Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe. Wilhelm Raabe

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Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe - Wilhelm  Raabe


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zusammenzubringen; aber der Vortreffliche sitzt jetzt ruhig im Künstlerklub, die Beruhigungsmütze der Selbstsucht über die Ohren gezogen, teilnahmslos für alle zarteren Klänge des Lebens, ein langbeiniges, mageres Bild verhärteter, grausamlicher Kritik, ein graugekleidetes Noli me tangere« –

      »Was geht mich Weitenweber an! – ah Sidonie! So rede doch – du hast sie gesehen, hast mit ihr gesprochen« –

      »Ich habe einmal gesehen, wie ein Schauspieler im rührendsten Pathos auf eine Versenkung geriet, welche ihn urplötzlich, unvermutet, blitzschnell, unter allgemeinem Jubel unsern Blicken entzog, hüte dich, daß« –

      »Es ist mit dir heute nichts, anzufangen, Bösenberg! Komm mit hinunter, ich will dich der Finkenrodener Gesellschaft männlichen Geschlechts vorstellen – du kannst dein Notizbuch bereichern. Gundermann hat schon nach dir gefragt.«

      »Bravo! Bravo! Das ist vortrefflich:

      Andiam, andiam mio bene A ristorar le pene D’un innocente amor« –

      »Du bist von je ein Narr gewesen und wirst auch wohl einer bleiben bis an dein seliges Ende.«

      »Holla, denk an den Auftrag deines Schwiegervaters in spe

      »Bah!« …

      Im Erdgeschoß des goldenen Weinfasses befinden sich zwei ziemlich geräumige Gemächer, welche aneinander grenzen und durch eine Tür verbunden sind. Die Fenster des einen Zimmers schauen auf die Straße, die des andern auf den Hofraum des Gasthauses. Hier versammelt sich allabendlich eine Gesellschaft, welche dem Besucher der Konditoreien und Kaffeehäuser großer Städte viel des Neuen und Merkwürdigen zu bieten hat.

      Die Fliegenden Blätter, die Augsburger Allgemeine, die Leipziger illustrierte Zeitung, der Halbmond und das Kamäleon sind hier zu finden. Vier Dominospiele, zwei Schachbretter mit etwas desolaten Figuren, und das, was die Stadt Finkerode an ältern und jüngern »Herren« aufzuweisen hat, bilden die Basis dieses gemütlichen Institutes. Die älteren Leute haben das vordere Zimmer im Besitz, die jüngere Generation haust in dem hinteren Raume – begeistert für den Fortschritt, für juristische Fragen, lokale Stänkereien, Remonteangelegenheiten, Bier, Grog und das weibliche Geschlecht. Sind die Zeitungen und illustrierten Blätter gelesen und zerlesen, so werden sie von den Materiellen der Gesellschaft zu Fidibus, von den Spiritualisten zu Gedächtnisfetzen zerschnitten. Im Rat der Alten präsidiert der Landrat Tendler, im Zimmer der goldenen Jugend der Landphysikus Dr. Gundermann.

      Als ich mit dem Schauspieler in diese heiligen Hallen, über deren Eingangstür das Wort »Abonniert!« den Ungeweiheten, den Exoteren abschreckte, eintrat, war die Gesellschaft noch sehr schwach vertreten, welches mir um so lieber war, da ich um so ungestörter dem alten ehrlichen Burschen, dem Gundermann, mein Behagen an unserm Wiedertreffen kundgeben konnte; wir wurden bald genug durch die allgemach erscheinenden Klubmitglieder gestört.

      »Trinke so bald als möglich Rum mit Tee bei mir,« sagte der Doktor. »Meine Frau und meine Jungen erwarten dich sehnlichst. Erscheinst du aber in Frack und weißer Weste, wird man dich höflichst ersuchen, dich selbst wieder zur Tür hinauszuwerfen.«

      Jetzt wurde ich den meisten Mitgliedern der Gesellschaft vorgestellt; brauche aber die einzelnen Individuen, die in diesen Memoiren nur dies eine Mal auftreten, nicht weiter zu schildern, da sie ein jeder wohl aus eigener Erfahrung kennt. Die Menschheit ist sehr eintönig bei aller Mannigfaltigkeit. Der Pastor Primarius Wachtel wird nie beim Whistspiel à la Voltaire lächeln; der Supernumerar Hänseler mag noch so viel vor seinem Spiegel das Pelhamsche Gesicht studieren, er wird es doch niemals zustande bringen; und die echte Dummheit ist lange nicht so selten, als die echte Blasiertheit. –

      Jetzt erschien der Hauptmann Fasterling in der Tür, und mit ihm trat eine riesige Gestalt ein, welcher ein Jagdhund von der Größe eines Kalbes dicht auf den Fersen folgte.

      »Holla, – ist das nicht der Forstmeister von Altenbach?« fragte ich Mietze, welcher neben mir stand. Dieser war aber allzusehr in die Betrachtung des Hauptmanns versunken, als daß er meine Fragen hätte beantworten können. Aber schon schaute sich der gigantische Waldmensch überall um.

