Durch die Wüste (Abenteuer-Klassiker). Karl May

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Durch die Wüste (Abenteuer-Klassiker) - Karl May


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wieder. Die schmalen Furten, welche über die Salzdecke der Schotts führen, werden besonders in der Regenzeit höchst gefährlich, indem der Regen die vom Flugsande überdeckte Kruste bloßlegt und auswäscht.

      Das Wasser dieser Schotts ist grün und dickflüssig und bei weitem salziger als das des Meeres. Ein Versuch, die Tiefe des Abgrundes unter sich zu messen, würde des Terrain halber zu keinem Resultate führen, doch darf wohl angenommen werden, daß keiner der Salzmoräste tiefer als fünfzig Meter ist. Die eigentliche Gefahr bei dem Einbrechen durch die Salzdecke ist bedingt durch die Massen eines flüssigen, beweglichen Sandes, welcher unter der fünfzig bis achtzig Centimeter tiefen, hellgrünen Wasserschicht schwimmt und ein Produkt der Jahrtausende langen Arbeit des Samums ist, der den Sand aus der Wüste in das Wasser trieb.

      Schon die ältesten arabischen Geographen, wie Ebn Dschobeir, Ebn Batuta, Obeidah el Bekri, El Istakhri und Omar Ebn el Wardi, stimmen in der Gefährlichkeit dieser Schotts für die Reisenden überein. Der Dscherid verschlang schon Tausende von Kameelen und Menschen, welche in seiner Tiefe spurlos verschwanden. Im Jahre 1826 mußte eine Karawane, welche aus mehr als tausend Lastkameelen bestand, den Schott überschreiten. Ein unglücklicher Zufall brachte das Leitkameel, welches an der Spitze des Zuges schritt, vom schmalen Wege ab. Es verschwand im Abgrunde des Schott, und ihm folgten alle anderen Thiere, welche rettungslos in der zähen, seifigen Masse verschwanden. Kaum war die Karawane verschwunden, so nahm die Salzdecke wieder ihre frühere Gestalt an, und nicht die kleinste Veränderung, das mindeste Anzeichen verrieth den gräßlichen Unglücksfall. Ein solches Vorkommniß könnte unmöglich erscheinen, aber um es zu glauben, muß man sich nur vergegenwärtigen, daß jedes Kameel gewohnt ist, dem voranschreitenden, mit dem es ja meist auch durch Stricke verbunden ist, blind und unbedingt zu folgen, und daß der Pfad über die Schotts oft so schmal ist, daß es einem Thiere oder gar einer Karawane ganz unmöglich wird, wieder umzukehren.

      Der Anblick dieser tückischen Flächen, unter denen der Tod lauert, erinnert an einzelnen Stellen an den bläulich schillernden Spiegel geschmolzenen Bleies. Die Kruste ist zuweilen hart und durchsichtig wie Flaschenglas und klingt bei jedem Schritte wie der Boden der Solfatara in Neapel; meist aber bildet sie eine weiche, breiige Masse, welche vollständig sicher zu sein scheint, aber doch nur so viel Festigkeit besitzt, um einen leichten Anflug von Sand zu tragen, bei jeder anderen Last aber unter derselben zu weichen, um sich über ihr wieder zu schließen.

      Den Führern dienen kleine, auseinander liegende Steine als Wegzeichen. Früher gab es auf dem Schott El Kebir auch eingesteckte Palmenäste. Der Ast der Dattelbäume heißt Dscherid, und diesem Umstande hat der Schott seinen zweiten Namen zu verdanken. Diese Steinhäufchen heißen »Gmaïr«, und auch sie fehlen an solchen Punkten, wo auf mehrere Meter Länge der Boden von einer den Pferden bis an die Brust reichenden Wasserfläche bedeckt wird.

      Die Kruste der Schotts bildet übrigens nicht etwa eine einheitliche, flache Ebene, sondern sie zeigt im Gegentheile Wellen, welche selbst dreißig Meter Höhe erreichen. Die Kämme dieser Bodenwellen bilden eben die Furten, welche von den Karawanen benützt werden, und zwischen ihnen, in den tiefer liegenden Stellen, lauert das Verderben. Doch geräth schon bei einem mäßigen Winde die Salzdecke in eine schwingende Bewegung und läßt das Wasser aus einzelnen Öffnungen und Löchern mit der Macht einer Quelle hervorbrechen.

      Also diese freundlich glitzernde, aber trügerische Fläche lag zu unserer Linken, als wir den Weg nach Kris verfolgten, von wo aus eine Furt über den Schott nach Fetnassa auf der gegenüberliegenden Halbinsel des Nifzaua führt. Halef streckte die Hand aus und deutete hinab.

