Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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Zden­ko’s nur ein Kin­der­spiel war, und er war in die­sem Au­gen­bli­cke von ei­ner über­mensch­li­chen Macht be­seelt.

      Als er sei­ne kost­ba­re Last auf dem Ran­de des Brun­nens ab­setz­te, beim Schei­ne des her­auf­däm­mern­den mor­gens, at­me­te Con­sue­lo end­lich auf, und sich von sei­ner keu­chen­den Brust los­ma­chend, trock­ne­te sie mit ih­rem Schlei­er ihre in Schweiß ge­ba­de­te Stirn.

      – Freund! sag­te sie zärt­lich, ohne Sie wäre ich tot; Sie ha­ben mir al­les ver­gol­ten, was ich für Sie ge­tan habe, aber ich füh­le jetzt Ihre Ab­span­nung mehr als Sie selbst, und mir ist, als ob ich an Ih­rer Stel­le ihr er­lie­gen soll­te.

      – O mei­ne klei­ne Zin­ga­rel­la! rief Al­bert voll Ent­zücken und küss­te den Schlei­er, wel­chen sie an ihr Ge­sicht ge­drückt hat­te, du bist so leicht in mei­nen Ar­men wie da­mals, als ich dich vom Schre­cken­stein her­un­ter ins Schloss trug.

      – Das Sie ohne mei­ne Ein­wil­li­gung nicht wie­der ver­las­sen wer­den, Al­bert! ver­ges­sen Sie Ihren Schwur nicht!

      – Und du nicht den dei­ni­gen! ant­wor­te­te er, ne­ben ihr hin­kni­end.

      Er half ihr sich in ih­ren Schlei­er wi­ckeln und be­glei­te­te sie durch sein Zim­mer, aus wel­chem sie sich lei­se nach dem ih­ri­gen stahl.

      Man fing im Schlos­se zu er­wa­chen an. Das Stifts­fräu­lein ließ schon im un­tern Sto­cke einen tro­ckenen und gel­len­den Hus­ten ver­neh­men, das Zei­chen, dass sie auf­stand. Con­sue­lo, der die Furcht Flü­gel gab, ge­lang­te glück­lich, von nie­man­dem ge­se­hen oder ge­hört, in ihr Zim­mer. Mit flie­gen­der Hand be­frei­te sie sich von ih­ren durch­näss­ten und zer­fetz­ten Klei­dern und ver­barg die­se in ei­nem Kof­fer, des­sen Schlüs­sel sie ab­zog. Sie ge­wann noch so viel Kraft und Be­sin­nung, als nö­tig war, um jede Spur ih­rer ge­heim­nis­vol­len Rei­se weg­zu­schaf­fen.

      Aber kaum hat­te sie ihr er­mü­de­tes Haupt auf das Kopf­kis­sen sin­ken las­sen, als ein, schwe­rer, hei­ßer Schlaf, voll wil­der Träu­me und schreck­li­cher Be­ge­ben­hei­ten, sie in die Ge­walt ei­nes her­ein­bre­chen­den un­er­bitt­li­chen Fie­bers lie­fer­te.

      4.

      In­des­sen stieg das Stifts­fräu­lein nach ei­nem halb­stün­di­gen Ge­be­te die Trep­pe hin­auf und ließ es, ih­rer Ge­wohn­heit nach, ihre ers­te Sor­ge sein, nach ih­rem ge­lieb­ten Nef­fen zu se­hen. Sie ging an die Türe sei­nes Zim­mers und leg­te ihr Ohr an das Schlüs­sel­loch, ob­gleich sie we­ni­ger als je­mals hoff­te, das lei­se Geräusch, das ihr sei­ne Wie­der­kunft kund ge­ben soll­te, zu ver­neh­men. Wel­che Über­ra­schung, wel­che Freu­de, als sie den gleich­mä­ßi­gen Atem­zug des Schlum­mern­den hör­te. Sie mach­te ein großes Kreuz und er­kühn­te sich, lei­se den Schlüs­sel im Schlos­se um­zu­dre­hen und auf den Fuß­spit­zen hin­ein­zu­schlei­chen. Sie sah Al­bert ru­hig schla­fend auf sei­nem Bet­te lie­gen und Ajax zu­sam­men­ge­krümmt auf dem da­ne­ben ste­hen­den Lehn­stuhl. Sie weck­te we­der den einen noch den an­de­ren, und lief zu dem Gra­fen Chris­ti­an, der, in sei­ner Ka­pel­le kni­end, mit sei­ner ge­wohn­ten Er­ge­bung be­te­te, dass Gott ihm sei­nen Sohn, sei es im Him­mel oder auf Er­den, wie­der­ge­ben möch­te.

      – Mein Bru­der! sag­te sie lei­se, ne­ben ihm nie­der­kni­end, stel­le dein Ge­bet ein und su­che in dei­nem Her­zen die hei­ßes­ten Se­gens­wün­sche. Gott hat dich er­hört.

      Sie hat­te nicht nö­tig, sich nä­her zu er­klä­ren. Der Greis wen­de­te sich zu ihr um, und da er ihre klei­nen hel­len Au­gen von der ei­ge­nen und von teil­neh­men­der Freu­de strah­len sah, er­hob er sei­ne Hän­de ge­gen den Al­tar und rief mit schwa­cher Stim­me:

      – Gott, mein Herr! du hast mir mei­nen Sohn wie­der­ge­ge­ben.

