Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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zu wer­den: man soll­te mei­nen, sie wol­len mich stei­ni­gen. Von die­sem Au­gen­blick an, be­schäf­tig­te man sich nur sehr ne­ben­bei mit An­zo­le­to. Man be­han­del­te ihn gut, weil man in der Bei­falls­s­tim­mung war, aber die nach­sich­ti­ge Käl­te, mit wel­cher man ihm die man­gel­haf­ten Stel­len sei­nes Ge­san­ges hin­ge­hen ließ, ohne ihn bei de­nen, wo er sich hob, über­mä­ßig zu trös­ten, be­wies ihm, dass, wenn auch sein Ge­sicht den Frau­en an­stand, doch die spann­kräf­ti­ge und lär­men­de Ma­jo­ri­tät, das männ­li­che Pub­li­kum nicht viel um ihn gab und sei­ne Ju­bel­stür­me der Pri­ma Don­na auf­spar­te. Un­ter al­len de­nen, wel­che in feind­li­cher Ab­sicht ge­kom­men wa­ren, gab es nicht einen, der zu mur­ren wag­te, und in der Tat wa­ren nicht dreie da, wel­che sich nicht mit fort­rei­ßen lie­ßen und dem un­wi­der­steh­li­chen Dran­ge nach­ga­ben, der Pri­ma Don­na ih­ren Bei­fall zu­zu­jauch­zen.

      Die Kom­po­si­ti­on hat­te den größ­ten Er­folg, ob­gleich man sie nicht ge­hört, ob­gleich nie­mand auf die Mu­sik selbst ge­ach­tet hat­te. Es war eine Mu­sik, ganz ita­lie­nisch, ge­fäl­lig, mä­ßig lei­den­schaft­lich, die, sagt man, den Schöp­fer der Al­ces­te und des Or­pheus noch nicht ah­nen ließ. Es wa­ren nicht ge­nug über­ra­schen­de Schön­hei­ten dar­in, um das Pub­li­cum auf­zu­re­gen.

      Wäh­rend des ers­ten Zwi­schen­ak­tes wur­de der deut­sche Mae­stro vor­ge­ru­fen, mit dem De­bü­tan­ten, der De­bü­tan­tin, und so­gar der Clo­rin­da, die, Dank der Pro­tec­ti­on Con­sue­lo’s, die zwei­te Par­tie mit kleb­ri­ger Stim­me und ge­mei­nem Ak­zent ab­ge­nä­selt, je­doch mit ih­ren schö­nen Ar­men alle Welt ent­waff­net hat­te: die Ro­sal­ba, de­ren Stel­le sie ein­nahm, war näm­lich sehr ma­ger.

      An­zo­le­to hat­te Co­ril­la ver­stoh­le­ner­wei­se be­ob­ach­tet und ihre wach­sen­de Er­schüt­te­rung be­merkt: wäh­rend des letz­ten Zwi­schen­ak­tes schi­en es ihm ge­ra­ten, zu ihr in die Loge zu ge­hen um ei­ner Ex­plo­si­on vor­zu­beu­gen. Kaum er­blick­te sie ihn, als sie sich wie ein Ti­ger auf ihn warf und ihm zwei, drei der­be Ohr­fei­gen ver­setz­te, von de­nen die letz­te so ha­kicht aus­lief, dass sie ei­ni­ge Bluts­trop­fen her­aus­lock­te und ein Mahl zu­rück­ließ, das sich nicht so ge­schwind mit dem Rot und Weiß zu­de­cken ließ. Der miss­han­del­te Te­no­rist brach­te die­se Zor­ner­güs­se zur Ruhe, in­dem er ver­mit­telst ei­nes Faust­schlags ge­gen die Brust die Sän­ge­rin halb ohn­mäch­tig in die Arme ih­rer Schwes­ter Ro­sal­ba stürz­te.

      – Nie­der­träch­ti­ger! Ver­rä­ter! bag­gia­to­re! keuch­te sie mit er­stick­ter Stim­me: dei­ne Con­sue­lo und du, nur von mei­ner Hand wer­det ihr ster­ben.

      – Un­glück­li­che, wenn dir ir­gend ein Schritt, ir­gend eine Mie­ne, ir­gend eine Un­ziem­lich­keit heut Abend ent­fährt: ich er­dol­che dich im An­ge­sich­te von Ve­ne­dig, ant­wor­te­te An­zo­le­to bleich, mit knir­schen­den Zäh­nen, und ließ vor ih­ren Au­gen sein treu­es Mes­ser blit­zen, das er mit al­ler Ge­schick­lich­keit ei­nes Man­nes von den La­gu­nen zu wer­fen ver­stand.

      – Er macht ge­wiss sein Wort wahr, flüs­ter­te Ro­sal­ba er­schreckt. Schweig still. Komm fort. Wir sind hier in To­des­ge­fahr.

      – Ja, das seid ihr, ver­ges­set es nicht, ent­geg­ne­te An­zo­le­to. Er ging hin­aus, schlug die Lo­gen­tür hef­tig zu und schloss dop­pelt her­um.

