Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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sind alle nett. Sie reden ein bißchen viel. Mußt wissen, daß sie dich als erstes ausfragen werden. Sie sind eben etwas neugierig. Ansonsten ist eben der Schreibkram zu machen und mir zu assisstieren.«

      Doktor Martin Engler zeigte Karin die Praxisräume und gab ihr einen weißen Kittel.

      »Da habe ich noch die Paste. Die soll für den Victor sein, Herr Doktor.«

      »Nix Doktor! I bin der Martin! I bin hier in Waldkogel aufgewachsen. Dann hab’ i studiert und dann bin i wieder zurückgekommen. Alle sagen Martin zu mir, bis auf ein paar Zugereiste und die Feriengäste. Des is auch in Ordnung so. Wollens auch so halten, Karin. Bist ja auch eine Freundin von Anna.«

      Karin schaute ihn etwas verlegen an.

      »Ich werde es versuchen, Herr Doktor – ich meine Martin. In dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, ist es nicht so.«

      »Das ist klar. Hier in Waldkogel ist alles ganz unförmlich. Die Leute sind freundlich. Das kommt auch daher, daß sie sehr zufrieden sind. Ursache dafür ist, weil sie mit der Natur im Einklang leben. Es gibt wenig Streß, weil sie sich keinen Sreß machen.«

      Er lachte.

      »Sieht man mal davon ab, daß sie sehr gestreßt werden, wenn sie zum Nichtstun verurteilt sind, weil sie mal wirklich krank sind und das Bett hüten müssen. Das paßt ihnen gar nicht. Sobald sie sich auch nur ein kleines bißchen besser fühlen, stehen sie wieder auf. Deshalb mußt du wissen, daß ich bei der Beschreibung der Krankheit, wenn ich Ruhe verordne, ordentlich übertreibe. Dann dramatisiere ich notwendigerweise. Das mußt wissen, Karin.«

      Er schmunzelte.

      »Ein gutes Beispiel für Ungeduld ist der Victor Reichler mit seiner Quetschung. Er hat wirklich Glück gehabt. Er hätte einen Trümmerbruch haben können. Da müssen alle Engel auf dem ›Engelssteig‹ schützend ihre Hände über ihn gehalten haben. Jetzt jammert er und ist fast böse mit mir, daß die Schwellung und der Bluterguß nicht über Nacht verschwinden. Fast täglich kommt er auf den Krücken in die Praxis. Er hätte gern ein Wunder, aber mit diesem Wunsch muß er sich an Pfarrer Zandler wenden. Ich habe ihm gesagt, daß er so glimpflich davon gekommen ist, sei schon ein Wunder an sich. Na ja, ich muß ja später vorbei. Karin, verstehe mich richtig, der Victor ist sogar mein Freund. Vielleicht macht das die Sache noch schwieriger.«

      »Ich kann bei Victor vorbeigehen und die Paste abgeben.«

      »Das ist eine gute Idee!«

      »Was ist das für eine Paste?«

      »Die mixt die Waldnerin zusammen. Wir nennen sie auch die ›Kräuterhexe‹ hier in Waldkogel. Sie hat das, was sie weiß, von ihrer Mutter und Großmutter gelernt und die beiden von den Frauen davor. Die Paste, ich nehme an, daß da Schmalz drin ist, irgendeine fettige Substanz und Kräuter. Ob die Paste wirklich heilt? Das weiß ich nicht. Vielleicht ist es auch der Hokuspokus dabei, der Glaub’ seit vielen, vielen Jahren, daß es hilft.«

      Er runzelte die Stirn.

      »Weißt, Karin, mich stört das nicht. Ich habe da so meine eigene Theorie. Die Leute sind hier sehr naturverbunden. Des Zeug, die Kräuter und Wurzeln, die die Ella Waldner da reintut, die sind eben alle von den Bergen hier. Vielleicht liegt darin die Kraft und Stärke. Die Berge sind mächtig. Sie haben die Kraft, zu trösten und verbreiten Stille und Frieden. Der Anblick der Berge heilt jedes wunde Herz, und jede wunde Seele findet Erfrischung. Vielleicht geht dieser Zauber durch die Kräuter, die die Ella auf den Bergwiesen und im Wald sammelt, da hinein.«

      »Ich verstehe, was du sagen willst, Martin! Ich werde später dem Victor die Paste bringen.«

      *

      Tonis Eltern ließen Karin das Zimmer von Toni und Anna bewohnen, während sie die Aushilfe beim Doktor war. Abends, auf dem Weg zu den Baumbergern, fuhr Karin auf dem Reichler Hof vorbei. Es war schon sehr spät, denn die Abendsprechstunde war voll gewesen, wie so oft. Die Waldkogeler dachten erst an ihre Gesundheit, wenn das Tagwerk auf den Höfen getan war.

