Durch die Wüste (Abenteuer-Klassiker). Karl May

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Durch die Wüste (Abenteuer-Klassiker) - Karl May


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      »Hast Du nicht gehört, daß er nach Seftimi gegangen ist und heute wieder zurückkehren wird?«

      »Er wird uns dennoch nicht finden.«

      »Er wird uns finden. Sagte nicht Sadek, daß der Weg nach Seftimi und nach Fetnassa auf zwei Drittheile ganz derselbe sei?«

      »Effendi, Du gibst mir neue Hoffnung und neues Leben. Ja, wir werden warten, bis Omar hier vorüberkommt.«

      »Für ihn ist es ein Glück, wenn er uns findet. Er würde hier hinter uns untergehen, da der frühere Pfad versunken ist, ohne daß er es weiß.«

      Wir lagerten uns neben einander am Boden nieder; die Sonne brannte so heiß, daß unsere Kleider in wenigen Minuten getrocknet und mit einer salzigen Kruste überzogen wurden, so weit sie naß gewesen waren.

      Vor Gericht

       Inhaltsverzeichnis

       Obgleich ich die Ueberzeugung hegte, daß der Sohn des ermordeten Führers kommen werde, konnte er doch statt über der See, um denselben herumgegangen sein. Wir warteten also mit großer, ja mit ängstlicher Spannung. Der Nachmittag verging; es waren nur noch zwei Stunden bis zum Abend; da ließ sich eine Gestalt erkennen, welche von Osten her langsam der Stelle nahte, an welcher wir uns befanden. Sie kam näher und näher und erblickte nun auch uns.

      »Er ist es,« meinte Halef und legte die Hände wie ein Sprachrohr an den Mund. »Omar Ben Sadek, eile herbei!«

      Der Gerufene verdoppelte seine Schritte und stand bald vor uns. Er erkannte den Freund seines Vaters.

      »Sei willkommen, Halef Omar!« grüßte er.

      »Hadschi Halef Omar!« verbesserte Halef.

      »Verzeihe mir! Die Freude, Dich zu sehen, ist Schuld an diesem Fehler. Du kamst nach Kris zum Vater?«

      »Ja,« antwortete Halef.

      »Wo ist er? Wenn Du auf dem Schott bist, muß er in der Nähe sein.«

      »Er ist in der Nähe,« antwortete Halef feierlich.

      »Wo?«

      »Omar Ibn Sadek, dem Gläubigen geziemt es, stark zu sein, wenn ihn das Kismet trifft.«

      »Rede, Sadek, rede! Es ist ein Unglück geschehen?«

      »Ja.«

      »Welches?«

      »Allah hat Deinen Vater zu seinen Vätern versammelt.«

      Der Jüngling stand vor uns, keines Wortes mächtig. Sein Auge starrte den Sprecher entsetzt an, und sein Angesicht war furchtbar bleich geworden. Endlich gewann er die Sprache wieder, aber er benützte sie auf ganz andere Weise, als ich vermuthet hatte.

      »Wer ist dieser Sihdi?« frug er.

      »Es ist Kara Ben Nemsi, den ich zu Deinem Vater brachte. Wir verfolgten zwei Mörder, welche über den Schott gingen.«

      »Mein Vater sollte Euch führen?«

      »Ja; er führte uns. Die Mörder bestachen Arfan Rakedihm und stellten uns hier einen Hinterhalt. Sie schossen Deinen Vater nieder; er und die Pferde versanken in dem Sumpfe, uns aber hat Allah gerettet.«

      »Wo sind die Mörder?«

      »Der eine starb im Salze, der andere aber ist mit dem Chabir nach Fetnassa.«

      »So ist der Pfad hier verdorben?«

      »Ja. Du kannst ihn nicht betreten.«

      »Wo versank mein Vater?«

      »Dort, dreißig Schritte von hier.«

      Omar ging so weit vorwärts, als die Decke trug, starrte eine Weile vor sich nieder und wandte sich dann nach Osten: »Allah, Du Gott der Allmacht und Gerechtigkeit, höre mich! Muhammed, Du Prophet des Allerhöchsten, höre mich! Ihr Khalifen und Martyrer des Glaubens, hört mich! Ich, Omar Ben Sadek, werde nicht eher lachen, nicht eher meinen Bart beschneiden, nicht eher die Moschee besuchen, als bis die Dschehennah aufgenommen hat den Mörder meines Vaters! Ich schwöre es!«

      Ich war tief erschüttert von diesem Schwure, durfte aber nichts dagegen sagen. Nun setzte er sich zu uns und bat mit beinahe unnatürlicher Ruhe: »Erzählt!«

      Halef folgte seinem Wunsche. Als er fertig war, erhob sich der Jüngling.

