Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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sie her­ge­bracht, zu­rück­keh­ren und das Licht der Ster­ne wie­der­se­hen kön­nen.

      Con­sue­lo ver­trau­te sich dem­nach mit neu­em Mute den ge­heim­nis­vol­len Klüf­ten an, dies­mal auf die Be­schaf­fen­heit des Bo­dens sorg­sam ach­tend und be­dacht stets die auf­wärts ge­neig­ten Pfa­de zu wäh­len, ohne sich durch schein­bar ge­räu­mi­ge­re und ge­ra­de­re Stol­len, wel­che sich je­den Au­gen­blick dar­bo­ten, ab­füh­ren zu las­sen. Auf die­se Wei­se war sie si­cher, so­wohl nicht mehr auf Was­ser­strö­mun­gen zu sto­ßen als ih­ren Aus­weg wie­der­zu­fin­den.

      Sie ging un­ter tau­send Hin­der­nis­se: mäch­ti­ge Stei­ne ver­sperr­ten ihr den Weg und zer­ris­sen ihre Füße; rie­si­ge Fle­der­mäu­se, aus ih­ren düs­te­ren Schlaf­s­tät­ten durch den Licht­schein auf­ge­stört, stie­ßen hau­fen­wei­se ge­gen die La­ter­ne und um­schwirr­ten die Wan­de­rin wie Nacht­ge­spens­ter. Nach­dem sie bei je­dem neu­en Schre­cken die ers­te Er­schüt­te­rung über­wun­den hat­te, fühl­te sie ih­ren Mut nur im­mer wach­sen.

      Bis­wei­len muss­te sie über un­ge­heu­re Blö­cke klim­men, wel­che sich von der De­cke des zer­klüf­te­ten Ge­wöl­bes los­ge­ris­sen hat­ten, wäh­rend oben an­de­re dro­hen­de Mas­sen schweb­ten, kaum noch in den er­wei­ter­ten Spal­ten zwan­zig Fuß hoch über ih­rem Kop­fe fest­ge­hal­ten. Bis­wei­len ver­eng­te sich die Wöl­bung und wur­de so nied­rig, dass sie in der spär­li­chen, er­sti­cken­den Luft ge­zwun­gen war zu krie­chen. Sie war so seit ei­ner hal­b­en Stun­de fort­ge­gan­gen, als sie, aus ei­ner Spal­te her­vor­tre­tend, durch wel­che sich ihr schlan­ker, bieg­sa­mer Kör­per nur mit Mühe drän­gen konn­te, plötz­lich aus der Cha­ryb­dis in die Scyl­la fiel: sie fand sich Aug’ in Auge mit Zden­ko – mit Zden­ko, der sich zu­erst starr vor Stau­nen und ver­steint vom Schre­cken, aber bald in Zorn, Wut, dro­hend zeig­te, ganz wie sie ihn schon ein­mal ge­se­hen hat­te.

      In die­sem La­by­rin­the, un­ter den zahl­lo­sen Hin­der­nis­sen beim un­si­che­ren Lich­te ei­ner Ker­ze, wel­che der Luft­man­gel je­den Au­gen­blick zu er­sti­cken droh­te, war Flucht un­mög­lich. Con­sue­lo war be­reit sich ge­gen einen Mord­ver­such zur Weh­re zu set­zen. Die ir­ren Au­gen, der schäu­men­de Mund Zden­ko’s kün­de­ten deut­lich ge­nug an, dass er dies­mal nicht bei Dro­hun­gen ste­hen blei­ben wür­de.

      Auf ein­mal hat­te er einen selt­sam wil­den Ent­schluss ge­fasst: er fing an große Stei­ne zu­sam­men­zu­tra­gen und schich­te­te sie über­ein­an­der zwi­schen sich und Con­sue­lo, um den en­gen Stol­len, in wel­chem sie sich be­fand, zu ver­mau­ern. Auf die­se Wei­se konn­te er ge­wiss sein, wenn er meh­re­re Tage das Was­ser nicht ablie­ße, sie durch Hun­ger zu tö­ten, wie eine Bie­ne in ih­rer Zel­le die ein­ge­drun­ge­ne Hor­nis ein­schließt, eine Wand von Wachs vor die Öff­nung kle­bend.

      Es war aber Gra­nit, wo­mit Zden­ko bau­te, und er ar­bei­te­te mit er­staun­li­cher Ge­schwin­dig­keit. Die un­ge­heue­re Mus­kel­kraft, die die­ser so ma­ge­re und an­schei­nend so schwäch­li­che Mensch of­fen­bar­te, in­dem er die­se Stein­blö­cke schwang und auf ein­an­der türm­te, be­lehr­te Con­sue­lo nur zu gut, dass Wi­der­stand un­mög­lich, und dass es bes­ser wäre, Ret­tung durch einen an­de­ren Aus­gang, den sie rück­wärts viel­leicht noch fin­den könn­te, zu hof­fen, als Zden­ko zu rei­zen und sich der äu­ßers­ten Ge­fahr aus­zu­set­zen. Sie ver­such­te, ihm zu­zu­re­den, und ihn mit ih­rem Wor­te zu be­sänf­ti­gen und zu zäh­men.