      Auf dem Reichler Hof saß Victor auf der Bank vor dem Haus. Seinen Fuß hatte er auf einen Hocker gelegt. Karin parkte ihren Wagen auf der Straße und ging auf Victor zu.

      »Guten Abend! Ich bin die Karin, eine Freundin von Anna. Ich bin Krankenschwester und helfe dem Martin in seiner Praxis, bis er in drei Wochen eine neue Sprechstundenhilfe hat«, stellte sich Karin vor. »Der Martin schickt mich, dir die Paste zu bringen. Es steht drauf, wie man sie anwenden soll.«

      »Hoffentlich hilft das!«

      Victor Reichler begann, den Verband zu lösen.

      »Komm, laß mich das machen!« sagte Karin und fing wie selbstverständlich an, die Binde zu lösen.

      Victor lehnte sich zurück und ließ es geschehen. Während Karin neben ihm auf dem Hof kniete und vorsichtig und umsichtig den Verband löste, betrachtete Victor die junge Frau. Ihm gefiel, daß sie nur eine kurze Bemerkung gemacht hatte und dann still und hingebungsvoll handelte. Jeanette hätte geredet wie ein Wasserfall. Sie hätte sich auch niemals einfach auf den staubigen Boden des Hofes gekniet, selbst nicht in ihren ältesten Jeans. Mit großem Gefallen berachtete Victor Karins zierliche Hände.

      Langsam, unendlich sanft und rücksichtsvoll wickelte Karin vorsichtig die Binde ab. Sie betrachtete sich den Fuß von allen Seiten.

      »Sieht wirklich schlimm aus!« bemerkte sie leise und wiegte bedenklich den Kopf.

      Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. Victor nahm bewußt ihre großen blauen und sehr ausdrucksstarken Augen wahr. Es war ein ehrlicher Blick, ohne Falschheit. So einen Blick hatte er bei Jeanette nie gesehen. Karins Blick brannte sich tief in Victors Seele ein und nährte Sehnsüchte, die ihn noch nicht voll bewußt waren.

      »Tut es noch sehr weh?« fragte Karin voller Mitleid und Anteilnahme.

      Die lose Binde lag in ihrem Schoß. Sie begann sie aufzuwickeln.

      »Wenn i den Fuß ruhig halte, dann hab’ i keine Schmerzen. I darf nur net versuchen zu gehen. Dann tut’s schon weh.«

      »Wenn du willst, dann mache ich dir den Verband. Der war auch nicht gut gewickelt. Dann stört er beim Laufen nicht.«

      Statt einer Antwort reichte ihr Victor die alte Handcremedose mit Ella Waldners Wunderpaste.

      »Ich bin ganz vorsichtig, Victor. Falls es doch etwas schmerzt, dann

      tut es mir leid. Du mußt es gleich sagen.«

      Karin fettete ihre Fingerspitzen mit der Paste an und begann, den Mittelfuß einzureiben, von den Zehen aufwärts. Langsam in kreisenden Bewegungen massierte sie die Paste sanft ein, bis der Fuß rundum davon bedeckt war. Die Paste zog gleich ein.

      »So fertig! Hat es sehr weh getan? Bist sehr tapfer gewesen, Victor!«

      »Naa!« sagte Victor nur knapp.

      Er wagte es nicht auszusprechen, wie wohltuend diese Behandldung nicht nur seinem Fuß getan hatte, sondern auch seiner Seele. Karin strahlte Ruhe aus und Fürsorglichkeit. Geschickt wand sie die Binde um den Knöchel.

      »Die ist viel zu lang. So ein dicker Verband stört nur! Hast du eine Schere?«

      Victor griff in die Hosentasche seiner Lederhose.

      »Da hast mein Schweizer Taschenmesser. Wenn des net geht, dann kannst drin in der Küche eine Schere holen.«

      »Danke, das wird schon gehen. Ich habe auch so ein Taschenmesser. Sie sind gut! Meines ist oben bei meinem Gepäck auf der Berghütte.«

      Karin klappte das Messer aus, knickte die Binde und schnitt sie mit enem Ruck im Falz durch. Sie steckte den Zipfel unter den Verband. Dann schaute sie ihn an. Dabei hielt sie den Fuß mit beiden Händen fest.

      »Fertig! Schau, jetzt kannst sogar einen Socken drüberziehen und vielleicht sogar eine Sandale, wenn du die Riemchen weit stellst. Es ist ja nichts gebrochen. Wenn du rumhumpeln willst, dann probier’s. Wenn du Schmerzen bekommst, dann setzt du dich ganz von allein hin und legst den Fuß


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