Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman. Leni Behrendt

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Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman - Leni Behrendt


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er den Gedanken, ihn nach Waldwinkel zu rufen, wieder aufgab. Später kam dann allerlei dazwischen. Der Baron heiratete, ein Kindchen stellte sich ein, die junge Frau starb. Das waren alles Ereignisse, die unsern Freund abschreckten, den Neffen zu sich kommen zu lassen. Und als er es dann endlich tat, da hatte es wieder der Tod so eilig, daß Leopold dem Baron nicht einmal alles mündlich sagen konnte, was ihm so sehr am Herzen lag. Wäre er nicht so klug gewesen, in einem langen Brief schon vorher niederzuschreiben, was er von seinem Neffen wünschte und erwartete, so wäre dem Baron die unverhoffte Erbschaft lebenslang ein Rätsel geblieben.«

      Nach diesen Worten des Justizrates war es eine Weile beklemmend still. Die Blicke der drei Männer hingen an dem Bild des Verstorbenen, der trotz seines Reichtums so unglücklich gewesen war wie selten ein Mensch, der neben der Verspottung, die seinem abschreckenden Aussehen galt, auch noch die Qualen einer aussichtslosen Liebe hatte auskosten müssen bis zum letzten bitteren Tropfen.

      Schweigend saßen die Herren beieinander, jeder mit seinen Gedanken um den Toten beschäftigt.

      Erst ein Winseln an der Tür schreckte sie aus ihren traurigen Grübeleien auf. Und als der Sekretär hineilte, um die Tür zu öffnen, sprang der jaulende Harras ihn so heftig an, daß er Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten.

      »Zum Kuckuck, der schwarze Racker ist ganz einfach vom Teufel besessen!« schalt der Oberförster, der den Hund an der Leine hielt, ärgerlich. »Was wir mit diesem Gesellen in den vier Tagen zu Hause ausgestanden haben, das läßt sich nicht beschreiben. Er hat uns fast die ganze Bude umgeworfen.«

      »Das will ich glauben«, lä­chelte der Sekretär und streichelte den Hund, der an der Erde schnupperte und jämmerlich winselte.

      Sie wußten es ja alle, der arme Geselle suchte seinen geliebten Herrn, und es wurde ihnen allen weh ums Herz. Der Oberförster, ein kerniger, urgemütlicher Graubart, schneuz­te sich gewaltig, und dem Sekretär schossen die Tränen in die Augen.

      »Ich glaube, Sie können ihn ruhig von der Leine lassen, Herr Oberförster«, sagte er leise. »Er trägt ja einen Maulkorb und kann daher kaum ernstlichen Schaden anrichten.«

      »Aber die Kinder kann er umwerfen«, entgegnete der alte Herr. Jetzt erst bemerkte Wieloff die vielen Menschen, die in der Tür standen. Vorn die Beamten und hinten die Arbeiter der Herrschaft Waldwinkel.

      »Die Leute wollen durchaus den Herrn Baron sprechen«, bemerkte der Oberförster verlegen. »Mit keinen Vernunftsgründen ließen sie sich zurückhalten.«

      Wieloff zögerte noch ein wenig, doch dann erklärte er, den Baron holen zu wollen, der jedoch nach einigen Minuten von selbst erschien. Der Hund erkannte ihn sofort wieder, strebte zu ihm hin, leckte ihm die Hände und ließ sich dann mit einem langen Seufzer ruhig zu seinen Füßen nieder. Das war ein so erschütterndes Bild, daß kaum ein Auge trocken blieb.

      Hellersen streichelte zärtlich den Kopf des Hundes, dann ging sein ernster Blick zu den Menschen hin.

      »Sie wollten mich sprechen?«

      Zuerst herrschte betretenes Schweigen, doch dann trat der Kämmerer vor, die Mütze in der Hand.

      »Herr Baron, wir sind gekommen, um Ihnen zu gratulieren und zu sagen, wie froh wir sind, daß nicht die anderen die Erben sind, daß wir dem Herrn Baron Treue auf Leben und Tod geloben«, stotterte er, und da glitt ein weiches Lächeln über die abgespannten Züge ihres Herrn.

      »Ich danke Ihnen und den andern allen«, sagte er sehr herzlich. »Und euer Vertrauen, das ihr mir, dem Fremden, entgegenbringt, will ich hoch und heilig halten. Ihr habt mit dem Tode eures geliebten Herrn, der allzeit wie ein Vater für euch gesorgt hat, unendlich viel verloren, ich weiß es. Und daher will ich versuchen, euch euren Herren ein wenig zu ersetzen.«

      Dann kamen die Beamten an die Reihe, die ebenso wie die Arbeiter unaufgefordert Treue gelobten, und für alle hatte der Baron ein warmes, herzliches Wort. Auch sie gingen zufrieden davon, und der Baron blieb mit den drei Herren, die im Zimmer auf ihn gewartet hatten, allein zurück.

