Anne in Ingleside. Lucy Maud Montgomery

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Anne in Ingleside - Lucy Maud Montgomery


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Kätzchen mitgebracht hatte. Es war dann bei diesem Namen geblieben, obwohl er später eigentlich nicht mehr so recht paßte.

      „Aber Susan! Wo sind denn bloß Gog und Magog? Sie sind doch nicht etwa in die Brüche gegangen?“ rief Anne plötzlich überrascht.

      „Nein, nein“, rief Susan und hastete aus dem Zimmer. Kurz darauf erschien sie wieder mit den beiden Porzellanhunden, die schon immer ihren Platz neben dem Kamin von Ingleside hatten. „Wie konnte ich bloß vergessen, sie vor Ihrer Ankunft wieder zurückzustellen. Wissen Sie, während Sie weg waren, kam Mrs. Charles Day von Charlottetown zu Besuch. Sie ist furchtbar pedantisch und neigt dazu, alles wörtlich zu nehmen. Walter meinte, für Unterhaltung sorgen zu müssen, und stellte ihr die beiden Hunde vor: ‚Das hier ist Gott und das da ist Mein Gott‘, sagte er doch tatsächlich. Das arme, unschuldige Kind! Ich war entsetzt und wagte nicht, Mrs. Day ins Gesicht zu sehen. Ich entschuldigte mich, so gut es ging, damit sie nicht auf die Idee käme, uns für eine gotteslästerliche Familie zu halten. Und ich beschloß, die Hunde vorsichtshalber außer Sichtweite zu verstauen, bis Sie wieder zu Hause sind.“ Anne mußte lachen über diese Geschichte – typisch Walter!

      „Mama, können wir nicht bald zu Abend essen?“ fragte Jem ungeduldig neben ihr. „Ich hab furchtbares Magenknurren. Mama, stell dir vor, jeder kriegt heute seine Lieblingsspeise.“ Er hüpfte von einem Bein aufs andere.

      „Wir wollten Ihre Rückkehr so richtig feiern“, bestätigte Susan. „Wo ist Walter bloß? Er ist diese Woche dran mit Gongschlagen.“ Sie steckte den Kopf zur Tür hinaus und rief nach ihm.

      Das Abendessen wurde das reinste Festmahl. Und was für eine Freude, die Kleinen hinterher ins Bett zu bringen! Susan gestattete Anne sogar ausnahmsweise, Shirley eigenhändig zuzudecken.

      „Das ist schließlich kein gewöhnlicher Tag, liebe Frau Doktor“, erklärte sie mit feierlicher Miene.

      „Ach, Susan, ich finde, gewöhnliche Tage gibt es gar nicht. Jeder Tag bringt etwas ganz Besonderes. Hast du das noch nie bemerkt?“ sagte Anne und stopfte die Zipfel von Shirleys Bettdecke fest.

      „Ja, Sie haben recht“ stimmte Susan zu. „Ich brauche bloß an letzten Freitag zu denken. Es war ein verregneter, langweiliger Tag. Und siehe da, meine große rosa Geranie bekam plötzlich Knospen, nachdem sie drei Jahre lang nicht hatte blühen wollen. Übrigens – ich muß Ihnen etwas sagen: Walter hat einen gewissen Verdacht. Bestimmt hat er bei den Kindern in Glen was aufgeschnappt. Die Kinder wissen heutzutage viel zuviel über Sachen, die sie noch nichts angehen. Neulich sagte Walter also sehr nachdenklich zu mir: ‚Susan, sind Babys eigentlich sehr teuer?‘ Ich war sprachlos, liebe Frau Doktor, aber ich behielt einen klaren Kopf. ‚Manche Leute halten Babys Für Luxus‘, sagte ich nur. ‚Aber für uns hier in Ingleside sind sie unentbehrlich.‘ Insgeheim machte ich mir Vorwürfe, daß ich mich so lautstark über die unverschämten Preise in den Geschäften von Glen beklagt hatte. Ich muß das arme Kind ganz schön beunruhigt haben. Falls er irgend etwas davon zu Ihnen sagt, sind Sie jedenfalls vorgewarnt.“ Sie machte leise die Tür zum Kinderzimmer zu.

      „Ich glaube, du hast die Situation gut gemeistert, Susan“, sagte Anne ernst. „Und ich denke, es ist sowieso an der Zeit, allen zu sagen, daß etwas unterwegs ist.“ Susan nickte und ging in die Küche.

      Anne trat ans Fenster und schaute aufs Meer hinaus. Sie sah zu, wie langsam der Nebel heraufkroch, erst über die mondbeschienenen Dünen und den Hafen und dann bis in das langgezogene Tal unterhalb von Ingleside, in dem das Dorf Glen St. Mary wie in einem Nest lag.

      „Wie schön, nach einem schweren Tag heimzukommen und dich bei mir zu haben“, sagte Gilbert und nahm sie in die Arme. „Bist du glücklich, meine Allerliebste?“

      „Glücklich!“ Anne beugte sich nieder und sog den Duft der Apfelblüten ein, die Jem ihr auf den Tisch gestellt hatte. Sie fühlte sich geradezu umhüllt von Liebe. „Gilbert, es war so schön, eine Woche lang wieder die Anne von Green Gables zu sein, aber es ist hundertmal schöner, wieder bei dir zu sein, als die Anne von Ingleside.“

      Kapitel 4

      „Kommt nicht in Frage“, sagte Gilbert in strengem Ton.

