Vom beinahe vollkommenen Menschen. Lukian

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Vom beinahe vollkommenen Menschen - Lukian


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ihr Tausende von Angelhäkchen am ganzen Leib herausgewachsen, womit sie diejenigen, die ihr zu nahe kommen, zugleich festhält und nicht so leicht wieder loslässt. Aber – über unser Geschwätz haben wir etwas sehr Wichtiges vergessen.

      Plutos. Was denn?

      Hermes. Wir haben den Thesauros nicht mitgenommen, den wir doch am nötigsten brauchen.

      Plutos. (30) Sei deshalb ganz außer Sorge, ich lasse ihn jedes Mal unter der Erde, wenn ich zu euch heraufkomme, und gebe ihm den strickten Befehl, die Türe verschlossen zu halten und niemandem aufzumachen, wenn er mich nicht rufen hört.

      Hermes. So wollen wir denn jetzt Attika betreten. Fasse mich am Mantel und folge mir. Bis wir auf Timons Einöde kommen.

      Plutos. Schön, Hermes, dass du mich führst, denn wenn du mich im Stich ließest, wie leicht könnte ich beim Herumtappen einem Hyperbolos oder Kleon44 in die Hände geraten! Aber was ist das für ein Schall, als ob Eisen auf Stein geschlagen würde.

      Hermes. (31) Nun, wir sind bei Timon, der eben ein hartes und steiniges Fleckchen Land behackt. Siehe, da ist ja Peneia bei ihm, und die Arbeit und die Geduld und die Weisheit und die Entschlossenheit und alle Wesen, die unter dem Kommando des Hungers stehen und wahrlich viel ehrenwerter sind als deine Trabanten.

      Plutos. Wäre es nicht das Beste, Hermes, wir machten uns gleich wieder davon? Denn was werden wir wohl bei einem Mann ausrichten, der von einer solchen Armee umgeben ist?

      Hermes. Das wäre gegen den Willen Zeus’. Wir wollen uns denn also nicht abschrecken lassen.

      Peneia. (32) Wohin führst du den Blinden, du Argosmörder?45

      Hermes. Zeus schickt uns hierher zu Timon.

      Peneia. Wie? Jetzt wird Plutos zu Timon geschickt, den ich von seinem Wohlleben so übel zugerichtet erhalten und der Arbeit und der Weisheit übergeben hatte, den ich so zu einem tüchtigen und achtenswerten Mann gemacht habe. So wenig glaubt ihr also, Peneia achten zu müssen, so ungerecht sie behandeln zu dürfen, dass ihr das einzige Kleinod, das sie besitzt, einen Mann, den sie für die Tugend gewonnen hat, ihr entreißen wollt, damit ihn Plutos wieder dem Übermut und der Aufgeblasenheit überliefere und, nachdem er, wie früher, einen Weichling von gemeiner Denkart und beschränktem Verstande aus ihm gemacht hätte, ihn mir am Ende als Lumpen anheimgäbe?

      Hermes. Peneia, Zeus will es so haben.

      Peneia. (33) So gehe ich denn, und ihr, du Arbeit (Ponos) und du, Weisheit (Sophia), und alle Übrigen folget mir. Der da wird bald genug innewerden, welch eine nützliche Gehilfin und Lehrmeisterin alles Guten er an mir verloren hat. Solange er bei mir war, war er immer gesund an Seele und Leib, lebte wie ein Mann und lernte sich selbst achten, die Menge überflüssiger Dinge aber für das, was sie sind, nämlich für störend zu halten.

      Hermes. Sie ziehen ab. Nun wollen wir auf ihn zugehen.

      Timon. (34) Wer seid ihr? Was wollt ihr, verwünschte Kerle? Warum kommt ihr, einen fleißigen Tagelöhner bei seiner Arbeit zu stören? Wartet, es soll euch nicht gut bekommen, ihr Halunken, die ihr alle seid! Packt euch, oder ich werde euch mit Erdschollen und mit Steinen beschmeißen, dass …

      Hermes. Um Himmels willen, Timon, wirf doch nicht! Wir sind ja keine Menschen. Ich bin Hermes, und dieser ist Plutos. Zeus hat dein Gebet erhört und uns hierher geschickt. Nimm also in Gutem deinen Segen in Empfang, und hör auf, dich mit dieser Arbeit zu plagen.

      Timon. Geht zum Henker, und wenn ihr auch Götter seid, wie ihr sagt. Ich hasse nun einmal alles zusammen, Götter wie Menschen. Und diesem blinden Kerl da, sei er nun, wer er wolle, habe ich Lust, mit meiner Hacke den Schädel einzuschlagen.

      Plutos. Lass uns doch nun gehen, Hermes, du siehst, der Mensch ist ja ganz rasend. Ich bekomme sonst gewiss noch einen Schlag ab.