      »Siehst Du den Schott, Sihdi?«

      »Ja.«

      »Bist Du schon einmal über einen Schott geritten?«

      »Nein.«

      »So danke Allah, denn vielleicht wärest Du sonst bereits zu Deinen Vätern versammelt! Und wir wollen wirklich hinüber?«

      »Allerdings.«

      »Bismillah, in Gottes Namen! Mein Freund Sadek wird wohl noch am Leben sein.«

      »Wer ist das?«

      »Mein Bruder Sadek ist der berühmteste Führer über den Schott Dscherid; er hat noch niemals einen falschen Schritt getan. Er gehört zum Stamme der Merasig und ward geboren von seiner Mutter in Muï Hamed, lebt aber mit seinem Sohne, der ein wackerer Krieger ist, in Kris. Er kennt den Schott, wie kein Zweiter, und er ist es ganz allein, dem ich Dich anvertrauen möchte, Sihdi. Reiten wir direkt nach Kris?«

      »Wie weit haben wir noch bis hin?«

      »Ein Kleines über eine Stunde.«

      »So biegen wir jetzt ab gegen West. Wir müssen sehen, ob wir eine Spur der Mörder finden.«

      »Du meinst wirklich, daß sie auch nach Kris gegangen sind?«

      »Auch sie haben jedenfalls im Freien ihr Lager gehalten und werden bereits vor uns sein, um über den Schott zu gehen.«

      Wir verließen den bisherigen Weg und hielten grad nach West. In der Nähe des Pfades fanden wir viele Spuren, welche wir zu durchschneiden hatten; dann aber wurden sie weniger zahlreich und hörten endlich ganz auf. Da schließlich, wo der Reitpfad nach El Hamma führt, erblickte ich die Fährte zweier Pferde im Sande, und nachdem ich sie gehörig geprüft hatte, gelangte ich zu der Überzeugung, daß es die gesuchte sei. Wir folgten ihr bis in die Nähe von Kris, wo sie sich im breiten Wege verlor. Ich hatte also die Gewißheit, daß sich die Mörder hier befanden.

      Halef war nachdenklich geworden.

      »Sihdi, soll ich Dir etwas sagen?« meinte er.

      »Sage es!«

      »Es ist doch gut, wenn man im Sande lesen kann.«

      »Es freut mich, daß Du zur Erkenntniß kommst. Doch da ist Kris. Wo ist die Wohnung Deines Freundes Sadek?«

      »Folge mir!«

      Er ritt um den Ort, der aus einigen unter Palmen liegenden Zelten und Hütten bestand, herum bis zu einer Gruppe von Mandelbäumen, in deren Schutze eine breite, niedere Hütte lag, aus der bei unserem Anblick ein Araber trat und meinem kleinen Halef freudig entgegeneilte.

      »Sadek, mein Bruder, Du Liebling des Khalifen!«

      »Halef, mein Freund, Du Gesegneter des Propheten!«

      Sie lagen einander in den Armen und herzten sich wie ein Liebespaar.

      Dann aber wandte sich der Araber zu mir:

      »Verzeihe, daß ich Dich vergaß! Tretet ein in mein Haus; es ist das Eurige!«

      Wir folgten seinem Wunsche. Er war allein und präsentirte uns allerhand Erfrischungen, denen wir fleißig zusprachen. Jetzt glaubte Halef die Zeit gekommen, mich seinem Freunde vorzustellen.

      »Das ist Kara Ben Nemsi, ein großer Taleb aus dem Abendlande, der mit den Vögeln redet und im Sande lesen kann. Wir haben schon viele große Thaten vollbracht; ich bin sein Freund und Diener und soll ihn zum wahren Glauben bekehren.«

      Der brave Mensch hatte mich einmal nach meinem Namen gefragt und wirklich das Wort Karl im Gedächtnisse behalten. Da er es aber nicht auszusprechen vermochte, so machte er rasch entschlossen ein Kara daraus und setzte Ben Nemsi, Nachkomme der Deutschen, hinzu. Wo ich mit den Vögeln geredet hatte, konnte ich mich leider nicht entsinnen, jedenfalls sollte mich diese Behauptung ebenbürtig an die Seite des weisen Salomo stellen, der ja auch die Gabe gehabt haben soll, mit den Thieren zu sprechen. Auch von den großen Thaten, die wir vollbracht haben sollten, wußte ich weiter nichts, als daß ich einmal im Gestrüppe hängen geblieben und dabei gemächlich von meinem kleinen Berbergaule gerutscht war, der diese Gelegenheit dann benutzte, einmal mit mir Haschens zu spielen. Der Glanzpunkt der Halef'schen Diplomatik war nun allerdings die Behauptung, daß ich mich von ihm bekehren lassen wolle. Er verdiente dafür eine Zurechtweisung; daher frug ich Sadek: »Kennst Du den ganzen Namen Deines Freundes Halef?«

      »Ja.«

      »Wie lautet er?«

      »Er lautet Hadschi Halef Omar.«


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