Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman. Leni Behrendt

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Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman - Leni Behrendt


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daß er Fräulein Berledes herholte. Sie ist doch das Vermächtnis von Thomas an uns –«

      Bitterlich weinend drückte sie das Gesicht in die Hände, und da schwiegen die anderen betreten still.

      *

      Drei Tage waren vergangen, nachdem Silje Berledes ins Hadebrecht-Haus kam. Sie hatte diese Zeit mit Essen und Schlafen verbracht und dabei Körper und Nerven wunderbar gestärkt. Doch nun wurde der Schlaf bei Tag immer kürzer, und sie begann sich zu langweilen.

      »Das ist gut«, behauptete Philchen, die ihre Schutzbefohlene immer noch liebevoll betreute. »Langeweile ist der beste Heilfaktor.«

      »Aber schwer zu ertragen.«

      »Nun, so wollen wir für Abwechslung sorgen. Sag mal, was befindet sich eigentlich in diesem unförmigen Paket? Ich bin sonst gewiß nicht neugieriger, als es einem weiblichen Wesen zukommt, aber dieses Monstrum da habe ich direkt zu suggerieren versucht.«

      »Wenn du Mut hast, öffne die mysterlöse Angelegenheit – aber mache dich auf alles gefaßt«, blitzte Silje sie mutwillig an.

      »Mädchen, mir wird ganz gruselig. Nichtsdestotrotz – die Neugierde ist stärker.«

      Damit griff sie zur Schere und war eifrig bemüht, die feinen Stiche zu durchschneiden. Wie ein Geduldspiel empfand sie es – und sah dann fast andächtig auf den Geigenkasten, den die Hülle endlich entblößte.

      »Die Geige von Paps«, kam eine tränenerstickte Stimme vom Bett her. »Ich habe sie auch noch als Heiligtum gehütet, als schon längst bei uns Schmalhans Küchenmeister war. Die Geige ist mein kostbarster Besitz.«

      Verstohlen wischte Philchen die Tränen fort, die ihr über die Wangen liefen, und versuchte, ihrer Stimme Festigkeit zu geben. Fast burschikos klang es, als sie fragte: »Und was befindet sich in dem schäbigen Kasten?«

      »Darin liegen die wenigen Schmuckstücke, die meine Mutter bis zu ihrem Tod trug. Alles andere wurde verkauft.«

      So, so –«, tat Philchen gleichmütig, hob den Deckel von der wirklich schäbigen Pappschachtel – und erblickte darin ein kostbares Medaillon an einer Platinkette, ein schwergoldenes Armband und einen Ring mit einem Kleeblatt aus Smaragden, eingefaßt von Brillanten. Eine wundervolle Arbeit, die schon allein dem aparten Schmuckstück großen Wert verlieh.

      »Mehr nicht?« fragte Philchen trocken, und da mußte das Mädchen trotz seines Kummers lachen.

      »Tante Philchen, du verlangst aber auch gar zu viel von meiner Armseligkeit! Die Geige mit dem Schmuck zusammen bedeuten immerhin ein Vermögen.«

      »Hm – na ja. Kannst du nun wenigstens auf der Geige spielen, die du wie ein Zerberus zu hüten scheinst?«

      »Und ob!« strahlte es jetzt in den blauen Mädchenaugen auf. »Mein Paps hat mir doch Unterricht erteilt. Und er war ein großer Künstler – wenn das in diesem Hause auch nicht anerkannt wird.«

      »Das mußt du Grünschnäbelchen ja wissen«, brummte Philchen. »Schwing hier nicht so große Töne, spiel mir lieber etwas vor. Aber nicht so was Hochgeschraubtes, das kann mein einfältiges Gemüt nicht fassen.«

      Behutsam, als ob sie ein Heiligtum berührte, hob sie die Geige aus dem weichen Samt und reichte sie dem Mädchen hin, das dieses Kleinod ebenso behutsam entgegennahm. Um den Mund zuckte es wie verhaltenes Weinen, als Silje das Kinn an das glatte Holz legte, den Bogen ergriff und ihn leicht und federnd über die Saiten führte. Zuerst klang das Spiel noch unsicher und verworren, doch allmählich kristallisierte es sich zu klaren, weichen Tönen.

      »Leise flehen meine Lieder –«, klang die unvergessene Weise Schuberts süß durch das Gemach, und Philchen lauschte wie gebannt. Sie hinderte die Tränen nicht, die ihr über die Wangen liefen, in großen, glitzernden Tropfen – –

      Die Erinnerung kam. Greifbar nahe sah Philchen den strahlend schönen Jüngling Thomas vor sich, der diese Weise so oft und gern spielte – diese Weise, die auch Philchen in ihrer Jugendblütezeit erklungen war, von Meisterhand hervorgezaubert. Denn auch er war ein Geiger gewesen, den sie mit achtzehn Jahren so schwärmerisch liebte – und der diese Liebe lachend abtat, um in die Welt hinauszustürmen und dort Ruhm zu erringen.

