Butler Parker Jubiläumsbox 5 – Kriminalroman. Günter Dönges

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Butler Parker Jubiläumsbox 5 – Kriminalroman - Günter Dönges


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Drang des Augenblicks, gezwungen, die Hände frei zu bekommen, ließ er zudem auch noch die langstielige Axt aus der Hand gleiten. Sie landete unglücklicherweise genau auf seinem linken Fuß. Der »Große Drache« heulte gereizt auf und hielt es für richtig, sich durch einen schnellen Sprung hinter das Holzkreuz vor einer endgültigen Blamage in Sicherheit zu bringen.

      Während die Lachsalven die Nacht erschütterten, setzte sich eine schwarz gekleidete Gestalt von der Szenerie ab. Diese Gestalt, die die Versammlung von einer Strauchreihe aus beobachtet hatte, schritt gemessen und ohne Hast zurück zur nahen Straße …!

      *

      John Brewster, Herausgeber und einziger Redakteur der »Alexander City Review«, saß in seinem kleinen Glasverschlag hinter der Druckerei, die ihm als Büro diente. Der untersetzte, dicke Mann mit dem schütteren Haar und den hellen, intelligenten Augen, überlas noch einmal seinen Artikel, der in der morgigen Ausgabe seiner kleinen Zeitung erscheinen sollte. Brewster rauchte eine Zigarre und sah wiederholt auf, wenn ihm eine Passage besonders gut gefiel.

      Er hatte vom Leder gezogen und kein Blatt vor den Mund genommen. Er geißelte die Dummheit und Intoleranz einer großen Gruppe von Mitbürgern, die sich in einem sogenannten »Weißen Bürgerrat« zusammengeschlossen hatte. Mitglieder dieser Vereinigung wollten das Rad der Geschichte zurückdrehen und jene Zustände wiederherstellen, die einst auf den Baumwollfeldern der Südstaaten geherrscht hatten.

      Diese »Weißen Bürgerräte« bekämpften die Neger mit allen Mitteln. Sie verweigerten ihnen das Recht, Schulen und Hochschulen zu besuchen. Sie wollten den Negern das Wahlrecht beschneiden und sie in Gettos zusammendrängen.

      Seit Monaten schon wurden diese »Bürgerräte« immer aufdringlicher und aktiver. Seitdem Neger sich zu den »Friedensfahrern« zusammengeschlossen hatten und in Bussen durch die Stadt Alabama fuhren, näherten sich die Dinge ihrem Höhepunkt.

      In den großen Städten Alabamas war es bereits zu wilden Schlägereien gekommen. Busse wurden angehalten, die farbigen Insassen verprügelt und ihre Fahrzeuge verbrannt. Die örtlichen Polizeibehörden versuchten, sich aus diesen Schlägereien herauszuhalten. Einheiten der Mobilgarde, die vom Justizminister in Bewegung gesetzt wurden, schafften es kaum, den verfassungsmäßig garantierten Rechten der Farbigen Geltung zu verschaffen.

      Sie standen einer einzigen, großen Verschwörung gegenüber. Der Ku-Klux-Klan unseligen Angedenkens hielt wieder seine Femegerichte. Mit Drohung und Gewalttätigkeit terrorisierten sie die Vernunft. Wer sich ihrem Willen nicht beugte, wurde entweder von seinen Mitbürgern geächtet oder aber mißhandelt. Die Flammenkreuze brannten allenthalben im Staate Alabama. Mitglieder des Ku-Klux-Klan verbargen sich hinter der Anonymität ihrer weißen Umhänge und Kapuzen. Keiner wußte genau, wer sein Mitbruder im Klan war. Und gerade diese Anonymität war mit ein Hauptgrund dafür, daß diese Anhänger des Terrors so schlecht bekämpft werden konnten. Die Behörden wußten einfach nicht, gegen wen sie Anklage erheben sollten.

      All das wußte John Brewster nur zu genau. Seit Wochen schon führte er einen kleinen, privaten Feldzug gegen den Ku-Klux-Klan. Er entwickelte dabei einen Mut, der beispielhaft zu nennen war. Der untersetzte, dickliche Mann fürchtete sich nicht. Es machte ihm auch nichts aus, daß die Auflage seiner kleinen Zeitung stetig sank. Die vernünftigen Mitbürger wagten es einfach nicht, seine Zeitung zu kaufen. Nur weil es sich bei der »Alexander City Review« praktisch um einen Einmann-Betrieb handelte, konnte Brewster bisher durchhalten. Er hatte keine Löhne zu zahlen und war selbst sehr anspruchslos.

      In dieser Nacht nun wollte Brewster in seinem. Artikel Namen nennen. Er hatte Informationen erhalten, die die Sprengkraft einer Bombe besaßen. Er glaubte nun endlich zu wissen, wie die Anführer des Ku-Klux-Klans hier im Tallapoosa-County hießen. Sein Verdacht hatte sich bestätigt. Er war schon immer auf der richtigen Fährte gewesen. Unter dem Deckmantel des Ku-Klux-Klans betätigten sich einige Männer, die bereits mehrfach vorbestraft waren. Von der Veröffentlichung seines Artikels versprach Brewster sich eine Sensation, aber auch eine endgültige Klärung. Erfuhren die Dummköpfe in den Reihen des Klans erst einmal, wer der »Große Drache« war, würden sie diesen Mann wie ein heißes Stück Eisen fallen lassen.