      Jem wußte, daß er sich keine weiteren Hoffnungen zu machen brauchte. Auch von seiner Mutter kam kein Zeichen, sich für ihn einzusetzen. In diesem Punkt hielten Mama und Papa fest zusammen, da gab es keinen Zweifel. Jems Blicke verdüsterten sich vor Zorn und Enttäuschung über seine grausamen Eltern. Wie konnten sie nur so unbeeindruckt dasitzen und einfach weiteressen und so tun, als wäre nichts! Jem starrte sie fassungslos an. Nur Tante Mary Maria bemerkte das natürlich, es gab ja nichts, was Tante Mary Maria nicht bemerkte, aber sie schien sich darüber eher zu amüsieren.

      Am Nachmittag war Bertie Shakespeare Drew dagewesen, um mit Jem zu spielen. Walter hatte währenddessen seine Freunde Kenneth und Persis Ford in ihrem alten ‚Traumhaus‘ besucht. Bertie Shakespeare hatte nun Jem erzählt, daß die Jungen von ganz Glen sich am Abend unten am Hafen treffen wollten, um Captain Bill Taylor beim Tätowieren zuzusehen: sein Cousin Joe Drew sollte eine Schlange in den Arm geritzt bekommen. Er – Bertie – würde auf jeden Fall hingehen, und ob Jem mitkäme? Das würde bestimmt ein Riesenspaß. Jem war sofort Feuer und Flamme gewesen, und jetzt diese Abfuhr!

      „Erstens“, erklärte Papa, „ist der Weg zum Hafen für dich viel zu weit, und zweitens gehen die anderen mit Sicherheit erst spät nach Hause. Deine Bettgehzeit ist aber um acht, mein Sohn.“

      „Ich mußte als Kind sogar schon um sieben ins Bett“, warf Tante Mary Maria dazwischen und nahm sich noch einen Löffel Gemüse.

      „Wenn du älter bist, Jem, dann kannst du abends länger weggehen“, bekräftigte Anne und lächelte ihren ältesten Sohn an.

      „Das hast du mir letzte Woche schon erzählt“, heulte Jem nun entrüstet, „und jetzt bin ich älter. Ihr meint immer, ich wäre noch ein Baby! Bertie darf schließlich auch gehen, und ich bin genauso alt wie er!“

      „Die Masern gehen um“, verkündete Tante Mary Maria düster. „Du steckst dich bloß an, James.“

      Jem konnte es nicht ausstehen, wenn sie ihn ‚James‘ nannte. „Ich will aber die Masern kriegen“, knurrte er aufmüpfig, verstummte aber sogleich unter Papas Blicken. Dieser duldete es nicht, wenn man Tante Mary Maria freche Antworten gab. Jem haßte Tante Mary Maria von Herzen! Tante Diana und Tante Marilla waren die liebsten Tanten auf der Welt, aber diese Tante Mary Maria paßte absolut nicht in seine Vorstellung von einer Tante.

      „Also gut“, verkündete Jem trotzig mit Blick auf seine Mutter, damit niemand auf die Idee käme, er könne Tante Mary Maria meinen, „du mußt selbst wissen, ob du mich magst oder nicht. Aber was würdest du wohl sagen, wenn ich fortginge nach Afrika, um Tiger zu jagen?“ Er sah seine Mutter erwartungsvoll an.

      „In Afrika gibt es keine Tiger, mein Schatz“, belehrte sie ihn in mildem Ton.

      „Dann eben Löwen!“ rief Jem empört. Daß die aber auch alles besser wissen mußten! Oder wollten sie sich etwa über ihn lustig machen? Na wartet, ihr! „Daß es Löwen gibt in Afrika, könnt ihr wohl nicht abstreiten! Millionen von Löwen gibt’s da. Afrika wimmelt nur so von Löwen!“ stieß er hervor.

      Mutter und Vater ließen sich nur zu einem Lächeln herab, sehr zu Tante Mary Marias Mißfallen. Wenn Kinder unverschämt wurden, kannte sie keine Gnade.

      „Hier kommt dein Pfefferkuchen mit Schlagsahne“, unterbrach Susan, hin- und hergerissen zwischen ihrem Mitgefühl für Klein-Jem und der Überzeugung, daß Herr und Frau Doktor ganz recht hatten, wenn sie ihm verboten, mit dieser Dorfbande zu dem verrufenen und ewig betrunkenen Captain Bill Taylor zum Hafen unten zu gehen.

      Pfefferkuchen mit Schlagsahne war Jems Lieblingsnachspeise. Heute abend jedoch konnte selbst die seine stürmische Seele nicht besänftigen.

      „Ich will nichts“ schmollte er. Dann stand er auf und marschierte mit einem letzten Trotzausbruch in Richtung Tür:

      „Vor neun geh ich sowieso nicht ins Bett. Und wenn ich erwachsen bin, geh ich überhaupt nie mehr ins Bett. Ich bleib die ganze Nacht auf, und zwar jede


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