GRIMWEAVE – Das Monster der grünen Hölle. Tim Curran

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GRIMWEAVE – Das Monster der grünen Hölle - Tim Curran


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sagst.«

      Sie nahmen die Verfolgung wieder auf und nach ungefähr zwanzig oder dreißig Minuten fand Carmody noch mehr Blutspuren ihres Opfers, das einen endlosen Vorrat davon haben musste. Dieser Scheißkerl ist wie eine Quelle, dachte Spiers. Er vermutete, dass Carmodys stures Festhalten an dem Typ mehr war, als was er möglicherweise bei sich trug oder mit wem er sich treffen könnte. Dieser Viet war ein zäher Hurensohn und Carmody respektierte so was – wenn er ein VC wäre, dann wäre er so wie dieser Typ. Vielleicht wollte er ihm vorher noch die Hand schütteln, bevor er ihn kaltmachte.

      Sie legten am Ufer eines braunen, langsam fließenden Baches eine Pause ein.

      »Okay, Cherry. Ich habe hier eine klare Spur. Du wartest hier. Ich schnapp mir jetzt diesen Scheißkerl. Sollte ich in einer halben Stunde nicht zurück sein, kommst du auf keinen Fall nach, um mich zu holen, hast du das kapiert?«

      »Sicher, Gunny.«

      »Du kehrst direkt nach Vietnam zum Stützpunkt zurück und wartest auf weitere Befehle. Kein Heldenstück. Du kommst mir nicht nach.«

      Mit diesen Worten verschwand Carmody und Spiers wartete. Das war doch alles Bullshit. Marines ließen einander nicht im Stich. Sollte er nicht zurückkommen, würde Spiers nachfolgen. So waren die Dinge nun mal. Während er wartete, überlegte er bereits, wie sie den Weg mit einem verwundeten Mann oder einer Leiche zurückschaffen sollten.

      Kapitel 6

      Während der Belagerung von Khe Shan ‘68 hatte sich Carmody am falschen Ende eines 60mm-Chicom-Mörsers gesehen. Er hatte gerade eine Kaliber 50 geladen, als die Granaten einschlugen, und zwar so dicht, dass zwei Marines draufgingen und drei weitere verletzt wurden. Er war einer davon gewesen. In seinem Arm waren so viele Granatsplitter gewesen, dass er später Witze machte, dass sie im Arm rasseln würden, wenn er ihn bewegte. Das war eine echte Scheiße gewesen, weil es für ihn gerade angefangen hatte, Spaß zu machen. Der Bombenhagel auf die sie umgebenden Hügel, in denen die NVA saßen, hatte seinen Höhepunkt erreicht. Es gab nicht einen Marine, der nicht mitgemacht hatte. Nach monatelangen Schikanen und bei übermächtigem Beschuss durch die NVA hinter dem Draht war endlich der Zahltag gekommen. Diese hässlichen zerbombten Hügel waren dem Erdboden gleichgemacht worden. Was war das für ein herrliches Gefühl gewesen. Marines und Navy hatten einen Angriff nach dem anderen geflogen und Napalm, Entlaubungsmittel sowie 250-Pfund-Bomben über die Verstecke der Charlies niedergehen lassen und diese in Schutt und Asche gelegt. Nach monatelangem Durchkämmen und –kriechen der Hügel, währenddessen sie in nächtlichen Patrouillen in Hinterhalte geraten waren oder auf diesen gewundenen Pfaden ihre Leben in den verborgenen Schatten gelassen hatten, kam jetzt die Retourkutsche, die verbrannte Erde, ein Albtraum für die NVA. Sie hatten gesagt, es wären 110.000 Tonnen Bomben abgeworfen worden, was man leicht glauben konnte, denn die großen Hügel waren so zerklüftet, dass sie nicht mehr existierten. Die Schützengräben und Bunker der NVA waren komplett verschwunden. Die Landschaft hatte ausgesehen wie die Haut eines Leprakranken, wie eine klaffende Wunde. Keiner konnte sagen wie viele Feinde tatsächlich vernichtet, verbrannt oder lebendig begraben worden waren. Carmody war in ein Lazarett in Da Nang gebracht worden, wo Ärzte die Bombensplitter aus dem Arm entfernt hatten. Er hatte Glück gehabt, dass keine Nerven getroffen oder Bänder gerissen waren. Er hatte einen Monat dort mit seinem Arm in Gips verbracht. Für jemanden, der es gewohnt war, draußen dem Feind das Fürchten zu lehren, war es tödliche Langweile gewesen. Als er ungefähr drei Wochen dort war, hatte es wieder mal starke Gefechte an der DMZ gegeben und neue Verletzte waren regelmäßig reingekommen. Die ganz schlimmen Fälle kamen nach Saigon und dann ab nach Hanoi. In Da Nang entfernten sie Kugeln und Granatsplitter, bekämpfen Infektionen und nahmen Amputationen vor, wenn es nicht anders ging. Am dritten Tag seines Lazarett-Aufenthalts war Carmody mitten in der Nacht erwacht, hatte sich in dem überfüllten Krankensaal umgesehen und sich gefragt, warum zum Teufel sie ein Bett an ihn verschwendeten, wenn es wirklich schlimm Verletzte gab. Dabei hatte er etwas bemerkt, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es war ein VC im Krankensaal gewesen. Ein scheiß Schlitzauge im schwarzen Anzug hatte keine zwei Betten von ihm entfernt gelegen. Kopf und Arm waren verbunden und irgendein Schlauch kam aus seiner Brust. Carmody war außer sich gewesen. Es war einer von den kleinen, verwundeten Scheißern im Krankensaal und sie hatten ihn behandelt? Zu was zum Teufel war dieser verdammte Krieg verkommen?

