Seewölfe - Piraten der Weltmeere 17. John Curtis

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 17 - John  Curtis


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einen seiner Männer, in die weit aufgerissenen Augen. Jonas war ein zerknitteter alter Fahrensmann. Er hatte schlohweißes Haar, ein tiefbraunes, von vielen Falten durchzogenes Gesicht, sein Körper wirkte ausgemergelt wie der eines indischen Fakirs. Aber dieser Eindruck täuschte – denn Jonas, dessen richtigen Namen an Bord niemand kannte, war ein zäher und äußerst flinker Toppgast, der sich vor keinem Sturm, vor keinem Wetter je gefürchtet hatte und sogar nachts im heulenden Orkan mit traumwandlerischer Sicherheit auf den Rahen arbeitete, wenn es galt, Segel im Sturm zu bergen, ganz gleich, wie stark das Schiff dabei rollte oder stampfte.

      Kapitän Thomas sah seine weit aufgerissenen Augen, sah, wie er dann auf die an Deck liegenden Knochen blickte und sein Körper in sich zusammenzuschrumpfen schien.

      Kapitän Thomas konnte die Knochen nicht sehen, denn Jonas verdeckte sie mit seinem Körper. Mit einem raschen Schritt war Thomas um den Alten herum, dann blieb er selber wie erstarrt stehen und blickte auf die Knochen, die da vor ihm auf den Decksplanken lagen.

      John Thomas spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Die weißen, dünnen Vogelknochen, die Jonas auf jeder seiner Reisen stets bei sich führte und aus denen er den Männern der Besatzung die Zukunft las, hatten auf den Decksplanken drei Kreuze gebildet.

      Kapitän Thomas konnte nicht anders, sein Blick sog sich an diesen drei unheimlichen Kreuzen fest, während sich die Männer seiner Besatzung, die auf das seltsame Gebaren der beiden Männer längst aufmerksam geworden waren, von allen Seiten heranschoben.

      Wieder hob Jonas den Blick. Und dem Kapitän schien es, als ginge der Blick seiner grauen Augen durch ihn hindurch. Das Gesicht des Alten glich einer starren Maske. Dann fuhren seine Hände über die Planken und rafften die Knochen zusammen, noch bevor die Männer der Besatzung so weit heran waren, daß sie die drei Kreuze erkennen konnten.

      Ruckartig richtete sich Jonas vor dem Kapitän auf. Seine grauen Augen, deren Blick immer noch in unergründliche Fernen starrte, schienen sich ins Riesenhafte zu vergrößern. Die Stimme des Alten vernahm Kapitän Thomas, der die Bedeutung dieser verhängnisvollen drei Kreuze nur zu gut kannte, wie in Trance.

      „Wir müssen sterben, Kapitän“, flüsterte der Alte. „Alle. Das Meer wird unser Schiff verschlingen, keiner kehrt zurück, Kapitän. Keiner ...“

      Der Alte verstummte. Nur mühsam kämpfte sich Kapitän Thomas in die Wirklichkeit zurück. Seine Pulse hämmerten. Er starrte in die fragenden, ängstlichen Gesichter seiner Männer, und das gab ihm endlich die notwendige Kraft.

      „Wollt ihr wohl an eure Arbeit gehen? He! Was gibt es hier zu gaffen? Profos! Ziehen Sie jedem Mann, der hier noch herumsteht und Löcher in die Luft gafft, eins mit der Neunschwänzigen über.“

      Der Profos der „Marygold“ schoß heran, aber er kam zu spät, denn die Männer hatten sich längst wieder aus seiner Reichweite gebracht.

      Unwillkürlich hielt Kapitän Thomas nach Jonas Ausschau. Aber der Alte war und blieb verschwunden.

      Der Kapitän mußte sich zusammenreißen, um seinen Rundgang durch das Schiff fortzusetzen. Der Schreck, der ihm in die Glieder gefahren war, wich auch nicht, als er längst wieder in der geräumigen Kammer im Achterkastell der „Marygold“ war und sich aus der Rumflasche einen gehörigen Schluck genehmigte. Und wieder drang das dumpfe Trommeln aus den Bergen bis in seine letzten Nervenenden. Manchmal war ihm sogar, als höre er einen monotonen Sing-Sang, der von dort zur Bucht herüberdrang.

      John Thomas ächzte, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte. Er kannte Jonas, den Seher, wie ihn die Mannschaft nannte. Er wußte, daß auf die „Marygold“ und ihre Männer Unheil lauerte.

      Die Nacht, die sich nach einem anstrengenden Tag über Port St. Julian senkte und in der wieder die Feuer ferner Vulkane loderten, verlief ruhig. Zwar trommelten diese unheimlichen Eingeborenen nach wie vor in ihren Bergen, und manchmal schien es auch, als rücke der Klang der Trommeln näher, aber es geschah nichts. In der zweiten Nachthälfte briste es auf. Von der offenen See her drangen Wellen mit weißen Schaumkronen in die Bucht. Die drei Schiffe begannen, an ihren Ankertrossen zu zerren. Francis Drake und der Seewolf standen auf dem Achterkastell der „Golden Hind“.

      „Es ist soweit, Mr. Killigrew. Sobald der Morgen graut, segeln wir“, sagte Drake. „Und noch etwas. Ich wünsche, daß mein Bruder und mein Neffe in Ihre alte Isabella-Crew eingegliedert werden. Beide sind noch reichlich grün hinter den Ohren, es wird Zeit, daß sie zu richtigen Männern werden. Ihre Crew ist dafür die Gewähr. Sie werden behandelt wie jeder andere Mann an Bord auch. Ich wäre Ihnen dankbar, Mr. Killigrew, wenn Sie alles Diesbezügliche veranlassen würden.“

      „Aye, aye, Sir!“ Der Seewolf grinste. Drake war ein Mann nach seinem Geschmack. Da gab es keine verzogenen Muttersöhnchen mit besonderen Privilegien. Nun gut, seine Crew würde sich schon um die beiden Bengels kümmern, und das würde eine verdammt harte, aber dafür erstklassige Schule werden.

      Mit dem ersten Morgengrauen, eine halbe Stunde, nachdem Tim Brewer, der blutjunge Trompeter Drakes, zum Wecken geblasen hatte, lichteten die „Golden Hind“, die „Marygold“ und die „Elizabeth“ ihre Anker. Man schrieb den 17. August 1578, und es wehte eine steife Brise aus Nordost. Hell leuchteten die windprallen Segel in der Sonne. Tausende von scharfen Augen folgten den drei Schiffen und beobachteten jede ihrer Bewegungen. Und in diesem Moment waren sogar die großen Trommeln der Patagonier verstummt.

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