Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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es Euch noch gänzlich an einem Stückchen Land mangelt! – Gott befohlen für jetzt!“ –

      Damit ging die Dame rasches Schrittes von dannen, indem der Capitan Pantalon ihr mit kreischendem Ton nachrief: „Stolze – Ungetreue! so belohnst du meine innige Liebe? Doch ich weiß mich zu trösten! –“

      Achtes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Wie der Prinz Cornelio Chiapperi sich nicht trösten konnte, der Prinzessin Brambilla Samtpantoffel küßte, beide dann aber eingefangen wurden in Filet. – Neue Wunder des Palastes Pistoja. – Wie zwei Zauberer auf Straußen durch den Urdarsee ritten und Platz nahmen in der Lotosblume. – Die Konigin Mystilis. – Wie bekannte Leute wieder auftreten und das Capriccio, Prinzessin Brambilla genannt, ein fröhliches Ende erreicht.

      Es schien indessen, als wenn Freund Capitan Pantalon, oder vielmehr der assyrische Prinz Cornelio Chiapperi, (denn der geneigte Leser weiß doch nun einmal, daß in der tollen fratzenhaften Maske eben niemand anders steckte, als diese verehrte fürstliche Person) ja! – es schien, als ob er sich ganz und gar nicht zu trösten gewußt hätte. Denn anderes Tages klagte er laut auf dem Korso, daß er die schönste der Prinzessinnen verloren, und daß er, fände er sie gar nicht wieder, sich in heller Verzweiflung sein hölzernes Schwert durch den Leib rennen wolle. Da aber bei diesem Weh sein Gebärdespiel das possierlichste war, das man sehen konnte, so fehlte es nicht, daß er sich bald von Masken aller Art umringt sah, die ihre Lust an ihm hatten. „Wo ist sie?“ rief er mit kläglicher Stimme, „wo ist sie geblieben, meine holde Braut, mein süßes Leben! – Habe ich darum mir meinen schönsten Backzahn ausreißen lassen von Meister Celionati? bin ich deshalb mir selbst nachgelaufen aus einem Winkel in den andern, um mich aufzufinden? ja! – habe ich darum mich wirklich aufgefunden, um ohne alles Besitztum an Liebe und Lust und gehöriger Länderei ein armseliges Leben hinzuschmachten? Leute! – weiß einer von euch, wo die Prinzessin steckt, so öffne er das Maul und sag es mir und lasse mich nicht hier so lamentieren unnützerweise, oder laufe hin zu der Schönsten und verkünde ihr, daß der treueste aller Ritter, der schmuckste aller Bräutigame hier vor lauter Sehnsucht, vor inbrünstigem Verlangen, hinlänglich wüte, und daß in den Flammen seines Liebesgrimms ganz Rom, ein zweites Troja, aufgehen könnte, wenn sie nicht alsbald komme und mit den feuchten Mondesstrahlen ihrer holdseligen Augen die Glut lösche!“ – Das Volk schlug ein unmäßiges Gelächter auf, aber eine gellende Stimme rief dazwischen: „Verrückter Prinz, meint Ihr, daß Euch die Prinzessin Brambilla entgegenkommen soll? – Habt Ihr den Palast Pistoja vergessen?“ „Ho ho“, erwiderte der Prinz, „schweigt, vorwitziger Gelbschnabel! Seid froh, daß Ihr dem Käficht entronnen! – Leute, schaut mich an und sagt, ob nicht ich der eigentliche bunte Vogel bin, der in Filetnetzen gefangen werden soll?“ Das Volk erhob abermals ein unmäßiges Gelächter; doch in demselben Augenblick stürzte der Capitan Pantalon wie ganz außer sich nieder auf die Knie; denn vor ihm stand sie selbst, die Schönste, in voller Pracht aller Holdseligkeit und Anmut und in denselben Kleidern, wie sie sich zum erstenmal auf dem Korso hatte blicken lassen, nur daß sie statt des Hütleins ein herrlich funkelndes Diadem auf der Stirne trug, aus dem bunte Federn emporstiegen. „Dein bin ich“, rief der Prinz im höchsten Entzücken, „dein bin ich nun ganz und gar. Sieh diese Federn auf meiner Sturmhaube! Sie sind die weiße Fahne, die ich aufgesteckt, das Zeichen, daß ich mich dir, du himmlisches Wesen, ergebe, rücksichtslos, auf Gnad und Ungnade!“ „So mußt es kommen“, erwiderte die Prinzessin; „unterwerfen mußtest du dich mir, der reichen Herrscherin, denn sonst fehlte es dir ja an der eigentlichen Heimat und du bliebst ein miserabler Prinz. Doch schwöre mir jetzt ewige Treue, bei diesem Symbol meiner unumschränkten Regentschaft!“ –