      Brewster hatte die Korrektur beendet. Er stand auf und trat an das breite, niedrige Fenster. Er sah hinaus in die Nacht und drückte dabei die heiße Stirn gegen die kühle Fensterscheibe. Es war drückend schwül in dieser Nacht. Vom nahen Tallapoosa Creek her kam das Quaken der Frösche. Selbst durch das fast geschlossene Fenster konnte er den erdigen, etwas faulen Duft des Flusses riechen. Brewster liebte seine Heimat. Hier war er geboren, und hier wollte er eines Tages auch sterben. Trotz seiner vielseitigen Begabungen hatte es ihn nie verlangt, in die nahe gelegene Hauptstadt des Staates Alabama zu ziehen. Montgomery konnte ihn nicht reizen. Dort hatte sich die wilde Ursprünglichkeit des Landes bereits verloren.

      Er schrak zusammen, als das Telefon schrillte. Wer mochte ihn um diese Zeit sprechen wollen? Sofort dachte er an seine kränkliche Frau, die in einem kleinen Landhaus nahe des Creek wohnte.

      »Brewster …!« meldete er sich, nachdem er den Hörer abgehoben hatte.

      »Ich fürchte, Sir, Sie werden mich nicht kennen«, ertönte eine dunkle, würdevolle Stimme. »Mein Name tut nichts zur Sache, wenngleich ich es hasse, anonym auftreten zu müssen. Ich möchte nicht verfehlen, Sie zu warnen. Ich wurde Augen- und Ohrenzeuge einer seltsamen Verhandlung, die aller Wahrscheinlichkeit nach vom Ku-Klux-Klan abgehalten wurde. Im Verlauf dieser Versammlung wurde Ihr Name erwähnt. Ohne Sie in Schrecken versetzen zu wollen, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie noch in dieser Nacht vom Ku-Klux-Klan besucht werden sollen. Was ich hörte, klang für Sie nicht besonders erfreulich oder gut.«

      »Wer … wer sind Sie?« fragte Brewster mit heiserer Stimme.

      »Bei passender Gelegenheit werde ich mich Ihnen vorstellen«, antwortete die Stimme. »Denken Sie jetzt bitte an Ihre Sicherheit! Ich allein dürfte wohl kaum ausreichen, Sie zu schützen!«

      »Soll das etwa ein Trick sein, um mich in Angst zu jagen?« Brewster hatte sich schon wieder gefaßt. Er kannte ähnliche Anrufe. Sie alle dienten nur dem Zweck, ihn mundtot zu machen.

      »Nehmen Sie meine Warnung nicht auf die leichte Schulter«, beschwor ihn die Stimme eindringlich. »Gestatten Sie, daß ich mich jetzt verabschiede. Ich möchte einige Dinge einleiten, die Ihrer Sicherheit dienen.«

      Es knackte in der Leitung. Brewster schüttelte den Hörer und ließ ihn dann zurück in die Gabel fallen. Er gestand sich ein, daß er solch einen Anruf noch nie erhalten hatte. Ungewöhnlich korrekt, fast steif und umständlich hatte der Mann am Telefon gesprochen. Sollte diese Warnung doch keine Finte sein?

      Brewster überlegte einen Augenblick, dann griff er nach dem Hörer und wollte seine Frau anrufen, die um diese Zeit bestimmt noch nicht schlief. Seit ihrer Lähmung, die durch einen Sturz vom Pferd verursacht worden war, las Maud bis tief in die Nacht hinein.

      Die Leitung war unterbrochen. Brewster merkte es sofort. Eine eisige Hand griff nach seinem Herzen. Gleichzeitig aber brach ihm der Schweiß aus. Er liebte seine Frau, die seit der Lähmung ganz auf seine Hilfe angewiesen war.

      Ohne sich um den korrigierten Artikel weiter zu kümmern, griff er nach seinem Hut, löschte das Licht im Büro und hastete hinaus in die Nacht.

      Er wußte nicht, daß er bereits von vielen Augen beobachtet wurde!

      *

      Butler Joshua Parker, der nicht nur die faule Tomate geworfen, sondern gerade auch den Redakteur John Brewster gewarnt hatte, befand sich in einer schwierigen Situation. Ohne fremde Hilfe war er einfach nicht in der Lage, Brewster vollkommen abzuschirmen. Dazu hätte er sich mehrfach teilen müssen. Hinzu kam, daß er in Alexander City fremd war. Hier hielt er sich erst seit knapp zwei Tagen auf.

      Er tat also das, was jeder Bürger in solch einer Lage getan hätte, er rief das Büro des Sheriffs an.

      Ein Hilfssheriff Manters, der den Apparat bediente, meldete sich. Josuah Parker verzichtete in Anbetracht der Zeitkürze auf alle Schnörkel und forderte sofort Hilfe für John Brewster an.

      »Mit wem spreche ich?« fragte


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