Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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un­durch­dring­lich sind, und wo sich eine zar­te Frau nie hät­te hin­ein­wa­gen oder zu­recht­fin­den kön­nen. Er spricht … mein Gott, was spricht er nicht, der Un­glück­li­che! … das Schick­sal habe Sie ge­führt und der Erz­en­gel Mi­cha­el (den er den Über­mäch­ti­gen und den Sie­ger nennt) habe Sie durch die Was­ser­schlün­de und Ab­grün­de ge­lei­tet.

      – Es ist un­mög­lich, sag­te Con­sue­lo lä­chelnd, dass sich der Erz­en­gel Mi­cha­el hin­ein­ge­mischt habe; denn ge­wiss ist, dass ich durch den Ab­zug der Quel­le ge­kom­men bin, dass ich vor dem Was­ser­stro­me in al­ler Hast her­lief, dass ich mich zwei oder drei mal für ver­lo­ren hielt, dass ich mich durch Höh­len und Stein­klüf­te ge­wun­den habe, wo ich bei je­dem Schrit­te er­stickt oder ver­schlun­gen zu wer­den mein­te, und den­noch wa­ren alle die­se Ge­fah­ren nicht fürch­ter­li­cher als Zden­ko’s Zorn, als mich der Zu­fall oder die Vor­se­hung end­lich den gu­ten Weg fin­den ließ.

      Hier er­zähl­te Con­sue­lo, die mit Al­bert im­mer spa­nisch sprach, ihm in we­ni­gen Wor­ten, wie sein fried­lie­ben­der Zden­ko sie emp­fan­gen hat­te und wie er sie le­ben­dig be­gra­ben woll­te, was schon fast vollen­det war, als sie die Geis­tes­ge­gen­wart hat­te, ihn durch einen ei­gen­tüm­lich ket­ze­ri­schen Spruch zu be­sänf­ti­gen.

      Ein kal­ter Schweiß brach auf Al­ber­t’s Stirn aus, wäh­rend er die­se un­glaub­li­chen Din­ge ver­nahm, und mehr­mals schoss er fürch­ter­li­che Bli­cke auf Zden­ko, als ob er ihn durch­boh­ren woll­te. Zden­ko’s Blick be­geg­ne­te den sei­ni­gen mit ei­nem selt­sa­men Aus­druck von Trotz und Ver­ach­tung.

      Con­sue­lo zit­ter­te, die­se bei­den Wahn­sin­ni­gen sich ge­gen­ein­an­der keh­ren zu se­hen, denn un­ge­ach­tet der tie­fen Ein­sicht und des fei­nen Ge­fühls, wo­von Al­ber­t’s Re­den meis­ten­teils Zeug­nis ga­ben, war es ihr ganz klar, dass sei­ne Ver­nunft har­te Stö­ße er­lit­ten hat­te, wo­von sie sich viel­leicht nie wie­der ganz er­ho­len konn­te. Sie ver­such­te, sie aus­zu­söh­nen, in­dem sie bei­den lieb­reich zu­re­de­te. Aber Al­bert stand auf, reich­te Zden­ko den Schlüs­sel sei­ner Ein­sie­de­lei und sag­te ihm sehr kalt ein Paar Wor­te, de­nen Zden­ko au­gen­blick­lich Fol­ge leis­te­te. Er nahm sei­ne La­ter­ne auf und ent­fern­te sich in frem­den Wei­sen un­ver­ständ­li­che Wor­te sin­gend.

      – Con­sue­lo! sag­te Al­bert, als er ihn aus dem Ge­sich­te ver­lo­ren hat­te, wenn die­ses treue Tier, das zu Ihren Fü­ßen liegt, wild wür­de, ja wenn mein ar­mer Ajax in ei­nem Wu­t­an­fall Ihr Le­ben in Ge­fahr bräch­te, so müss­te ich ihn tö­ten, und wahr­haf­tig, ich wür­de kei­nen An­stand neh­men, ob­gleich mei­ne Hand nie Blut ver­gos­sen hat, selbst von Ge­schöp­fen nicht, die tiefer ste­hen als der Mensch … sein Sie da­her ganz un­be­sorgt und fürch­ten Sie kei­ne Ge­fahr!

      – Wo­von re­den Sie, Al­bert! frag­te das jun­ge Mäd­chen, durch die­se un­er­war­te­te An­spie­lung be­un­ru­higt. Ich fürch­te nichts mehr. Zden­ko ist im­mer doch ein Mensch, ob­schon er sei­nen Ver­stand ver­lo­ren hat, viel­leicht durch sei­ne Schuld, und auch ein we­nig durch die Ih­ri­ge. Spre­chen Sie nicht von Blut und Stra­fe. Ih­nen ge­ziemt es, ihn zur Be­sin­nung zu­rück­zu­füh­ren und ihn von sei­nem Wahn­sinn her­zu­stel­len, an­statt ihn in die­sem zu be­stär­ken. Kom­men Sie, wir müs­sen fort! Ich fürch­te sonst, dass der Tag an­bre­che und uns bei un­se­rer An­kunft über­ra­sche.