      »Kommt!«

      Nur das eine Wort sprach er, dann schritt er voran, wieder in die Richtung zurück, aus der er gekommen war.

      Wir hatten bereits vorher die schwierigsten Stellen des Weges überwunden; es war keine große Gefahr mehr zu befürchten, trotzdem wir den ganzen Abend und die ganze Nacht hindurch marschirten. Am Morgen betraten wir das Ufer der Halbinsel Nifzaua und sahen Fetnassa vor uns liegen.

      »Was nun?« frug Halef.

      »Folgt mir nur!«

      Dies war das erste Wort, welches ich seit gestern von ihm hörte. Er schritt auf die dem Strande zunächst gelegene Hütte zu. Ein alter Mann saß vor derselben.

      »Sallam aaleïkum!«

      »Aaleïkum.«

      »Du bist Abdullah el Hamis, der Salzverwieger?«

      »Ja.«

      »Hast Du gesehen den Chabir Arfan Rakedihm aus Kris?«

      »Er betrat bei Tagesanbruch mit einem fremden Manne das Land.«

      »Was thaten sie?«

      »Der Chabir ruhte bei mir aus und ging dann nach Bir Rekeb, um von da nach Kris zurückzukehren. Der Fremde aber kaufte sich bei meinem Sohne ein Pferd und frug nach dem Wege nach Kbilli.«

      »Ich danke Dir, Abu el Malah!«

      Er ging schweigend weiter und führte uns in eine Hütte, wo wir einige Datteln aßen und eine Schale Lagmi tranken. Dann ging es nach Beschni, Negua und Mansurah, wo wir auf unsere Erkundigungen überall in Erfahrung brachten, daß wir dem Gesuchten auf den Fersen seien. Von Mansurah ist es gar nicht weit bis zu der großen Oase Kbilli. Dort gab es damals noch einen türkischen Wekil, welcher unter der Aufsicht des Regenten von Tunis den Nifzaua verwaltete. Hierzu waren ihm zehn Soldaten zur Verfügung gestellt worden.

      Wir begaben uns zunächst in ein Kaffeehaus, wo Omar nicht lange Ruhe hatte. Er verließ uns, um Erkundigungen einzuziehen, und kehrte erst nach einer Stunde zurück.

      »Ich habe ihn gesehen.«

      »Wo?«

      »Beim Wekil.«

      »Beim Statthalter?«

      »Ja. Er ist sein Gast und trägt sehr prächtige Kleidung. Wenn Ihr mit ihm reden wollt, so müßt Ihr kommen, denn es ist jetzt die Zeit der Audienz.«

      Mein Interesse war im höchsten Grade erregt. Ein steckbrieflich verfolgter Mörder war der Gast eines großherrlichen Statthalters!

      Omar führte uns über einen freien Platz hinweg nach einem steinernen, niedrigen Hause, dessen Umfassungsmauern keine Spur von Fenstern zeigten. Vor der Thür desselben standen neun Nefers, welche vor einem Onbaschi exerzirten, während der Saka zuschauend an der Thür lehnte. Wir wurden ohne Widerstand eingelassen und von einem Neger um unser Begehr befragt. Er führte uns in das Selamlük, einen kahlwändigen Raum, dessen einzige Ausstattung in einem alten Teppiche bestand, der in einer Ecke des Zimmers ausgebreitet war. Auf demselben saß ein Mann mit verschwommenen Gesichtszügen, welcher aus einer uralten persischen Hukah Tabak rauchte.

      »Was wollt Ihr?« frug er.

      Der Ton, in dem diese Frage ausgesprochen wurde, behagte mir nicht. Ich antwortete daher mit einer Gegenfrage: »Wer bist Du?«

      Er sah mich in starrem Erstaunen an.

      »Der


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