Der Löwe von Flandern. Hendrik Conscience

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Der Löwe von Flandern - Hendrik Conscience


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fuhr Adolf entrüstet auf, „nein, Meister De Coninck, in mir pocht ein Herz, das allen Franzosen feind ist; meine Bitte an Euch sollte gerade gegen sie gerichtet sein.“

      „O Herr, dann sprecht frei heraus, ich stehe zu Euren Diensten.“

      „Schön. Also Ihr wißt, daß unser Graf Gwijde mit all' seinen Edlen gefangen ist; noch aber ist jemand in Flandern verblieben, die, aller Hilfe, alles Beistands bar, des Mitleids der Vlaemen um ihres Unglücks und ihrer edlen Abkunft willen wert ist.“

      „Ihr sprecht von Jungfrau Machteld, der Tochter des Herrn van Bethune,“ fiel De Coninck ein.

      „Woher wißt Ihr das?“ fragte Adolf erstaunt.

      „O, ich weiß noch mehr. So heimlich habt Ihr Machteld nicht in Eure Wohnung bringen können, daß De Coninck es nicht gewußt hätte, und sie würde sie auch nicht ohne mein Wissen verlassen haben. Aber seid nur ruhig; ich kann Euer Edeln versichern, daß nur wenige Personen in Brügge außer mir um dieses Geheimnis wissen.“

      „Meister, Ihr seid ein wunderlicher Mann; doch Euer Edelmut bürgt mir dafür, daß Ihr die junge Tochter des Löwen von Flandern gegen die Gewalt der Franzosen beschützen werdet, falls es nötig wäre.“

      De Coninck entstammte wohl dem Volke, aber er war einer jener seltenen Geister, die durch Verstand und Einsicht die geborenen Beherrscher ihrer Mitmenschen sind. Kaum hatten die Jahre seine Gabe zur Reife gebracht, da rüttelte er seine Brüder aus ihrem trägen Schlummer, überzeugte sie von der Macht der Einigkeit und erhob sich mit ihnen wider die Zwingherren. Die wollten freilich das Erwachen ihrer einstigen Sklaven gewaltsam hindern, doch vergeblich: De Conincks Beredsamkeit hatte den Geist seiner Brüder so hoch gestimmt, daß sie kein Joch mehr tragen mochten. Wurden sie dennoch bisweilen mit bewaffneter Hand unterdrückt, so beugten alle demütig den Nacken, und De Coninck tat, als ob ihm Sprache und Verstand fehle; aber sein rastloser Geist ruhte nicht: Kaum hatte er den Mut seiner Brüder in der Stille wieder gestählt, so standen sie vereint gegen die Bedrücker auf, und die Gemeinde erlangte wieder ihre Freiheit. Alle politischen Pläne der Edelleute zerstoben vor De Conincks Geist, und durch ihn sahen sie all ihre Rechte auf das Volk schwinden, ohne es hindern zu können. Entschieden hat De Coninck mit am meisten das Verhältnis der Edlen zum Volke umgestaltet; all sein Planen galt lediglich der Erhebung eines Volkes, das so lange in der niederen Knechtschaft der Lehensherren geschmachtet hatte.

      Als Adolf van Nieuwland die junge Machteld seinem Schutz anvertraute, da lächelte er befriedigt, denn das war ja ein Triumph des Volkes, welches er vertrat. Er berechnete die Vorteile, die ihm bei der Ausführung des großen Befreiungsplanes aus der Gegenwart des durchlauchtigsten Edelfräuleins erwachsen konnten.

      „Herr van Nieuwland,“ antwortete er, „Eure Bitte ehrt mich sehr. Alles soll zum Schutz eines so edlen Sprosses geschehen.“ Und um die Bedeutung des Volkes noch mehr zu unterstreichen, fügte er hinzu:

      „Aber sie könnte von hier entführt werden, noch ehe ich ihr zu Hilfe kommen kann.“

      Das erzürnte Adolf sehr, denn er schloß daraus, daß der Obmann nicht so recht bei der Sache war. Deshalb erwiderte er:

      „Wenn Ihr uns nicht tatkräftig helfen könnt, Meister, so ratet mir bitte, was man am besten zum Schutze der Tochter unseres Landesherrn tun könnte.“

      „Die Weberzunft ist stark genug, um das Edelfräulein vor allem Unheil zu bewahren,“ antwortete De Coninck listig; „ich kann Euch versichern, sie würde hier in Brügge ebenso sicher wie in Deutschland wohnen können, wenn ich sie beraten dürfte.“

      „Aber wer hindert Euch daran?“ fragte Adolf.