      – Du hast recht, sag­te Al­bert, sich auf den Weg ma­chend. Die Weis­heit spricht durch dei­nen Mund, Con­sue­lo! Mei­ne Narr­heit war an­ste­ckend für die­sen Ärms­ten, und es war hohe Zeit, dass du uns aus dem Ab­grund ris­sest, dem wir alle bei­de nahe wa­ren. Ge­heilt durch dich, will ich Zden­ko zu hei­len su­chen … Und wenn es mir den­noch nicht glückt, wenn sein Wahn­sinn noch ein­mal dein Le­ben in Ge­fahr setzt, ob­gleich Zden­ko ein Mensch vor Gott ist und ein En­gel in sei­ner Zärt­lich­keit für mich, ob­gleich er der ein­zi­ge wah­re Freund ist, den ich noch bis­her auf Er­den ge­habt habe … wahr­haf­tig, Con­sue­lo, so will ich ihn aus mei­nem Her­zen rei­ßen und du sollst ihn nie wie­der­se­hen.

      – Ge­nug, ge­nug, Al­bert! lis­pel­te Con­sue­lo, nicht mehr fä­hig nach so vie­ler Angst noch eine neue Angst zu über­ste­hen. Zie­hen Sie Ihre Ge­dan­ken von sol­chen Mög­lich­kei­ten ab. Ich woll­te ja lie­ber hun­dert­mal mein Le­ben miss­en, als eine sol­che Not und Verzweif­lung in das Ih­ri­ge wer­fen.

      Al­bert hör­te sie nicht und schi­en ab­we­send. Er ver­gaß, sie zu stüt­zen und sah nicht mehr, wie sie schwank­te und bei je­dem Schrit­te an­s­tieß. Er war ganz mit den Bil­dern der Ge­fahr be­schäf­tigt, der sie sich um sei­net­wil­len un­ter­zo­gen hat­te, und in dem Grau­sen, wel­ches er emp­fand, sich die­se Ge­fahr aus­ma­lend, in sei­nen ängst­li­chen Be­sorg­nis­sen um sie, in sei­ner aus­schwei­fen­den Er­kennt­lich­keit rann­te er vor sich hin und ließ ab­ge­ris­se­ne Wor­te durch das Ge­wöl­be schal­len, wäh­rend sie mit ei­ner An­stren­gung, die von Schritt zu Schritt pein­vol­ler wur­de, sich ihm nach­schlepp­te.

      In die­ser grau­sa­men Lage dach­te Con­sue­lo an Zden­ko, der hin­ter ihr war, und um­keh­ren konn­te, an das Was­ser, das er stets gleich­sam in sei­ner Hand hielt und aber­mals ent­fes­seln konn­te, viel­leicht in dem Au­gen­bli­cke, wo sie al­lein und ohne Al­ber­t’s Hil­fe in dem Brun­nen hin­auf­stei­gen müss­te. Denn Al­bert, von ei­ner neu­en Ein­bil­dung fort­ge­ris­sen, schi­en sie vor sich zu wäh­nen und ei­nem trü­ge­ri­schen Phan­tom nach­zu­ja­gen, wäh­rend er sie hin­ter sich in der Fins­ter­nis zu­rück­ließ.

      Das war zu viel für ein Weib, und selbst für eine Con­sue­lo. Ajax lief so ge­schwind als sein Herr und floh mit dem Lich­te; das ih­ri­ge hat­te Con­sue­lo in der Zel­le zu­rück­ge­las­sen. Der Weg mach­te zahl­lo­se Win­kel, hin­ter de­nen die Hel­le je­den Au­gen­blick ver­schwand. Con­sue­lo stieß ge­gen eine die­ser Ecken, fiel und ver­moch­te sich nicht wie­der zu er­he­ben.

      To­des­frost durch­rie­sel­te ihr Ge­bein. Eine letz­te Be­fürch­tung stell­te sich im Flu­ge ih­rem Geis­te dar. Zden­ko hat­te wahr­schein­lich Be­fehl er­hal­ten, da­mit die Trep­pe und der Aus­gang der Cis­ter­ne ver­bor­gen blie­ben, nach ei­ner ge­wis­sen Zeit die Schleu­se zu öff­nen. Auch selbst ohne sei­nem Has­se Fol­ge zu ge­ben, muss­te er aus Ge­wohn­heit die­se not­wen­di­ge Vor­sicht be­ob­ach­ten.

      – Also ist es aus, dach­te Con­sue­lo, in­dem sie ver­geb­li­che An­stren­gun­gen mach­te, sich auf ih­ren Kni­en fort­zu­schlep­pen. Ich soll die Beu­te ei­nes un­er­bitt­li­chen Ge­schickes wer­den. Ich wer­de aus die­sem un­se­li­gen Gra­be nicht her­aus­kom­men, mei­ne Au­gen wer­den nicht das Licht des Him­mels wie­der­se­hen.

      Schon deck­te ein dich­te­rer Schlei­er als der der äu­ßern Nacht ihr Auge, ihre Hän­de er­starr­ten und eine Un­emp­find­lich­keit, die dem letz­ten Schla­fe glich, tat ih­ren Ängs­ten Ein­halt.

      Plötz­lich fühl­te sie sich von star­ken Ar­men um­fasst und em­por­ge­ho­ben, wel­che sie er­grif­fen und sie zur Cis­ter­ne tru­gen. Eine glü­hen­de Brust klopft ge­gen die ih­ri­ge und er­wärmt sie, eine be­freun­de­te, lieb­ko­sen­de Stim­me spricht ihr mit zärt­li­chen Wor­ten zu, Ajax hüpft vor ihr, die Leuch­te schüt­telnd. Al­bert ist es, der, zu ihr zu­rück­ge­kehrt, sie hin­weg­trägt und sie ret­tet mit der Lei­den­schaft ei­ner Mut­ter, die ihr Kind ver­lo­ren und wie­der­ge­fun­den hat.

      In


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