      Ob­gleich die­se tra­gi-ko­mi­sche Sze­ne à la Ve­ni­ti­enne in ei­nem ge­heim­nis­vol­lem ra­schen Mez­za-Voce aus­ge­führt wor­den war, so mut­maß­te man doch, als man den De­bü­tan­ten nach sei­ner Loge ei­lig und die Ba­cke im Schnupf­tu­che längs der Cou­lis­sen hin­strei­chen sah, auf ir­gend einen nied­li­chen Han­del, und der Per­ru­quier, der her­bei­ge­ru­fen wur­de, um die Lo­cken des grie­chi­schen Prin­zen wie­der in Ord­nung zu le­gen und des­sen Schmar­re zu be­pflas­tern, er­zähl­te der gan­zen Ban­de von Cho­ris­ten und Sta­tis­ten, dass ir­gend eine ver­lieb­te Kat­ze dem Hel­den ihre Kral­len ins Ge­sicht ge­zeich­net habe. Be­sag­ter Per­ru­quier ver­stand sich auf der­ar­ti­ge Bles­su­ren und war als kein Neu­ling wohl ver­traut mit sol­cher­lei Cou­lis­sen­aben­teu­ern.

      Das Ge­schicht­chen mach­te die Run­de auf der Büh­ne, sprang, ich weiß nicht wie, über die Lam­pen ins Or­che­s­ter, und von da auf die Bal­kons; und von da in die Lo­gen, und wie­der von dort zu­rück, un­ter We­ges ein we­nig ver­grö­ßert, ge­lang­te es in die Tie­fen des Par­ter­res. Man kann­te noch nicht die Be­zie­hun­gen An­zo­le­to’s zur Co­ril­la, aber ver­schie­de­ne Per­so­nen hat­ten ihn um die Clo­rin­da sicht­lich be­müht ge­se­hen, und es war die all­ge­mei­ne Rede, dass die Se­con­da Don­na aus Ei­fer­sucht auf die Pri­ma Don­na dem schöns­ten der Te­no­ri ein Auge aus-, und drei Zäh­ne ein­ge­schla­gen habe.

      Die einen (Scha­de, dass im Deut­schen hier eine weib­li­che Form fehlt), wa­ren un­tröst­lich; für die Meis­ten war es ein köst­li­ches Scan­däl­chen. Man frag­te ein­an­der, ob die Vor­stel­lung un­ter­bro­chen wer­den müss­te, ob der alte Te­no­rist Ste­fa­ni­ni viel­leicht in Eile die Par­tie über­neh­men und mit der Stim­me in der Hand zu Ende sin­gen wür­de. Da hob sich der Vor­hang und al­les war ver­ges­sen, als man Con­sue­lo wie­der er­schei­nen sah, so ru­hig und er­ha­ben wie zu An­fang. Ob­gleich ihre Rol­le nicht aus­ge­zeich­net tra­gisch war, mach­te sie sie den­noch dazu durch die Ge­walt ih­res Spie­les und den Aus­druck ih­res Ge­san­ges. Trä­nen flos­sen, und als der Te­nor wie­der auf­trat, er­reg­te sei­ne klei­ne Schmar­re nur ein Lä­cheln. In­des­sen hat­te er es doch die­sem lä­cher­li­chen Zwi­schen­fal­le zu dan­ken, dass sein Er­folg min­der glän­zend war, als er sonst sein konn­te: Con­sue­lo ver­blie­ben alle Ehren des Abends; sie wur­de von neu­em ge­ru­fen und bis zum Schlus­se wahn­sin­nig be­klatscht.

      Nach dem Thea­ter wur­de im Pal­las­te Zus­ti­nia­ni sou­piert, und An­zo­le­to ver­gaß, dass er die Co­ril­la in ih­rer Loge ein­ge­schlos­sen hat­te. Co­ril­la konn­te nicht her­aus, ohne aus­zu­bre­chen. In dem Tu­mul­te, der, wie ge­wöhn­lich nach ei­ner so glän­zen­den Vor­stel­lung, im In­nern des Thea­ters statt fand, wur­de ihr Rück­zug nicht be­merkt. Aber am an­de­ren Mor­gen kam die zer­bro­che­ne Türe mit An­zo­le­to’s Schmar­re zu­sam­men und lei­te­te so auf den rich­ti­gen Weg der Int­rigue, die An­zo­le­to bis da­hin mit so großem Fleiß ge­heim ge­hal­ten hat­te.

      Er hat­te sich bei dem üp­pi­gen Ban­kett, wel­ches der Graf Con­sue­lo zu Ehren gab, kaum nie­der­ge­setzt und alle Ab­ba­ti der ve­ne­tia­ni­schen Li­te­ra­tur hul­dig­ten der Hel­din des Ta­ges mit tags zu­vor im­pro­vi­sier­ten So­net­ten und Ma­d­ri­ga­len, als ein Be­dien­ter ihm ein Bil­let­chen von der Co­ril­la un­ter den Tel­ler schob; er las ver­stoh­len, es lau­te­te:

      »Wenn du nicht au­gen­blick­lich zu mir kommst, so hole ich dich selbst mit Eclat, und wärst du am Ende der Welt, wärst du in den Ar­men dei­ner drei­mal ver­wünsch­ten Con­sue­lo.«

      An­zo­le­to tat, als käme ihm ein Hus­ten an, ging hin­aus, und schrieb fol­gen­de Ant­wort mit Blei­stift auf ein Stück­chen ra­strier­tes Pa­pier, dass er im Vor­zim­mer aus ei­nem No­ten­bu­che riss:

      »Komm, wenn du willst; mein, Mes­ser ist im­mer be­reit, und dazu mei­ne Ver­ach­tung und mein Hass.«

      Der De­spot wuss­te sehr gut, dass bei ei­ner Na­tur wie die­se, mit wel­cher er


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