und un­schul­di­gen Freu­de Al­ber­t’s Hin­ge­bung und Bei­stand in den wich­tigs­ten Er­eig­nis­sen ih­rer Be­kannt­schaft ver­ge­gen­wär­tig­te, sah sie die Ver­ir­run­gen sei­nes Ver­stan­des und den nur zu tie­fen Ernst sei­ner Lei­den­schaft für sie, wie hin­ter


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