Seewölfe - Piraten der Weltmeere 17. John Curtis
Читать онлайн книгу.walten Sie Ihres Amtes!“
Ferris Tucker riß die goldene Hirschkuh vom Deck hoch, und Ben Brighton und Hasard packten mit zu. Dann bolzte er sie mit wuchtigen Schlägen unter dem Jubel der Männer am Schiffsbug fest.
Drake trat zu Carberry.
„Profos – Rum für alle. Aber ich will kein sinnloses Besaufnis, verstanden?“
Carberry grinste über beide Bakken, die Narben seines Gesichtes begannen zu tanzen.
„Aye, aye, Sir! Ich werde jedem, der besoffen an Deck liegenbleibt, eigenhändig die Haut von seinem Affen ... ich meine, äh, Sir, eben abziehen.“
Carberry sah, wie ein Lächeln über die Züge Drakes huschte. Er berührte den Profos mit seiner Rechten leicht am Arm.
„Recht so, Profos. Andernfalls müßte ich Ihnen die Haut von Ihrem Affen ... äh, ich meine, Ihnen die Haut eben persönlich abziehen. Verstanden?“
Drake ließ den verblüfften Carberry einfach stehen. Dann enterte er zum Achterkastell auf und bat die Herren zu einer Besprechung in seine Kammer.
2.
Kapitän Drake blickte von der Karte, die auf dem schweren Eichentisch in der Kapitänskammer ausgebreitet lag, hoch. Aus seinen braunen Augen sah er die Kapitäne seiner drei Schiffe an.
„Meine Herren, wir sollten uns keinerlei Täuschungen hingeben. Uns steht eine höllische Reise bevor. Obwohl Magellan die nach ihm benannte Straße durchsegelte, bevor er auf der Mactan-Insel im Kampf gegen die Eingeborenen den Tod fand, wissen wir über die Magellanstraße nur wenig. An ihrem Ende soll der sagenumwobene Kontinent Terra Australis liegen, den aber bisher keines Menschenauge je erblickte. Niemand von uns weiß, was uns dort erwartet. In der Magellanstraße selbst haben wir gegen heftige Gezeitenströmungen zu kämpfen, plötzliche Stürme werden unser ganzes Können erfordern, scharfe Klippen und Sandbänke werden eine ständige Bedrohung für unsere Schiffe sein. Von allen anderen Gefahren, die uns möglicherweise begegnen werden, ganz zu schweigen.“
Drake sah den Seewolf an, der vor einem der achterlichen Fenster der Kammer stand, die Arme über der Brust gekreuzt.
„Sie, Mr. Killigrew, werden neben Ihren seemännischen Pflichten bei der Durchfahrt der Magellanstraße und auf der gesamten weiteren Reise zusammen mit Senor Silva als Lotse und Pfadfinder fungieren. Die ‚Golden Hind‘ wird den beiden anderen Schiffen stets voraussegeln. Sie also tragen für unseren Verband die volle Verantwortung. Sie erhalten von mir jede nur erdenkliche Unterstützung. Suchen Sie sich für Ihre schwere Aufgabe aus den Besatzungen die Männer, die Ihnen am geeignetsten erscheinen. Aber ich nehme an, daß Sie auf Ihre alte Isabella-Crew zurückgreifen werden?“
Der Seewolf nickte. Er wußte, daß er keine besseren Männer finden konnte. Ganz davon abgesehen konnte er sich auf jeden einzelnen Mann seiner Crew hundertprozentig verlassen.
„Gut“, fuhr Drake fort, „das wäre geklärt. Ab sofort wird auf allen Schiffen mit einer gründlichen Überholung begonnen, mit genauer Durchsicht der Takelage, des Rumpfes, der Geschütze, einer strengen Überprüfung der Handfeuerwaffen. Das ist eine Menge Arbeit – sorgen Sie dafür, meine Herren, daß unverzüglich begonnen wird. Und richten Sie sich mit Ihrer Arbeit so ein, daß Sie auf allen Schiffen bis spätestens morgen früh fertig sind. Beim ersten günstigen Wind nach diesem Termin geht unser Verband ankerauf, Kurs Süd. Meine Herren, ich danke Ihnen!“
Die Gentlemen erhoben sich, soweit sie am langen Konferenztisch der Kapitänskammer Platz genommen hatten. Kapitän Thomas und Kapitän Winter eilten an Deck, um an Bord ihrer Schiffe zurückzukehren. Der portugiesische Lotse, Nuno da Silva, ein dünner, schwarzhaariger Mann mit Knebelbart und stechenden schwarzen Augen ging ebenfalls an Deck der „Golden Hind“. Lediglich Hasard blieb noch mit gekreuzten Armen am Fenster stehen.
Drake warf ihm einen fragenden Blick zu.
„Was gibt es, Killigrew?“ fragte er schließlich, und ein kaum wahrnehmbares Lächeln spielte um seine Lippen.
