Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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des Schlaf­zim­mers auf. Aber Sil­ber – ja, Sil­ber hat­ten wir. Schö­nes, schwe­res, al­tes Ta­fel­sil­ber, ein Ge­le­gen­heits­kauf auf ei­ner Auk­ti­on. Im Kof­fer war noch Platz ge­nug …

      Ich trank schnell und viel, ich trank die gan­ze Fla­sche auf ein­mal leer. Es war noch gut ein Drit­tel in ihr ge­we­sen. Ei­nen Au­gen­blick über­schwemm­te die plötz­li­che star­ke Al­ko­hol­zu­fuhr mei­nen Kör­per wie mit ei­ner ro­ten Woge, ich schloss die Au­gen, ich zit­ter­te. Wür­de ich bre­chen müs­sen? Aber der An­fall ging vor­über, ich hat­te mich wie­der in mei­ner Ge­walt.

      Rasch ging ich ins Spei­se­zim­mer und knips­te dort den Kron­leuch­ter an. Die eben noch so ängst­lich ge­wahr­te Vor­sicht brauch­te ich nun nicht mehr. Ich schloss das Bü­fett auf und nahm das Sil­ber, das dut­zend­wei­se in Fla­nell­fut­te­ra­len steck­te (wir brau­chen es nur bei fest­li­chen Ge­le­gen­hei­ten), her­aus. Ich häuf­te es erst ne­ben mir auf, dann trug ich es fort, große Löf­fel, Mes­ser und Ga­beln, die klei­nen Be­ste­cke, die Fisch­be­ste­cke … Ich stopf­te al­les in den Kof­fer, wie es kam. Nun fehl­ten nur noch die sil­ber­nen Auf­fülllöf­fel, das Salat- und das Tran­chier­be­steck, die lose in ei­ner be­son­de­ren Schieb­la­de la­gen. Ich nahm sie ei­lig her­aus; plötz­lich hetz­te mich et­was, ich muss­te fort aus die­sem Haus! Ein Löf­fel fiel klir­rend zu Bo­den, ich fluch­te laut, griff nach ihm und ließ einen zwei­ten Löf­fel fal­len.

      Un­ge­dul­dig riss ich an der Schieb­la­de, um sie ganz her­aus­zu­zie­hen und das Ein­zel­sil­ber in ihr zum Kof­fer zu tra­gen. Die Schieb­la­de gab über­ra­schend schnell nach und fiel pol­ternd auf das Sil­ber­ge­schirr, das hell er­tön­te. Ich raff­te al­les zu­sam­men, wie ich es fas­sen konn­te, jetzt ohne jede Rück­sicht auf den Lärm, den ich mach­te, und eil­te da­mit zum Kof­fer. Im Ge­hen fie­len zwei, drei Löf­fel. Ich warf das Mit­ge­brach­te oben­auf in den Kof­fer und lief zu­rück, das Ver­lo­re­ne zu ho­len.

      Wie an­ge­wur­zelt blieb ich ste­hen und starr­te auf Mag­da, die mit­ten im Spei­se­zim­mer vor ih­rem auf­ge­ris­se­nen Bü­fett stand!

      17

      Sie wen­de­te den Kopf und sah mich an, lan­ge. Ich merk­te, wie sie er­schrak, wie sie schnell at­me­te, sich zu sam­meln ver­such­te. »Er­win«, sag­te sie dann mit sto­cken­der Stim­me, »Er­win! Wie siehst du aus!? Wo kommst du her in die­sem Zu­stand? Wo bist du so lan­ge ge­we­sen? Ach, Er­win, Er­win, wie ich mich ge­ängs­tigt habe um dich! Dass wir uns so wie­der­se­hen müs­sen! Er­win, den­ke dar­an, dass wir uns ein­mal lieb ge­habt ha­ben! Zer­stö­re doch nicht al­les! Komm wie­der zu mir. Ich will dir hel­fen, so gut ich kann. Ich will so ge­dul­dig sein, nie wie­der wer­de ich mich mit dir strei­ten …« Sie hat­te im­mer schnel­ler ge­re­det, atem­los hielt sie inne und sah mich fle­hend an.

      Mich aber be­weg­ten ganz an­de­re Ge­füh­le. Mit Zorn, mit Hass, mit Ab­nei­gung sah ich auf die­se ge­pfleg­te, vom Schlaf ge­röte­te Frau in ih­rem sei­de­nen blau­en Schlaf­rock, ich, der aus­sah, als hät­te ich mich in der Gos­se ge­wälzt, ich, der stank wie ein Wie­de­hopf. Ich glau­be, es muss die Mah­nung an un­se­re Lie­be von ehe­mals ge­we­sen sein, die mich in eine so sinn­lo­se Wut ver­setz­te. Ihre Wor­te, statt mich zu rüh­ren, hat­ten mich nur den Ab­stand ge­gen das längst ver­sun­ke­ne Da­mals füh­len ge­macht. Wir wa­ren gleich­ge­stellt, und da stand sie und hat­te al­les, und hier war ich, ein Kan­di­dat des Nichts.