      „O Herr, ein geringer Bürger kann nicht so ohne weiteres über seine Landesherrin verfügen; sollte es ihr aber belieben, künftig meinem Rate zu folgen, so könnte ich für sie einstehen.“

      „Ich verstehe Euch nicht recht, Meister. Was verlangt Ihr denn von der Jungfrau? Ihr wollt sie doch nicht anderswohin bringen?“

      „O nein; – aber sie dürfte sich nicht ohne mein Wissen auf die Straße begeben, sich auch nicht weigern, auszugehen, wenn ich es für nötig halte. Übrigens soll es Euch freistehen, mir diese Vollmacht zu entziehen, sobald Ihr an meiner Aufrichtigkeit zweifelt.“

      Da De Coninck in Flandern für einen der verständigsten Männer galt, so nahm Adolf an, daß sein Verlangen von Vorsicht diktiert war, und gestand ihm deshalb alles zu, unter der Bedingung, daß er persönlich für die Jungfrau einstehe. Der Obmann machte alsdann darauf aufmerksam, daß er die edle Machteld nicht kannte, und deshalb wurde sie von Maria herbeigeholt.

      De Coninck verbeugte sich tief und demütig vor ihr; das Mägdelein aber betrachtete ihn erstaunt, denn es wußte nicht, wer er war. Da hörte man plötzlich Lärm auf dem Gang, als ob zwei Menschen sich stritten.

      „So wartet doch!“ rief einer von ihnen, „ich will gehen und fragen, ob Ihr eintreten dürft.“

      „Was?“ rief eine andere noch gewaltigere Stimme, „Ihr wollt die Fleischer fernhalten, während die Weber zugelassen werden? Rasch, macht Platz, oder Ihr werdet es bereuen!“

      Die Tür ging auf, und ein junger kräftig gebauter Mann mit stolzen Zügen trat ins Zimmer. Er trug ein Koller wie De Coninck, nur war es geschmackvoller verziert. Ein großes Kreuzmesser steckte in seinem Gürtel. Als er in das Zimmer trat, warf er sein langes blondes Haar zurück und blieb verblüfft an der Tür stehen. Er hatte geglaubt, den Obmann der Weber mit einigen seiner Genossen zu finden. Als er jetzt aber diese herrliche Jungfrau und vor ihr De Coninck in demütiger Haltung erblickte, wußte er nicht, was er denken sollte. Doch ließ er sich weder hierdurch, noch durch Meister Rogaerts forschende Blicke außer Fassung bringen. Er entblößte sein Haupt, verbeugte sich hastig vor allen anwesenden Personen und ging stracks auf De Coninck zu. Dem klopfte er freundschaftlich auf die Schulter und meinte:

      „Meister Peter, ich suche Euch schon seit zwei Stunden in der ganzen Stadt, aber ich konnte Euch nirgends finden. Ihr wißt ja noch nicht, was vorgeht, was ich Euch für Nachrichten bringe.“

      „Nun, was gibt es denn, Meister Breydel?“ fragte De Coninck ungeduldig.

      „Starrt mich doch nicht so mit Eurem grauen Auge an,“ rief Jan Breydel, „denn Ihr wißt wohl, daß ich mich vor Eurem Katzenblick nicht fürchte. Doch einerlei – wisset denn, König Philipp der Schöne und die verfluchte Johanna von Navarra kommen morgen nach Brügge. – Und die sauberen Herren vom Magistrat haben hundert Weber, vierzig Fleischer, und ich weiß nicht wie viele noch zum Herrichten von Triumphbogen, Wagen und Schafotten verlangt.“

      „Und was besagt denn das so Außerordentliches, daß Ihr so lauft?“

      „Wie, Meister! – was das besagt? Mehr, als Ihr denkt; denn nicht ein einziger Fleischer mag helfen, und dreihundert Weber warten auf Euch vor dem Pand[19]. Was mich betrifft, so sollen sie nur warten, bis ich mich für die rühre. Die Goedendags[20] stehen bereit, die Messer sind geschliffen. Ihr wißt wohl, was das bei meiner Zunft besagen will.“

      Die Anwesenden lauschten neugierig den ungezwungenen Worten des Fleischers. Seine Stimme war angenehm und wohlklingend, ohne die Weichheit einer Frauenstimme. De Coninck bedachte, daß Breydels Vorhaben heikel war und antwortete daher:

      „Meister Jan, ich komme mit; wir werden unter uns die nötigen Maßnahmen treffen. Erst aber erkennet in dieser edlen Jungfrau die Tochter von unserem Herrn Robrecht van Bethune!“

      Breydel warf sich bestürzt vor Machteld auf die Knie, blickte zu ihr auf und rief:

      „O meine durchlauchtigste Gebieterin! vergebt mir die unbesonnenen Worte, die ich ahnungslos vor Euch sprach. Die edle Tochter des Löwen von Flandern, unseres Herrn, möge es einem geringen Bürger nachsehen.“

      „Steht auf, Meister,“ antwortete Machteld freundlich. „Eure Worte haben mich nicht verletzt; denn Liebe zum Vaterland und Haß gegen unsere Feinde gaben sie Euch ein. Ich danke Euch für Eure Treue.“

      „Gnädige Gräfin,“


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