„Sir, Sie sollten darauf achten, daß John Doughty sich grundsätzlich am Bord der ‚Golden Hind‘ befindet. Ich müßte mich sehr täuschen, wenn er nicht Arges gegen Sie ausbrütet. Desgleichen sollten Sie ein wachsames Auge auf den Kaplan behalten. Diese beiden Männer stecken mir zu oft die Köpfe zusammen, und intrigant sind sie beide.“
Der Seewolf machte eine Pause, seine eisblauen Augen funkelten.
„Ich habe ein paar meiner Männer beauftragt, die beiden nicht aus den Augen zu lassen. Unter anderem Ben Brighton, der als mein Bootsmann fast immer an Bord der ‚Golden Hind‘ sein wird. Das war das eine, was ich Ihnen sagen wollte, Sir. Das andere, das ich absichtlich nicht vorhin während der Besprechung erwähnt habe, betrifft die ‚Marygold‘.“
Drake hob unwillkürlich die Augenbrauen.
„Wollen Sie etwa andeuten, daß John Thomas sich ebenfalls an Konspirationen gegen mich beteiligt hat?“
Drake trat unwillkürlich auf Hasard zu. Doch der schüttelte den Kopf.
„Nein, um Himmels willen, nein!“ wehrte er ab. „John Thomas – der würde sich eher in Stücke schlagen lassen, als auch nur einen einzigen Finger gegen Sie zu erheben, Sir. Nein – es betrifft sein Schiff. Die ‚Marygold‘ befindet sich in einem schlechten Zustand. Sie hat zu viele Schäden erlitten, die sich hier in der Bucht nicht ausreichend beheben lassen. Hinzu kommt, daß dieses Schiff zwar von einem hervorragenden Kapitän gesegelt wird, aber die Besatzung von John Thomas ist nicht mit der unseren zu vergleichen. Um es ganz klipp und klar auszusprechen, Sir: Ich weiß nicht, ob die ‚Marygold‘ den Anforderungen der bevorstehenden Reise noch gewachsen ist.“
Drake stand nur knapp zwei Schritte vor dem Seewolf. Er sah den nochgewachsenen Mann mit den schwarzen Haaren, dem braungebrannten und von Wind und Wetter gegerbten Gesicht aufmerksam an. Er wußte ganz genau, daß gerade der Seewolf eine solche Behauptung niemals aufstellen würde, wenn er sich nicht zuvor genau von ihrer Richtigkeit überzeugt hätte. Und darum war das für Drake eine üble, eine schlimme Nachricht, nachdem sein Verband bereits auf drei Schiffe zusammengeschmolzen war.
„Haben Sie mit Thomas darüber gesprochen, Mr. Killigrew?“ fragte er schließlich.
Hasard nickte.
„Thomas ist über den Zustand der ‚Marygold‘ völlig im Bilde. Er tut, was er kann. Aber er würde sich eher die Zunge abbeißen, als Ihnen etwas zu sagen.“
Drake nickte nachdenklich.
„Sei es, wie es sei“, sagte er dann leise. „Ich kann die ‚Marygold‘ weder hier zurücklassen noch nach England schicken. Ich kann die ‚Marygold‘ und einen Mann wie John Thomas nicht entbehren. Aber ich werde darüber nachdenken, ob wir nicht nach der Durchsegelung der Magellanstraße an einem geeigneten Platz versuchen sollten, die ‚Marygold‘ einer gründlichen Überholung zu unterziehen. Die Durchsegelung der Magellanstraße jetzt abermals zu verschieben, daß hieße dem Aberglauben der Mannschaften neue Nahrung zu geben, den Miesmachern und Schwarzsehern unter den Leuten Wasser auf ihre Mühlen zu gießen. Das hieße auch Leuten wie John Doughty den Boden für ihre Intrigen zu bereiten. Nein – es bleibt bei meinem Entschluß: Wir segeln von morgen früh an gerechnet beim ersten günstigen Wind. Aber es war gut, daß Sie mich informiert haben.“
Der Seewolf sah Drake einen Moment an. Drake hatte recht – sie mußten segeln, mußten Port St. Julian verlassen, und zwar so schnell wie möglich. Diese Bucht war bestimmt kein guter Platz. Zuviel hatte sich hier ereignet. Vor achtundfünfzig Jahren hatte Magellan hier eine Meuterei blutig niedergeschlagen und die Meuterer an einem weithin sichtbaren Galgen am Strand der Bucht unverzüglich hängen lassen. Bei ihrer Landung hatten Hasard und seine Männer die Schädel der Toten und Überreste des Galgens vorgefunden. Dann der überraschende Angriff der Patagonier, die plötzlich hinter den Felsen hervorgestürmt waren. Und schließlich das Bordgericht und die Hinrichtung Sir Doughtys – nein, es wurde wirklich Zeit, daß den Besatzungen der Schiffe