Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe. Wilhelm Raabe

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Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe - Wilhelm  Raabe


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auch. Ich werde immer zu Euch kommen, so lange ich hier im Wald auf dem Trautenstein wohne; – ich will Euch nie vergessen und den heutigen Tag auch nicht – bis in den Tod nicht.«

      »Das soll ein Wort sein, lieb’ Kind, und Ihr sollt mir willkommen sein wie der Sonnenschein.«

      »Gute Nacht! Gute Nacht!«

      So nahmen wir Abschied, und mit der Fackel schritt ich voran und leuchtete dem Leutnant Bart und der Anna von Rhoda vor durch den dunkeln Wald.

      In der Nähe des wüsten Ortes standen wir alle drei plötzlich still und lauschten einem Gesange, der schwermütig, wie es schien von dem Fußsteige her, welchen wir beschritten, erklang. In der stillen Nacht vernahm man die Worte ganz deutlich:

      »Meinen Liebsten sie haben gefangen gebracht,

       Sie führeten zwischen den Pferden ihn hin;

       Und sie ritten von zwei bis zu vier in der Nacht,

       Dem Hufschlag, dem Hufschlag gefolget ich bin.

      Und sie ritten bergauf, und sie ritten thalein,

       Die Nacht war so dunkel, kein Sternlein gab Licht;

       Dem Hufschlag ich folgt’ über scharfes Gestein,

       Durch Dornen und Distel, und spürte es nicht.

      Was Dornen und Distel und scharfes Gestein?

       Was Nachtwind und Regen und höhnendes Wort?

       Wohl schlug mir das Herze zu schlimmerer Pein,

       Sie führten den Liebsten in Ketten mir fort.

      Und sie ritten wohl über die hallende Brück’,

       Da konnt’ ich dem Hufschlag nicht folgen mehr;

       Wild stießen sie mich von der Pforte zurück

       Und kreuzten darüber die eiserne Wehr.

      Wohl rauschen die Wasser die ganze Nacht,

       Wohl hämmert das Herze und wird nicht still;

       Und wird er am Morgen heraus nun gebracht,

       Bis zum Tod, in den Tod ich ihm folgen will.«

      »Das ist die arme Susanne!« rief der Leutnant. »Sie werden sie uns entgegen geschickt haben, weil sie gefürchtet haben, wir möchten in der Dunkelheit den Weg verfehlen. Susanna! Heda, holla, Susanna!«

      Die Stimme der Sängerin klang ein wenig näher:

      »Sie jagten mit dem Morgengraun

       Wohl über die grüne Heide;

       Da rief Herr Schill im Ummeschaun

       Die Säbel aus der Scheide!

       Und alle Reiter jauchzten laut,

       Die haben sich nicht umgeschaut, –

       Der Herr von Schill ritt vorne.«

      »Susanna! Susann«!« rief der Leutnant, aber die Sängerin fuhr in ihrem Liede fort:

      »Vorbei, vorbei die lust’ge Jagd,

       Herr Schill, der ist erschossen;

       Und manche, die’s mit ihm gewagt,

       Die stürzten von den Rossen.

       Doch jeder rief im Sterben noch:

       Der Herr von Schill, der lebe hoch,

       Reit uns voran zum Himmel!

      Vorbei, vorbei, o Vaterland,

       Wie ist’s um Dich ergangen;

       Es hat der Feind mit böser Hand

       Manch kühnen Mann gefangen;

       Manch Reiter unterm Hochgericht

       Lacht’ stolz dem Tode ins Gesicht,

       Dem Vaterland zu Ehren,

       Der Schillschen Ruhm zu mehren!«

      »Ich fürchte mich so vor ihr!« flüsterte Anna, indem sie sich noch dichter an ihren Pflegevater anschloß. »Ich weiß, daß sie mich haßt, und ich möchte immer weinen, wenn ich sie ansehe.«

      Jetzt fiel mir erst auf die Seele, was für ein Blutstrom zwischen der Magd vom Trautenstein. und der Tochter Ottos von Rhoda floß. Nun wußte ich, weshalb Susanna mit mir die Ähnlichkeit Annas mit dem Bilde im Betsaal erkannt hatte.