      Zor­nig stol­per­te ich auf Mag­da los, ich fiel da­bei bei­na­he über einen sil­ber­nen Auf­fülllöf­fel, sah mich wü­tend nach ihm um, tat einen Schritt zu­rück und zer­trat ihn. Mag­da schrie lei­se auf. Ich aber eil­te auf sie zu, hob mei­ne Fäus­te ge­gen sie und schrie: »Ja, das möch­test du, dass ich zu dir zu­rück­kom­me! Und was wird dann? Was wird dann?!« Ich schüt­tel­te die Fäus­te nahe vor ih­rem Ge­sicht. »Dann bringst du mich ins Bett und siehst schön zu, dass ich schla­fe, und wenn ich erst schla­fe, dann lässt du die Ärz­te kom­men und lässt mich weg­brin­gen, für Le­bens­zeit in eine Trin­ker­heil­stät­te, und dann lachst du dir ins Fäust­chen und tust mit mei­nem Ei­gen­tum, was du willst. – Ja, das möch­test du.«

      Ich starr­te sie an, auch ich jetzt atem­los. Und Mag­da sah mich wie­der an. Sie war jetzt sehr blass ge­wor­den, aber ich sah wohl, dass sie trotz mei­nes wil­den Ge­ba­rens und Dro­hens kei­ne Angst vor mir hat­te. Plötz­lich schlug mei­ne Stim­mung um; mei­ne Er­re­gung war ge­wi­chen, und kalt und ru­hig sag­te ich: »Ich will dir sa­gen, was du bist. Ein ganz ge­mei­nes Aas bist du, ins Ge­sicht sage ich dir das.«

      Sie zuck­te nicht, sah mich nur an.

      »Eine Ver­rä­te­rin bist du, un­se­re gan­ze Ehe hast du ver­ra­ten, als du die Ärz­te hin­ter mir her­schick­test. Ins Ge­sicht müss­te ich dir spei­en, pfui Dei­bel!«

      Wie­der sah sie mich an. Dann sag­te sie rasch: »Ja, ich habe die Ärz­te hin­ter dir drein­ge­schickt, aber nicht um dich zu ver­ra­ten, son­dern um dich zu ret­ten – wenn das noch mög­lich ist. Wenn du noch einen Fun­ken Ver­nunft hät­test, Er­win, müss­test du das ein­se­hen. Du müss­test ver­ste­hen, dass du so nicht einen Mo­nat wei­ter­le­ben kannst, viel­leicht nicht eine Wo­che mehr …«

      Ich un­ter­brach sie. Ich lach­te höh­nisch. »Nicht einen Mo­nat mehr? Kei­ne Wo­che? Noch Jah­re kann ich so le­ben, ich hal­te al­les aus, und ge­ra­de dir zum Trotz wer­de ich so wei­ter­le­ben, ge­ra­de dir zum Trotz.« Ich beug­te mich ganz nahe zu ihr. »Soll ich dir sa­gen, was ich tun wer­de, wenn ich das nächs­te Mal ganz be­trun­ken bin? Dann wer­de ich vor dein Fens­ter zie­hen, und ich wer­de es vor al­len Leu­ten aus­schrei­en, dass du eine Ver­rä­te­rin bist, ein gie­ri­ges Aas, gie­rig nach mei­nem Geld, gie­rig nach mei­nem Ver­re­cken …«

      »Ja«, sag­te sie böse, »das glau­be ich wohl, dass du dazu im­stan­de bist. Dann aber wirst du nicht nur in eine Heil­an­stalt, son­dern so­gar in ein Ge­fäng­nis kom­men – und ich weiß nicht«, sag­te auch sie jetzt sehr höh­nisch, »ob dir das nicht sehr gut wäre.«

      »Was?«, schrie ich, und mei­ne Wut war jetzt auf dem Hö­he­punkt, »jetzt willst du mich auch noch ins Ge­fäng­nis brin­gen?! War­te, das sollst du nicht noch ein­mal sa­gen! Ich will dir zei­gen …« Ich fass­te nach ihr, ich sah rot. Ich woll­te nach ih­rem Hal­se grei­fen, aber sie wi­der­setz­te sich kräf­tig. Sie war wirk­lich fast eben­so stark wie ich, und in mei­nem jet­zi­gen Zu­stand war sie viel­leicht so­gar er­heb­lich stär­ker. Wir ran­gen mit­ein­an­der, es war ein sü­ßes Ge­fühl, die­sen einst so ge­lieb­ten Leib nun feind­lich, aber doch so nahe zu spü­ren, jetzt die Brust, einen sich ge­gen mich stem­men­den Schen­kel.

      Der Ge­dan­ke schoss mir durch den Kopf: ›Wenn du sie jetzt plötz­lich küs­sen, wenn du ihr Lie­bes­be­teue­run­gen ins Ohr flüs­tern wür­dest! Ob du sie her­um­be­kämst?‹ Ich flüs­ter­te ihr ins Ohr: »Nächs­te Nacht kom­me ich und brin­ge dich um. Ganz lei­se kom­me ich …«

      Laut rief Mag­da: »Nein, nein, es ist gut, Else, ich wer­de schon al­lein mit ihm fer­tig! Ru­fen Sie Dr. Mans­feld an und die Po­li­zei­wa­che, ich hal­te ihn hier schon!«

      Ich dreh­te mich über­rascht um. Wirk­lich, da stand Else, vom Geräusch un­se­res Kamp­fes her­bei­ge­lockt, bild­hübsch an­zu­se­hen; und jetzt ver­schwand sie in der Die­le zum Te­le­fon.

      Mit ei­nem Ruck riss ich mich frei. »Mich be­kommst du noch lan­ge nicht, Mag­da!« Ich gab ihr einen Stoß, dass sie rück­lings hin­fiel. Lau­fend raff­te ich die noch ver­streu­ten


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