      Wie lange war das her? Vierundvierzig Jahre. Doch dem erschüttert lauschenden Philchen kam es vor, als wäre es gestern gewesen.

      Und dann hatte der Neffe Thomas wieder diese Weise gespielt und damit das Herz der Tante gewonnen. Sie war ihrem Zwillingsbruder Philipp bitter gram, daß er das Talent seines ältesten Sohnes nicht anerkennen, ihn durchaus zwischen Ziegel und Zement zwingen wollte. Aber Thomas ließ sich nicht halten. Genauso wenig, wie der andere sich von der Liebe des Jungfräuleins Philchen halten ließ.

      Und auch Thomas war in die Welt hinausgestürmt – um auch, wie der andere, zu verderben und zu sterben? Wohl nicht ganz. Denn Thomas Brecht war immerhin sechsunddreißig Jahre alt geworden, hatte Ruhm errungen, hatte Liebe gegeben und genommen, ehe die Götter ihn abriefen in ihr Reich.

      Philchen schreckte aus ihrer schmerzlichen Vergangenheit auf, als das herrliche Spiel verklang. Wie hilflos stand es da, das zweiundsechzigjährige Fräulein, das in seiner Jugend alle anderen Männer, die sich ihm werbend nahten, ausschlug um des einen willen – –

      Ganz langsam, Schritt für Schritt, näherte sie sich dem Bett, von dem aus die junge Silje ihr mit bangen Augen entgegensah. Zart legten sich die weichen Mädchenarme um den Hals der Alternden, und eine tränenerstickte Stimme fragte:

      »Habe ich dir mit meinem Spiel wehgetan, du liebes Tantchen?«

      »Ach was, wohlgetan hast du mir!« polterte das resolute Philchen noch den letzten Rest von Wehmut fort. »Du kannst was, Mädelchen. Schule von deinem Paps?«

      »Ja. Er wollte eine Künstlerin aus mir machen, aber leider reichte mein Können dafür nicht aus.«

      »Ein Glück, daß die Kunst dich nicht unterjochen konnte. Es lebt sich ohne diesen Wahnwitz entschieden ruhiger und besser, mein Kind. Laß dich womöglich nicht doch noch in diese Klauen kriegen!«

      »Keine Angst!« lachte Silje. »So kunstbesessen bin ich nicht. Mir genügt schon das, was ich kann.«

      »Und das ist gewiß nicht wenig, Herzchen. Wenn das Eike wüßte, wie wunderbar du Geige spielen kannst, er würde vor Neid erblassen.«

      »Wer ist denn Eike?« fragte Silje neugierig, und Philchen lachte.

      »Ach so, den kennst du ja noch nicht. Eike ist der jüngere Bruder deines Paps, der auch wie dieser von Euterpe geküßt ist, wie es so schön heißt. Doch nur fürs Klavier, zur Geige langt der Kuß nicht. Aber das treibt er nur so nebenbei. Seine Hauptbeschäftigung gilt den Ziegeln und dem Zement.«

      »Komische Zusammensetzung!« lachte Silje fröhlich, und Philchen sah sie erstaunt an. »Wieso? Ziegel und Zement vertragen sich doch gut.«

      »Aber nur als Bausteine – nicht als Anhänger der Muse.«

      »Mädchen, du bist mir zu spitzfindig. Laß ab von den Musen, sag mir lieber, was du essen willst.«

      »Schon wieder mal? Ich komm mir ohnehin schon wie genudelt vor.«

      »Wenn übertreiben – denn richtig. Vorläufig kann von Nudeln noch gar keine Rede sein.«

      »Sag mal, Tante Philchen, wie lange gedenkst du mich eigentlich noch im Bett zu halten?«

      »Bis du kräftig genug bist, um fest auf deinen jetzt noch zitternden Beinchen zu stehen. Solange bleibst du in diesem Gewahrsam.«

      »Och, so übel ist das auch nicht«, streckte Silje sich wohlig im Bett. »Tante Phileleinchen, wie schön ist es doch, daß es dich gibt!«

      »Darüber freu’ ich mich auch immer«, kam die Antwort so trocken, daß Silje sich vor Lachen ausschütten wollte. Mit versteckter Rührung sah Philchen in das jetzt so strahlende Gesicht des jungen Menschenkindes, das der Bruder ihr erst vor einigen Tagen so warm ans Herz gelegt hatte.

      Nun,


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