      Aus der bewegten, traurig-trotzigen Tonweise ihres letzten Liedes fiel die Sängerin von neuem in die langsame, klagende Melodie ihres ersten Sanges zurück:

      »Wohl rauschen die Wasser die ganze Nacht,

       Wohl hämmert das Herze und wird nicht still;

       Und wird er am Morgen heraus nun gebracht,

       Bis zum Tod, in den Tod ich ihm folgen will.«

      Der Leutnant stand plötzlich still.

      »Was ist das?« sagte er. »Hat sie ein Pferd mit sich gebracht?«

      »Das klingt so!« sagte ich und hielt die Fackel hoch, den Fußsteig zu beleuchten.

      »Was ist das? Da kommt sie. Seht, Kollaborator, hat sie wie ihre Ahnfrau, die kühne Marie, auch ein Abenteuer auf dem wüsten Ort gehabt? Holla, Susanna, woher hast Du den Schimmel?«

      Vor uns stand die Magd, ein weißes schnaufendes Roß am Zügel haltend; eine Laterne in der linken Hand tragend.

      »Es ging da reiterlos im Gebüsch; weiß nicht wem’s gehören mag. Sattel und Mantelsack liegen ein Stück weiter waldeinwärts, wir können das mitnehmen auf den Heimweg. Sie haben mich Euch entgegen geschickt, daß Ihr Euch nicht verlaufen solltet im Forst.«

      »Aber das Roß, das Roß, Susanne! Hast Du keine Spur von dem Reiter gesehen?«

      Die Magd schüttelte den Kopf.

      »Hatt’ keine Lust, nach ihm zu suchen im wilden Wald. Die Männer können nach ihm ausgehen, wenn wir heimgekommen sind.«

      »Nun denn, vorwärts. Das ist auch ein merkwürdig Abenteuer. Wahrlich, dies ist ein Tag des Wunders!« rief der Leutnant, und wir setzten unseren Weg fort. Susanne folgte uns mit dem Schimmel.

      Ungefähr tausend Schritte weiter rief sie: »Hier sah ich es weiß durchs Buschwerk gehen; es nagte an den Zweigen – dort hinüber an der Eiche liegt das Reitzeug – der Gurt ist gesprungen.«

      Ich eilte hinüber und fand richtig einen Sattel und einen Mantelsack. Wir legten beides dem unbekannten Gaul so gut als möglich wieder auf und kamen endlich auf den Heerweg. In der Ferne schimmerten rötlich durch die Baumstämme die Lichter des Trautensteins.

      Plötzlich stieß Anna von Rhoda einen Schrei aus.

      »Da, seht da, ein Mensch liegt dort!«

      Ich sprang mit der Fackel, welche jetzt allmählich zu einem kurzen Stumpf herabgebrannt war, vor. Quer über den Weg lag wirklich ein Körper; der Körper eines stattlichen Mannes auf dem Gesicht. Der Schimmel streckte seinen Hals vor, beroch den Liegenden und wieherte leise. Ich gab die Fackel dem Leutnant und versuchte den Leib vom Gesicht aufzuheben. Der Mann war nicht tot, aber vollständig bewußtlos.

      Auch Susanne leuchtete ihm ins Gesicht, auch sie stieß einen gellenden Schrei aus. Von sich warf sie die Laterne und den Zügel des Pferdes. Mit hoch erhobenen Händen stürzte sie fort, dem Trautenstein zu und ließ uns in Verwunderung und neuem Schreck bei dem besinnungslosen unbekannten Mann zurück. Die Fackel war jetzt so weit herabgebrannt, daß der Leutnant sie fallen lassen mußte, wenn er sich nicht die Hand verbrennen wollte.

      Im nächsten Augenblick befanden wir uns in tiefer Dunkelheit. –

      Wir sollten jedoch gottlob nicht lange in dieser ratlosen Lage bleiben. Vom Trautenstein her wurde es laut unter den Bäumen; Lichter leuchteten von dort herüber, Stimmen und Fußtritte näherten sich uns; – auf einmal fanden wir uns von fast allen Bewohnern des Waldschlosses umgeben.

      Laternen und Fackeln warfen ihr unbestimmtes Licht


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