Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.sagte er:
»Bis zur Berghütte rauf können wir mit dem Auto nicht fahren. Wir müssen alles rauftragen. Eine Straße gibt es da net. Deshalb is die Berghütte etwas ganz Besonderes. Ich hab sehr kämpft drum. Des erzähl ich dir ein anderes Mal.«
Gino stand auf der Ladefläche und reichte Toni das Holz. Es war schnell abgeladen.
»Bist ganz schön fertig, Gino, wie? Bist solch a Arbeit net gewöhnt, wie? Aber da gewöhnst dich schon dran, wirst sehen!«
Toni wollte den Lastwagen zu einer Alm zurückfahren. Von dort aus würde ihn der Knecht mit ins Tal nehmen. Gino sollte hier warten oder bereits den Berg hinaufgehen. Gino entschied sich, langsam vorauszugehen. Er war Toni dankbar, daß dieser nicht von ihm erwartete, daß er gleich Bretter mitnahm.
Gino machte sich auf den Weg. Sein Rücken schmerzte, alle Muskeln taten ihm weh. Langsam setzte er Schritt vor Schritt. Doch bald dachte er nicht mehr an# seine Wehwehchen. Die Bergewelt nahm ihn gefangen. Die Luft war klar und rein. Es war kühler als mitten in Waldkogel. Aus einem schmalen Wasserlauf zwischen Felsen trank er kühles frisches Wasser. Es schmeckte ihm besser als das feinste Tafelwasser, das er jemals getrunken hatte. Er kühlte sich seine Hände im kalten Wasser. Die Schmerzen wurden allmählich besser.
Dann sah er von weitem ein Haus. Das muß die Berghütte sein, dachte er. Er blieb stehen und besah sich die Hütte von weiten.
Hundegebell erschall hinter ihm. Er schaute sich um. Mir großen kräftigen Schritten kam Toni hinter ihm her. Er führte einen Hund im Geschirr vor sich her.
»Das ist Bello!« Mein Neufundländer! Der wird trainiert, Lasten zu tragen und ein Wägelchen zu ziehen. Dann kann er mir helfen, die Sachen den Berg heraufzuschaffen. Ich hatte ihn bei den Freunden auf der Alm gelassen.«
Die letzten Meter gingen sie nebeneinaner her.
Die Tür der Berghütte ging auf. Ein alter Mann trat heraus.
»Mei, Toni! Wen bringst denn da mit? Schon wieder ein Gast? I sag’s ja. Es wird sich schnell ‘rumsprechen, daß die Hütte wieder aufmacht, Toni!«
»Naa, Alois! Das ist kein Gast. Das ist der Gino Koppermann, der tut uns helfen. Der Albert schickt ihn. Das ist der Sohn von einem guten alten Freund, sagt der Weißgerber.«
Der alte Alois schaute mit seinen blauen Augen Gino ins Gesicht. Vor Begeisterung klatschte er in die Hände.
»Mei Gott! Sag bloß? Du bist der Sohn vom Isebert?«
»Ja, mein Vater ist Isebert Koppermann.«
»Mei, das ist ja eine Freud! Komm rein, mein Bub! Ich hab dein’ Vater gut gekannt. Einen ganzen Sommer war er damals bei mir auf der Berghütte. Ein Hallodri war er, als er gekommen ist. Als er gegangen ist, da war ein richtiger Mann aus ihm geworden.«
Gino spitzte die Ohren.
Toni zeigte Gino, wo er schlafen konnte. Dann setzten sie sich zu Tisch. Alois hatte schon die Brotzeit bereitet. Anschließend saßen sie draußen vor der Berghütte. Gino bemerkte, daß sich in ihm etwas veränderte. Alle Hektik fiel allmählich von ihm ab.
»Wie wunderbar still es hier ist! Ich# habe so etwas noch nie erlebt.«
Alois und Toni warfen sich Blicke zu.
»Ja, so ist das mit den Bergen. Darfst nicht denken, daß es hier ganz still ist, Gino. Man kann nur nix hören, Gino. Die Berge flüstern. Sie reden mit den Menschen. Die Leute müssen nur richtig lauschen.«
»Ich höre aber wirklich nichts, Alois.«
Alois lachte und zog an seiner Pfeife.
»So einfach ist das net, Bub. Du hörst die Berge net mit deinen Lauschern. Die Ohren sind dabei überflüssig. Die Berge kannst du nur mit dem Herzen hö#ren. Wenn du Fragen hast, sie wissen die Antwort. Wirst schon sehen, Bub. Der Anna ging das auch so. Die wußt’ nicht, was sie machen sollte, dann flüsterten ihr die Berge zu.«
Gino mußte schmunzeln.