      Sein Blick fiel auf den Sekretär, der seltsam bedrückt aussah. Er trat zu ihm und streckte ihm die Hand entgegen.

      »Sprechen Sie nicht, Herr Wieloff. Ich weiß, es fällt Ihnen schwer«, sagte der Baron sehr herzlich. »Ich weiß aus dem hinterlassenen Brief meines Onkels, was Sie ihm gewesen sind, und dasselbe sollten Sie mir werden. Er hat mir außerdem noch warm ans Herz gelegt, Sie gut zu behandeln. Und der Wunsch eines Toten soll dem Menschen heilig sein«, setzte er mit leichtem Lächeln hinzu.

      Der Sekretär nahm die feste Männerhand, die sich ihm da so herzlich entgegenstreckte. Die Blicke der beiden Männer ruhten ineinander.

      Da wußte Swen, daß er genau wie sein Onkel mit diesem Menschen einen Getreuen auf Leben und Tod gewonnen hatte.

      *

      »Papi, du bist ein böser Mann!« behauptete die kleine Ilsetraut, die in trotziger Haltung vor dem Vater stand, kurz und bündig. »Du hast deine Ilsetraut so lange allein gelassen, und nun mag sie dich nicht mehr«, erklärte sie, während in ihren Augen dicke Tränen funkelten und sich das Mündchen verdächtig nach allen Seiten hin verzog.

      »Hallo, mein kriegerisches kleines Mädchen, nur immer sachte!« lachte der Baron belustigt. »Du weißt doch, daß ein kleiner Trotzkopf nie etwas mitgebracht bekommt?«

      »Will auch gar nichts haben!« trotzte sie weiter. »Und – und du hast ja auch überhaupt nichts«, setzte sie vorsichtig hinzu.

      »Das kommt ganz auf einen Versuch an«, neckte der Vater. »Wollen wir mal in meinem Koffer nachsehen?«

      »Ach, was wird da schon sein?« fragte sie immer noch wegwerfend, aber doch schon ein klein wenig unsicher. »Schokolade?«

      »Viel was Schöneres.«

      »Dann Bonbons, die immer knistern, wenn man reinbeißt?« steigerte sich ihre Erwartung.

      »Nein, noch Schöneres.«

      Einen Augenblick überlegte sie noch, kämpfte auch noch mit dem Trotz, aber dann war die Neugierde doch größer.

      »Weißt du was, Papi, am besten ist es, wir schauen mal nach«, schlug sie vor und schob ihr Patschchen in die Hand des lachenden Vaters.

      »Halt, halt, so leicht ist es denn doch nicht. Zuerst möchte ich eine Hand zum Willkomm, dann einen Kuß.«

      Das war nun wieder etwas, wozu sie sich trotz allem noch nicht entschließen konnte. Es hatte das Kind zu sehr gekränkt, daß der Vater es so lange allein gelassen.

      Aber das geheimnisvolle Mitbringsel im Koffer – das war es, was immer stärker zog.

      Einen kurzen Kampf noch mit dem vertrotzten Herzchen, ein nicht endenwollender, ­schier herzzerbrechender Seufzer, und der Papi wurde gar herzlich umarmt und geküßt. Dann eilte man nach dem Zimmer, wo der Koffer immer noch gepackt dastand.

      Einige Minuten mußte Ilsetraut noch vor Ungeduld zappeln, aber dann hielt sie ein Puppenkind im Arm ganz genauso, wie sie es sich immer so brennend gewünscht hatte. Sie strahlte vor Freude, und der Papi wurde vor Dankbarkeit fast erdrückt.

      Dann erst setzte sie sich auf den Fußboden und beschaute das neueste Puppenkind recht gründlich von allen Seiten.

      Der Vater stand dabei und lachte.

      »Na, du kleiner Wildfang, drehe deinem neuesten Opfer nur nicht gleich am ersten Tage den Hals um!« rief er lachend, während er das Töchterlein samt der Puppe auf den Arm hob. »Ich trage dich nach deinem Zimmer hinüber; ich habe mit Barbe zu sprechen. Wenn du allein hierbleibst, machst du mir zuviel Dummheiten«, erwog er aus allerlei bösen Erfahrungen heraus.

      Ilsetraut ließ sich auch willig hinwegtragen, sie war viel zu beschäftigt, um etwas dagegen einzuwenden.

      Und während sie in ihrem Zimmer mit der Puppe spielte, erfuhr Barbe, was sich in den letzten Tagen ereignet hatte. Die Alte, die ihren Herrn Baron förmlich vergötterte, lachte und weinte in einem Atemzug vor Freude über diese glänzende Schicksalswende.


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