Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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nack­te Füße spiel­ten im Was­ser, wäh­rend er da­mit be­schäf­tigt war, Mu­scheln von je­ner zier­li­chen Ar, die der Ve­ne­tia­ner poe­tisch fio­ri de ma­re nennt, ver­mit­telst ei­ner großen Na­del zu durch­boh­ren. Als ihn der Graf rief, sprang er auf. Er trug nichts auf dem Lei­be als ein recht ab­ge­nutz­tes Bein­kleid und ein ziem­lich fei­nes, aber sehr zer­ris­se­nes Hemd, wel­ches sei­ne wei­ßen und gleich de­nen ei­nes an­ti­ken Bac­chus­kna­ben mo­de­lier­ten Schul­tern durch­bli­cken ließ. Sei­ne Schön­heit war in der Tat die­je­ni­ge, mit wel­cher der grie­chi­sche Künst­ler einen jun­gen Faun aus­ge­stat­tet ha­ben wür­de, und sei­ne Ge­sichts­bil­dung zeig­te das an je­nen Schöp­fun­gen der heid­nischen Plas­tik so häu­fig uns be­geg­nen­de, ganz ei­gen­tüm­li­che Ge­misch von träu­me­ri­scher Schwer­mut und spöt­ti­scher Un­be­sorgt­heit. Sein krau­ses aber wei­ches Haar, hell­blond und von der Son­ne nur ein we­nig ge­bräunt, um­gab in tau­send dich­ten, kur­z­en Rin­gellöck­chen sei­nen Ala­bas­ter­hals. Alle sei­ne Züge wa­ren voll­kom­men schön; aber et­was all­zu Keckes lag in dem durch­drin­gen­den Blick sei­ner pech­schwar­zen Au­gen, was dem Pro­fes­sor nicht ge­fiel. Er warf alle sei­ne Mu­scheln in den Schoß des Mäd­chens wel­ches ne­ben ihm saß, und wäh­rend die­ses, ohne sich stö­ren zu las­sen, fort­fuhr sie mit klei­nen Gold­per­len ge­mischt auf­zu­rei­hen, trat er zu Zus­ti­nia­ni, dem er nach Lan­des­sit­te die Hand küss­te.

      – In der Tat ein hüb­scher Jun­ge, sag­te der Pro­fes­sor, ihm die Ba­cke klop­fend; aber er scheint sich mit Spie­len zu be­lus­ti­gen, die doch zu kin­disch für sein Al­ter sind; denn er ist wohl ein acht­zehn Jah­re alt, nicht so?

      – Neun­zehn, Sior Pro­fe­sor! ent­geg­ne­te An­zo­le­to in sei­nem ve­ne­tia­ni­schen Dia­lek­te; wenn ich mich aber mit den Mu­scheln be­lus­ti­ge, so tu’ ich das nur um der klei­nen Con­sue­lo zu hel­fen, wel­che Hals­ket­ten macht.

      – Con­sue­lo, sag­te der Meis­ter, in­dem er mit dem Gra­fen und An­zo­le­to zu sei­ner Schü­le­rin trat, ich hät­te nicht ge­dacht, dass du so putz­süch­tig wä­rest.

      – O nein, ich ma­che das nicht für mich, Herr Pro­fes­sor! ent­geg­ne­te Con­sue­lo, in­dem sie sich nur halb er­hob, aus Vor­sicht, da­mit die Mu­scheln, die sie in der Schür­ze hat­te, nicht ins Was­ser fie­len; ich ma­che das zum Han­del, und um Reis und Mais ein­zu­kau­fen.

      – Sie ist arm, und sie er­nährt ihre Mut­ter, sag­te Por­po­ra. Höre, Con­sue­lo, wenn ihr in Ver­le­gen­heit seid, dei­ne Mut­ter und du, so musst du zu mir kom­men, aber zu bet­teln ver­bie­te ich dir, hörst du wohl?

      – O Sie brau­chen ihr das nicht zu ver­bie­ten, Sior Pro­fe­sor, fiel ihm An­zo­le­to leb­haft in die Rede, sie wür­de es auch von selbst nicht tun, und ich, ich wür­de es nicht lei­den.

      – Du! du hast ja auch nichts, sag­te der Graf.

      – Nichts, als Ihre Wohl­ta­ten, gnä­digs­ter Herr! aber wir tei­len, die Klei­ne und ich.

      – Sie ist also eine Ver­wand­te; von dir?

      – Nein, eine Frem­de, es ist Con­sue­lo.

      – Con­sue­lo? Wun­der­li­cher Name! sag­te der Graf.

      – Ein schö­ner Name, Ew. Gna­den, fiel An­zo­le­to ein; er be­deu­tet Trost.

      – Gut; sie ist, wie es scheint, dei­ne Freun­din?

      – Mei­ne Braut ist sie, Herr!

      – Schon? Se­het da, die­se Kin­der den­ken schon an die Hoch­zeit.

      – Ja wir ma­chen an dem Tage Hoch­zeit wo Sie mein En­ga­ge­ment beim Thea­ter San Sa­mu­el aus­fer­ti­gen wer­den, gnä­di­ger Herr!