      Als eine der Krankenschwestern die Runde machte, hatte Carmody gefragt: »Was macht denn dieser stinkende Arsch in einem amerikanischen Lazarett?« Die Schwester hatte nur mit den Schultern gezuckt und gemeint, dass die Spionage ihn benötigen würde. Sie sollen ihn zusammenflicken und stabilisieren, sodass man ihn verhören könne. Die Schwester hatte ausgesehen, als würde auch ihr das nicht sonderlich gefallen, aber Befehl war Befehl. Zwei MPs waren abgestellt worden, um auf ihn aufzupassen, allerdings waren die mehr damit beschäftigt gewesen, mit den Schwestern zu flirten. Da hatte Carmody realisiert, dass dieser VC in seiner Verantwortung lag. Die wenigsten Soldaten waren bei Bewusstsein gewesen. Manche waren gar nicht mehr aufwacht, wegen des Mistkerls in ihrer Mitte. Er hatte sich nicht vorstellen können, was sie denken würden, wenn sie aufgewacht wären und das Stück Scheiße dort hätten liegen sehen. Man hätte schon mehr benötigt als diese notgeilen MPs, um so einen in Schach zu halten, unabhängig seiner Verletzung. Das Einzige, was ihn daran gefreut hätte, wäre die Reaktion des VC gewesen, wenn der aufwachen und sich in einem Raum voller Amerikaner wiederfinden würde. Er würde sich vor Angst in die Hosen machen. Nicht nur, weil er dann merken würde, wo er war, sondern auch, dass er nur am Leben war, damit sie ihn verhören konnten. Etwas, das er wohl eh nicht überlebt hätte.

      Carmody hatte ihn im Auge behalten. Er erinnerte sich an eine Story, in der ein VC, wie dieser tödlich verwundet in einem Lazarett, noch genügend Kraft hatte, eine Flasche zu zertrümmern und einem Amerikaner damit die Kehle aufzuschlitzen. Na ja, das sollte hier ganz sicher nicht passieren, doch das Verrückte daran war, es wäre fast passiert.

      Carmody war ein wenig weggedöst und hatte nur eine Bewegung gespürt und seine Augen geöffnet. Der VC war aus dem Bett aufgestanden und suchte herum. Er hatte eine Schere gefunden und plante damit Schaden anzurichten, bevor er das Arschloch von Ho Chi Min im Nachleben besuchen würde. Er hatte aber die Rechnung ohne Carmody gemacht. Als er sich umdrehte, stand der bullige Marine hinter ihm. Er hatte aufgeschrien und versucht, Carmody mit der Schere zu erstechen. Doch Carmody hatte den Angriff abgewehrt und die Schere hatte lediglich in den Gips gestochen. Dann hatte er den VC mit der offenen Hand so stark auf die Brust geschlagen, dass er deutlich die Rippen brechen hörte. Der VC war auf die Knie gefallen. Carmody hatte ihm den Schlauch aus der Brust gerissen und so auf seinem Kopf eingeschlagen, bis dieser bewusstlos geworden war. Als die MPs die beiden erreicht hatten, war der Bastard tot.

      »Was zum Teufel ist hier los?«, hatte einer der MP gefragt.

      »Er ist aus dem Bett gefallen«, hatte Carmody erwidert.

      Darüber hatte es einigen Ärger gegeben und die Spionageabteilung war stinksauer gewesen, aber alles, was sie aus Carmody herausbekommen hatten, war, dass er nach Vietnam geschickt worden sei, um Kommunisten zu töten, und dieser kleine Scheißer sei mit der Schere auf ihn losgegangen, also habe er sich nur gewehrt.

      Er erinnerte sich an diese Episode, während er den Offizier verfolgte, denn genau wie der VC im Lazarett würde auch dieser Typ hier nicht leicht sterben. Dafür war er viel zu entschlossen, und je länger er lebte, desto entschlossener wurde auch Carmody, ihn zu töten. Es war mehr als ein Kampf der Ideologien, mehr als Feind gegen Feind. Es war ein Kampf des Willens, und Carmody war sehr zuversichtlich, dass er am Ende als Sieger hier rausgehen würde, weil es für einen Typen wie ihn kein Versagen gab.

      Kapitel 7

      Ungefähr zwanzig Minuten nachdem Carmody aufgebrochen war, kam er wieder zurück. »Ich weiß, wo er lang ist«, sagte er.

      Spiers sah ihn an. Es wurde immer verrückter. Er war dafür, diesen miesen kleinen Pisser einfach gehen zu lassen, aber Carmody war so heiß auf ihn, dass es gar keine Frage war, umzukehren; und wie Carmody immer und immer wieder klar machte: Nur ein toter Viet war ein guter Viet. Das bedeutete


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