      Hermes. (35) Nicht so ungebärdig, Timon, und lass dieses ganze wilde und rohe Benehmen. Greif mit beiden Händen nach deinem Glück und lass dich wieder zum Reichsten und Ersten der Athener machen, um, für dich allein glücklich, alle jene Undankbaren über die Achsel ansehen zu können.

      Timon. Ich will nichts von euch! Lasst mich in Ruhe! Meine Hacke macht mich reich genug. Im Übrigen bin ich überglücklich, wenn mir keine Seele zu nahe kommt.

      Hermes. Warum denn so unleutselig, mein Freund?

      Bring ich diesen Bescheid, so hart und trotzig dem Donnerer?46

      Jedoch, dass du ein Feind der Menschen bist, die dir so arg mitgespielt, finde ich natürlich. Aber die Götter darfst du nicht hassen, die so gütig für dich sorgen.

      Timon. Nun, dir, Hermes, und dem Zeus bin ich für die Fürsorge recht dankbar. Aber diesen Plutos da werde ich nimmermehr zu mir nehmen.

      Hermes. Warum nicht?

      Timon. (36) Weil er mir früher unzähliges Böse zugefügt, den Schmarotzern mich preisgegeben, feindselige Ränke, Hass und Neid mir zugezogen und mit Wohlleben mich zugrunde gerichtet hat. Und am Ende hat der treulose Verräter mich eilends verlassen. Die edle Peneia aber hat mich mit männlicher Arbeit gestärkt, hat mich wahr und aufrichtig behandelt und mich im Schweiße meines Angesichts meinen Unterhalt finden lassen. Und da sie mein ganzes Lebensglück von mir selbst abhängig machte, hat sie mich jenes Pack verachten gelehrt und mir gezeigt, was der rechte Reichtum sei, den mir kein schleichender Schmeichler, kein drohender Sykophant,47 nicht die aufgebrachte Volkswut, nicht der Antrag eines Demagogen oder die Nachstellungen eines Tyrannen entreißen können.

      (37) Gestärkt von der Arbeit und emsig dieses Feld bebauend, werde ich nichts gewahr von all den Übeln, die in der Stadt hausen, und verdanke dieser Hacke mein hinreichendes Brot. Gehe also dorthin, woher du gekommen bist, Hermes, und bringe den Plutos wieder dem Zeus. Ich wollte zufrieden sein, wenn ich alles, was Mensch heißt, groß und klein, an den Galgen bringen könnte.

      Hermes. Nicht doch, nein Bester, dies möchten wohl nicht alle verdient haben. Lass nun einmal diesen Groll und dieses wilde Wesen und nimm den Plutos zu dir, denn »unverwerflich ja sind«48 die Gaben des Zeus.

      Plutos. Wirst du mir erlauben, Timon, dass ich mich gegenüber dir rechtfertige? Oder ist es dir zuwider, mich reden zu hören?

      Timon. Rede, aber mach es kurz und bringe mir keine lange Einleitung, wie die Schufte von Volksrednern. Denn nur dem Hermes hier zu Gefallen will ich dich einen Augenblick anhören.

      Plutos. (38) Eigentlich sollte ich mich recht ausführlich verteidigen dürfen, da du mir so vieles zur Last gelegt hast. Indessen wirst du schon selbst einsehen, dass ich dir kein Leid zugefügt habe, wenn du bedenkst, dass ich es war, der dir alles Angenehme verschaffte, Würde, Rang, Ehrenzeichen und was sonst noch zu einem genussreichen Leben gehört. Durch mich bist du der angesehene, der gefeierte Mann geworden, um dessen Gesellschaft sich alle bewarben. Haben aber deine Schmeichler dir übel mitgespielt, so bin ich ohne Schuld. Mir ist im Gegenteil von dir Unrecht geschehen, dass du mich so verächtlich den schlechtesten Menschen preisgegeben hast, welche dich lobten, berückten und in jeder Weise auf meinen Untergang hinarbeiteten. Am Ende hätte ich dich verraten, sagst du. Im Gegenteil aber habe ich dir vorzuwerfen, dass du auf alle Weise mich von dir triebest und mich endlich kopfüber aus dem Haus warfst. Dafür hat dir auch die hochverehrte Peneia deinen feinwolligen Mantel ausgezogen und diesen Ziegenpelz angelegt. Deswegen kann Hermes bezeugen, wie sehr ich den Zeus bat, mich nicht wieder zu einem Menschen zu schicken, der mir so feindselig begegnete.

      Hermes. (39) Aber nun siehst du ja, Plutos, wie sehr er sich geändert hat. Mache dich also nur herzhaft an ihn. Du, Timon, grabe nur so fort, du aber, Plutos, mache, dass sich Thesauros ihm unter die Hacke legt. Er wird dir schon gehorchen, wenn du ihn rufst.

      Timon. So


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