      »Wo ist er? Wo ist der Schwerenöter? Bösenberg! Max, mein Junge, kennet Ihr mich nicht mehr?«

      Im nächsten Augenblick war ich von den eisernen Fäusten des gewaltigen Mannes gepackt und in eine urdeutsche Umarmung gezogen, welche ich herzlich erwiderte, obgleich sie mit verschiedenen Unannehmlichkeiten verknüpft war. Wie hätte ich den Forstmeister von Altenbach vergessen können!

      »Also wirklich wieder in den alten Bau eingefallen? Dachte schon, Ihr wäret in dem großen, langweiligen Neste auch solch ein Windbeutel und Firlefanz geworden – siehst aber ja noch ganz anständig und menschlich aus. Na, freut mich wirklich, Euch wieder zu sehen, alter Bursch – hahaha, möget auch wohl von Zeit zu Zeit gern einmal an das lustige Försterhaus im Himmelreich gedacht haben! He? Hätten mich auch da sitzen lassen können, hätt’ ihnen gern den Forstmeister geschenkt.«

      »Es ist mir eine große Freude, Sie so wohl und munter wieder zu sehen, Herr von Altenbach. Ich würde Ihnen in den nächsten Tagen meine Aufwartung gemacht haben« –

      »Aufwartung gemacht haben! ‘s ist doch zum Tollwerden mit den Redensarten!«

      »Was macht denn die Hedwig, – Fräulein Hedwig, wollt’ ich sagen« –

      »Fräulein Hedwig – Fräulein Rohrdommel, wollt ich sagen,« äffte mir der Alte nach – »die Hedwig ist kreuzfidel! Hätt’ auch nicht gedacht, daß die noch einmal einen Pfaffen freien würde; aber es ist geschehen und läßt sich nicht mehr ändern. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich – deshalb eine Flasche vom Alten, Luise! He, Hauptmann, ob wir den Jungen da wohl noch unter den Tisch trinken könnten? Was macht die Gicht, Alter?«

      »Als wir in Frankreich waren, Kamerad, da wußten wir weniger davon als heute. Weißt du wohl noch, wie ich auf dem Vorposten bei Laon der französischen Pastorenköchin den deutschen Walzer beibringen wollte, während der gelehrte, kleine lustige Teufel – hieß er nicht Heidenreich? – ihren Herrn ein Kapitel aus dem alten griechischen Tröster, dem Homerus, den er stets im Tornister mitschleppte, übersetzen ließ? Der alte Sünder von Pfaffe warf seltsame Seitenblicke nach seiner Haushälterin und mir. Mit dem Griechischen war es bei ihm auch nicht weit her, wie es schien.«

      »Ja, ja, das waren noch Zeiten!« rief der Jäger mit einem Seufzer und zog einen Stuhl an den Tisch. »Na, und nun sag du mal, Max Bösenberg, was treibst du denn eigentlich in der Welt? Von eurem Wesen hab’ ich, aufrichtig gesagt, nicht den geringsten Begriff – wird euch denn alles das, was ihr schmiert, auch bezahlt? Die Forstleute lesen doch eure Bücher nicht, und die Zeitungen kriege ich nur, wenn der Krämer etwas darin eingewickelt hat.«

      »Liebster Alter,« sagte ich, »,‘s ist ein traurig Leben! Sagen Sie, welches Tier halten Sie auf Gottes Erdboden für das geplagteste, elendeste, unglückseligste?«

      »Donnerwetter, das wäre zu überlegen!«

      Verschiedene Tierarten wurden von allen Seiten namhaft gemacht; aber die Existenz einer jeden hatte ihre guten Seiten, welche der Forstmann jedesmal kopfschüttelnd herausfand. Endlich schlug er mit der geballten Faust gewaltig auf den Tisch, daß die Gläser klirrten und dem Landrat Tendler sich die Perücke verschob. »Ich hab’s! Teufel, ich hab’s! Der Maulwurf ist das jammerhafteste Geschöpf – blind – keine frische Luft – niedrigste Jagd, und zuletzt gehängt, vergiftet, oder von einem Vagabunden mit einem Knüppel totgeschlagen! – Da hört doch alles auf! Der Maulwurf ist die elendigste Kreatur, die Gott in seinem Zorn erschaffen hat.«

      »Nun, ich gestehe zu, daß der Maulwurf ein gar trübseliger Bursch ist; aber hören Sie, alter Waldmann, ein Journalist ist ein noch viel trübseligerer; denn der Maulwurf kennt keine bessere Existenz, als die seinige; der Zeitungsschreiber aber weiß, daß es bessere gibt, oder hat wenigstens eine dumpfe Ahnung von ihrem Vorhandensein. Wie der Maulwurf, lebt auch der Zeitungsschreiber im Dunkeln, wie dem Maulwurf gehen ihm auf der Jagd nach Würmern, Engerlingen, Schnecken, alle Gedanken an den blauen, ewigen Himmel über ihm, alle Gedanken an Weltmeere und Sonnen-und


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