      – In die­sem Fal­le wer­det ihr noch lan­ge war­ten, Kin­der­chen!

      – Oh, wir wol­len schon war­ten, sag­te Con­sue­lo mit der hei­te­ren Ruhe der Un­schuld.

      Der Graf und der Mae­stro er­götz­ten sich ei­ni­ge Au­gen­bli­cke an der Ein­falt und an den Ant­wor­ten die­ses jun­gen Paa­res; nach­dem sie als­dann noch dem An­zo­le­to die Zeit be­stimmt hat­ten, wann er nächs­ten Ta­ges zu dem Pro­fes­sor kom­men soll­te; um sei­ne Stim­me prü­fen zu las­sen, ent­fern­ten sie sich und über­lie­ßen die Kin­der ih­rem wich­ti­gen Ge­schäf­te.

      – Wie ge­fällt euch die­ses klei­ne Mäd­chen? sag­te der Pro­fes­sor zu Zus­ti­nia­ni.

      – Ich hat­te sie vor ei­nem Weil­chen schon ge­se­hen, und ich fin­de sie häss­lich ge­nug, um das Sprich­wort zu recht­fer­ti­gen: Ei­nem acht­zehn­jäh­ri­gen Blu­te dünkt je­des Weib schön.

      – Recht so, ant­wor­te­te der Pro­fes­sor, nun­mehr kann ich euch sa­gen, wer eure gött­li­che Sän­ge­rin, eure Si­re­ne, eure ge­heim­nis­vol­le Schön­heit ist – Con­sue­lo!

      – Die­ses die­ses un­sau­be­re Ding, die­ser schwar­ze, ma­ge­re Spreng­sel? Nicht mög­lich, Mae­stro.

      – Nichts de­sto we­ni­ger wahr, Herr Graf! Sagt, wür­de sie nicht eine höchst ver­füh­re­ri­sche Pri­ma Don­na ab­ge­ben?

      Der Graf stand still, schau­te sich um, be­trach­te­te Con­sue­lo noch ein­mal von fern, und schlug dann in ko­mi­scher Verzweif­lung die Hän­de zu­sam­men. Ge­rech­ter Him­mel! rief er aus, kannst du dich so ver­grei­fen, und das Feu­er des Ge­ni­us in ein so schlecht ge­mei­ßel­tes Ge­fäße gie­ßen!

      – Also ihr ver­zich­tet auf eure straf­ba­ren Plä­ne? sag­te der Pro­fes­sor.

      – Ganz ge­wiss.

      – Ver­sprecht ihr mir das? füg­te Por­po­ra hin­zu.

      – Noch mehr, ich schwö­re es euch, ent­geg­ne­te der Graf.

      3.

      Auf­ge­schos­sen un­ter dem ita­lie­ni­schen Him­mel, er­zo­gen von dem Zu­fall wie ein Vo­gel am Stran­de, arm, ver­waist, ver­las­sen, und doch glück­lich in der Ge­gen­wart, und voll Ver­trau­en in sei­ne Zu­kunft, wie ein Kind der Lie­be, was er ohne Zwei­fel war, hat­te An­zo­le­to, die­ser hüb­sche Jun­ge von neun­zehn Jah­ren, an der klei­nen Con­sue­lo, der zur Sei­te er auf dem Pflas­ter Ve­ne­digs in volls­ter Frei­heit sei­ne Tage ver­brach­te, wohl schwer­lich sei­ne ers­te Lieb­schaft. In die leich­ten Freu­den ein­ge­weiht, die sich ihm mehr als ein­mal dar­ge­bo­ten, wür­de er viel­leicht schon ent­kräf­tet und ver­derbt ge­we­sen sein, hät­te er in un­se­rem trau­ri­gen Kli­ma ge­lebt, oder wäre er min­der reich von der Na­tur be­gabt ge­we­sen. Al­lein bei frü­her Ent­wick­lung und ei­ner kräf­ti­gen An­la­ge zu ei­ner aus­dau­ern­den Männ­lich­keit, hat­te er sein Herz rein und sei­ne Sinn­lich­keit un­ter der Herr­schaft sei­nes Wil­lens er­hal­ten. Der Zu­fall hat­te ihn mit der klei­nen Spa­nie­rin zu­sam­men­ge­führt, vor den Ma­don­nen­bil­dern, wo sie ihre An­dacht absang; aus Lust, sei­ne Stim­me zu üben, hat­te er mit ihr beim Ster­nen­lich­te gan­ze Aben­de hin­durch ge­sun­gen. Dann tra­fen sie ein­an­der auf dem San­de des Lido wo sie Mu­scheln auf­la­sen, er um sie zu es­sen, sie um Ro­sen­krän­ze und Schmuck dar­aus zu ma­chen. Dann wie­der fan­den sie sich in der Kir­che, wo sie von Her­zen zu dem gu­ten Got­te be­te­te, er mit al­len Au­gen nach den schö­nen Da­men schau­te. Und bei al­len die­sen Be­geg­nun­gen war ihm Con­sue­lo so gut, so lieb, so freund­lich,


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