      – Zden­ko! sag­te sie, was tust du da, Un­sin­ni­ger? Al­bert wird dir mei­nen Tod an­rech­nen. Al­bert er­war­tet und ruft mich. Ich bin sei­ne Freun­din, sein Trost und sein Heil. Du tö­test dei­nen Freund und Bru­der, wenn du mich tö­test.

      Aber Zden­ko, der wohl fürch­te­te, sich ge­win­nen zu las­sen und doch fest ent­schlos­sen war sein Werk aus­zu­füh­ren, be­gann in sei­ner Spra­che nach ei­ner leb­haf­ten, lus­ti­gen Me­lo­die zu sin­gen, wäh­rend er mit ämsi­ger und leich­ter Hand an sei­ner Cy­clo­pen­mau­er fort­bau­te.

      Nur noch ein Stein fehl­te, um den Bau zu schlie­ßen. Con­sue­lo folg­te mit angst­vol­len Bli­cken sei­nen Be­we­gun­gen. Nie, dach­te sie, wer­de ich im­stan­de sein die­se Mau­er ab­zu­tra­gen. Ich müss­te dazu die Arme ei­nes Rie­sen ha­ben.

      Der letz­te Stein war ge­legt. Sie be­merk­te, dass Zden­ko eine zwei­te Wand zur Un­ter­stüt­zung der ers­ten zu bau­en an­fing. Ei­nen gan­zen Stein­bruch, eine gan­ze Fes­tung woll­te er zwi­schen ihr und Al­bert auf­schich­ten. Er sang im­mer fort und schi­en ein au­ßer­or­dent­li­ches Ver­gnü­gen an sei­ner Ar­beit zu fin­den.

      Sie­he, da kam ihr plötz­lich eine wun­der­ba­re Ein­ge­bung. Sie er­in­ner­te sich der ver­ru­fe­nen ket­ze­ri­schen For­mel, nach de­ren Sinn sie Ama­li­en ge­fragt, und die dem Ka­plan so großes Är­ger­nis ge­ge­ben hat­te.

      – Zden­ko, lie­ber Zden­ko! rief sie durch eine Spal­te des schlecht zu­sam­men­ge­füg­ten Bau­werks, und füg­te auf Böh­misch hin­zu: Grüß dich der, dem Un­recht ge­sche­hen!

      Kaum war dies Wort von ih­ren Lip­pen, als es auf Zden­ko wie ein Zau­ber wirk­te; er ließ den ge­wal­ti­gen Block, den er er­grif­fen hat­te, fal­len, stieß einen tie­fen Seuf­zer aus und fing an sei­ne Mau­er noch ge­schwin­der ab­zu­tra­gen, als er sie auf­ge­führt hat­te. Dann reich­te er Con­sue­lo die Hand, half ihr schwei­gend über die Trüm­mer, be­trach­te­te sie von Kopf zu Fuß, stöhn­te selt­sam, und ihr drei an ei­nem ro­ten Ban­de hän­gen­de Schlüs­sel ge­bend, wies er ihr den Weg, der vor ihr lag und sprach:

      – Grüß’ dich der, dem Un­recht ge­sche­hen ist!

      – Willst du nicht mein Füh­rer sein? sag­te sie. Brin­ge mich zu dei­nem Herrn.

      Zden­ko schüt­tel­te den Kopf und sprach:

      – Ich habe kei­nen Herrn. Ich hat­te einen Freund. Du nimmst ihn mir. Das Schick­sal er­füllt sich. Geh, wo­hin dich Gott treibt. Ich, ich will hier wei­nen, bis du wie­der­kommst.

      Und sich auf das Ge­stein set­zend, leg­te er sei­nen Kopf in sei­ne Hän­de und woll­te nichts mehr re­den.

      Con­sue­lo hielt sich nicht da­mit auf, ihn zu trös­ten. Sie fürch­te­te einen Rück­fall sei­ner Wut, und den Au­gen­blick ih­res Über­ge­wichts be­nut­zend, und nun ge­wiss, dass sie sich auf dem Wege zu Al­bert be­fand, flog sie wie ein Pfeil da­hin.

      Auf dem bis­he­ri­gen un­si­che­ren und mü­he­vol­len Pfa­de hat­te sie kei­ne wei­te Stre­cke zu­rück­ge­legt, da Zden­ko, der einen weit län­ge­ren, aber dem Was­ser un­zu­gäng­li­chen Weg ge­nom­men hat­te, mit ihr bei dem Ve­rei­ni­gungs­punk­te der bei­den un­ter­ir­di­schen Gän­ge zu­sam­men­traf, wel­che, der eine in ei­nem von Men­schen­hand durch den Fel­sen ge­bro­che­nen und be­quem an­ge­leg­ten Bo­gen, der an­de­re schwer­lich, wild und ge­fähr­lich, auf ent­ge­gen­ge­setz­ten Sei­ten um das Schloss, sei­ne Ne­ben­ge­bäu­de und den Bergsaum lie­fen.

      Con­sue­lo wuss­te nicht, dass sie sich in die­sem Au­gen­bli­cke un­ter dem Park be­fand, aber sie über­schritt in der Tat des­sen Gat­ter und Grä­ben auf ei­nem Pfa­de, den alle Schlüs­sel und alle Vor­sichts­maß­re­geln des Stifts­fräu­leins ihr nicht ver­sper­ren konn­ten.

      Sie dach­te, nach­dem sie eine klei­ne Stre­cke zu­rück­ge­legt


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