      Und bei­de, von dem glei­chen Ge­dan­ken er­grif­fen, fin­gen an, mit lau­ter Stim­me Vers um Vers den schö­nen Lob­ge­sang Si­me­ons her­zu­sa­gen: »Herr, nun läs­sest du dei­nen Die­ner in Frie­den fah­ren u. s. w.«

      Man be­schloss, Al­bert nicht zu we­cken. Man rief den Frei­herrn, den Ka­plan und die gan­ze Die­ner­schaft, und al­les wohn­te der Dank­mes­se in der Schloss­ka­pel­le an­däch­tig bei. Ama­lie er­fuhr die Wie­der­kehr ih­res Cous­ins mit un­ver­stell­ter Freu­de; aber sie fand es sehr un­bil­lig, dass man sie, um die­ses glück­li­che Er­eig­nis fromm zu be­ge­hen, um fünf Uhr mor­gens aus dem Bet­te hol­te, und ihr eine Mes­se hin­un­ter­zu­wür­gen gab, bei wel­cher sie vor Gäh­nen um­kom­men muss­te.

      – Wa­rum hat sich Ihre Freun­din, die gute Por­po­ri­na, nicht mit uns ver­ei­nigt, um der Vor­se­hung zu dan­ken? frag­te Graf Chris­ti­an sei­ne Nich­te, als die Mes­se be­en­det war.

      – Ich habe sie we­cken wol­len, ant­wor­te­te Ama­lie. Ich habe sie an­ge­ru­fen, ge­schüt­telt und auf alle Wei­se zu er­mun­tern ge­sucht, aber ich konn­te sie durch­aus nicht dazu brin­gen, mich zu hö­ren oder auch nur die Au­gen zu öff­nen. Wenn sie nicht glü­hend heiß und rot wie Feu­er ge­we­sen wäre, so hät­te ich sie für tot ge­hal­ten. Sie muss die Nacht schlecht ge­schla­fen ha­ben und im Fie­ber lie­gen.

      – So ist sie krank, die wür­di­ge Per­son, hob der alte Graf wie­der an. Mei­ne lie­be Schwes­ter Wences­la­wa, du soll­test wohl ein­mal nach ihr se­hen und ihr die Hil­fe leis­ten, die ihr Zu­stand er­for­dert. Gott be­hü­te uns, dass ein so schö­ner Tag uns durch das Übel­be­fin­den die­ses ed­len Mäd­chens ge­trübt wür­de!

      – Ich wer­de gleich se­hen, Bru­der! ver­setz­te das Stifts­fräu­lein, das nichts was Con­sue­lo be­traf mehr sag­te oder tat, ohne zu­vor den Blick des Ka­plans zu be­fra­gen. Aber ma­che dir kei­ne Un­ru­he, Chris­ti­an! es wird nichts zu be­deu­ten ha­ben. Die Si­gno­ra Nina hat sehr reiz­ba­re Ner­ven. Sie wird bald wie­der her­ge­stellt sein.

      – Ist es aber nicht doch son­der­bar, sag­te sie gleich dar­auf zu dem Ka­plan, als sie ihn bei Sei­te neh­men konn­te, dass die­ses Mäd­chen Al­ber­t’s Wie­der­kunft so zu­ver­sicht­lich und rich­tig vor­her­ge­sagt hat? Herr Ka­plan, wir ha­ben uns doch viel­leicht in Be­treff ih­rer ge­irrt. Sie ist viel­leicht eine Hei­li­ge, die Of­fen­ba­run­gen hat.

      – Eine Hei­li­ge wäre doch wohl ge­kom­men, die Mes­se zu hö­ren, an­statt in ei­nem sol­chen Au­gen­bli­cke das Fie­ber zu krie­gen, wen­de­te der Ka­plan mit be­deu­tungs­vol­ler Mie­ne ein.

      Die­ses trif­ti­ge Ar­gu­ment ent­riss dem Stifts­fräu­lein einen Seuf­zer. Sie ging nichts de­sto we­ni­ger nach Con­sue­lo zu se­hen, die sie im glü­hends­ten Fie­ber und von ei­ner un­be­greif­li­chen Schlaf­sucht be­fal­len fand. Der Ka­plan wur­de ge­ru­fen und er­klär­te, dass es be­denk­lich wäre, wenn die­ses Fie­ber an­hiel­te. Er frag­te die jun­ge Baro­nin, ob ihre Nach­ba­rin wäh­rend der Nacht sehr un­ru­hig ge­we­sen wäre.

      – Nichts we­ni­ger! ant­wor­te­te Ama­lie, ich habe nicht ge­hört, dass sie sich ge­rührt hät­te. Ich hat­te mich dar­auf ge­fasst ge­macht, nach al­len den Weis­sa­gun­gen und schö­nen Ge­schich­ten, die sie uns in den letz­ten Ta­gen auf­ge­tischt hat­te, dass es in ih­rem Zim­mer einen He­xensab­bat ge­ben wür­de. Aber der Teu­fel muss sie weit hin­weg ge­tra­gen ha­ben, oder sie hat mit sehr gut ab­ge­rich­te­ten Ko­bol­den zu tun, denn sie hat sich mei­nes Wis­sens nicht ge­regt und mein Schlaf


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