»Ja, lach nur, Bub. Wirst schon sehen!«
»Muß ich da etwas Besonderes dafür machen, damit ich das erleben kann?«
»Schweigen mußt du und stille sein, wie bei einem Gebet. Die Berge hier, die sind ein ganz besonderes Stück der Schöpfung. Da muß man Ehrfurcht haben. Die Berge können dein Schutz sein. Sie können dich aber auch bedrohen, wenn du ihnen nicht in Ehrfurcht begegnest und die Natur zerstörst. Eine solche Tat bleibt nie ungesühnt.« Gino mußte wieder lächeln.
»Viele haben das net geglaubt, aber es ist so, Bub. Hier kannst nur mit den Bergen leben, nicht gegen die Berge und die Natur leben. Doch brauchst dir keine Gedanken zu machen. Wirst es schon spüren, wie sie nach und nach in dein Herz dringen und deine Seele erobern. Mußt sie einfach nur gewähren lassen. Schweigen mußt du – schweigen!«
Gino dachte an seine Eltern, an Cliff und an Katja. Er überdachte die letzten Tage. Es war ihm, als wäre das eine andere Welt, die weit, weit fort lag. Plötzlich erschien ihm diese kompliziert, verwirrend mit den Spielchen und Intrigen, die dort abliefen. Hier in den Bergen erschien ihm alles einfach. Es gab oben und unten, die Berge und Täler. Alles erschien so klar und einfach. Gino stellte fest, daß er auf eine neue Art glücklich war und sich auf die Tage in den Bergen freute. Er wünschte sich Katja an seiner Seite. Ihr wollte er dieses neue Gefühl beschreiben. Er war sich sicher, daß sie ihn verstehen würde.
*
Einige Wochen vergingen. Gino hatte sich gut auf der Berghütte eingelebt. Alois hatte sich seiner angenommen und ihn mit viel, mit wirklich viel Geduld an alle Arbeiten herangeführt. Toni hatte ihn mit zu den Almen genommen und war mit ihm wandern gewesen. Er hatte ihm die Grundkenntnisse der Kletterei vermittelt. Sie waren im gleichen Alter und hatten sich angefreundet. Toni hatte täglich von seiner Anna gesprochen. Irgendwann hatte Gino ihm ausführlich von Katja erzählt. Gino hat Katjas Mutter das Geld geschickt und auch einen Brief von ihr erhalten. Darin hatte sie berichtet, daß Katja ihr Examen bestanden hatte. Mehr stand darin nicht.
*
Eines Abends saßen Katja und ihre Eltern im Wohnzimmer. Nicky war schon zu Bett gegangen. Ihren Eltern hatte Katja etwas zu sagen. Sie hatte damit gewartet, bis die Jüngste schlafen gegangen war, denn Nicky konnte manchmal wirklich nerven mit ihren Fragen und Bemerkung#en. Etwas verlegen legte ihr Vater einen Umschlag auf den Tisch.
»Katja, wir sind sehr stolz auf dich! Du hast das alles gut gemacht! Deine Mutter und ich kommen aus kleinen Verhältnissen. Wir konnten dir bei deinen Schulsachen nie helfen, weil wir beide nur die Hauptschule gemacht hatten. Hast es schwer gehabt! Aber du hast dich zäh durchgebissen. Du hast immer gewußt, was du willst und hast es dann auch gemacht.«
Die Eltern schauten sich an. Volker Mehring redete weiter:
»Wir haben hier ein kleines Geschenk für dich! Es ist nicht viel. Wir hätten dir gern ein Auto geschenkt, wie das die anderen Eltern so machen. Aber das ist bei uns nicht drin.«
Katja griff nach der Hand ihres Vaters.
»Es kommt doch nicht darauf an. Ihr müßt mir gar nichts schenken. Ihr habt mich immer unterstützt. Ich muß euch danken. Ich konnte Abitur machen und studieren. Ich weiß, wie schwer es für euch war nach deinem Unfall, Vater. Ich wollte von der Schule abgehen und eine Lehre machen, damit wir mehr Geld haben. Doch ihr habt #nein gesagt. Das vergesse ich euch nicht. Danke dafür.«
»Jetzt ist aber genug!« sagte die Mutter. »Wir sind eine Familie, die sich versteht, und wir halten zusammen. Das haben wir in der Vergangenheit getan und werden es auch weiterhin tun. Fertig! Jetzt mach den Umschlag auf, Katja!«
Katja entnahm eine kleine Mappe aus dem Karton, den ihre Mutter gebastelt hatte. Darin war ein Gutschein für eine Reise in die Berge. Es war schon alles ausgefüllt. Nur das Datum war noch offen. Ein Prospekt lag auch bei.
»Eine Reise in die Berge!« Katja umarmte ihre Eltern.
»Ja, wir haben gedacht, daß du etwas Erholung brauchst. Hast