      Damit zog die Prinzessin einen kleinen zierlichen Samtpantoffel hervor und reichte ihn dem Prinzen hin, der ihn, nachdem er feierlich der Prinzessin ewige unwandelbare Treue geschworen, so wahr er zu existieren gedenke, dreimal küßte. Sowie dies geschehen, erscholl ein lautes, durchdringendes: „Bram-bure bil bal – Alamonsa kikiburva son-ton –!“ Das Paar war umringt von jenen, in reiche Talare verhüllten Damen, die, wie der geneigte Leser sich erinnern wird, im ersten Kapitel eingezogen in den Palast Pistoja, und hinter denen die zwölf reichgekleideten Mohren standen, welche aber, statt der langen Spieße, hohe wunderbar glänzende Pfauenfedern in den Händen hielten, die sie in den Lüften hin und her schwangen. Die Damen warfen aber Filetschleier über das Paar, die immer dichter und dichter es zuletzt verhüllten in tiefe Nacht.

      Als nun aber unter lautem Klang von Hörnern, Zimbeln und kleinen Pauken die Nebel des Filets hinabfielen, befand sich das Paar in dem Palast Pistoja und zwar in demselben Saal, in den vor wenigen Tagen der vorwitzige Schauspieler Giglio Fava eindrang.

      Aber herrlicher, viel herrlicher sah es jetzt in diesem Saal aus, als damals. Denn statt der einzigen Ampel, die den Saal erleuchtete, hingen jetzt wohl hundert ringsumher, so daß alles ganz und gar in Feuer zu stehen schien. Die Marmorsäulen, welche die hohe Kuppel trugen, waren mit üppigen Blumenkränzen umwunden; das seltsame Laubwerk der Decke, man wußte nicht, waren es bald buntgefiederte Vögel, bald anmutige Kinder, bald wunderbare Tiergestalten, die darin verflochten, schien sich lebendig zu regen und aus den Falten der goldnen Draperie des Thronhimmels leuchteten bald hier, bald dort freundlich lachende Antlitze holder Jungfrauen hervor. Die Damen standen, wie damals, aber noch prächtiger gekleidet, im Kreise ringsumher, machten aber nicht Filet, sondern streuten bald aus goldnen Vasen herrliche Blumen in den Saal, bald schwangen sie Rauchfässer, aus denen ein köstlicher Geruch empordampfte. Auf dem Throne standen aber in zärtlicher Umarmung der Zauberer Ruffiamonte und der Fürst Bastianello di Pistoja. Daß dieser kein anderer war, als eben der Marktschreier Celionati, darf kaum gesagt werden. Hinter dem fürstlichen Paar, das heißt, hinter dem Prinzen Cornelio Chiapperi und der Prinzessin Brambilla, stand ein kleiner Mann in einem sehr bunten Talar und hielt ein saubres Elfenbeinkästchen in den Händen, dessen Deckel offenstand und in dem nichts weiter befindlich, als eine kleine funkelnde Nähnadel, die er mit sehr heiterm Lächeln unverwandt anblickte.

      Der Zauberer Ruffiamonte und der Fürst Bastianello di Pistoja ließen endlich ab von der Umarmung und drückten sich nur noch was weniges die Hände. Dann aber rief der Fürst mit starker Stimme den Straußen zu: „Heda, ihr guten Leute! bringt doch einmal das große Buch herbei, damit mein Freund hier, der ehrliche Ruffiamonte, fein ablese, was noch zu lesen übrig!“ Die Strauße hüpften mit den Flügeln schlagend von dannen, und brachten das große Buch, das sie einem knienden Mohren auf den Rücken legten und dann aufschlugen.

      Der Magus, der unerachtet seines langen weißen Barts, ungemein hübsch und jugendlich aussah, trat hinan, räusperte sich und las folgende Verse:

      „Italien! – Land, des heitrer Sonnenhimmel

       Der Erde Lust in reicher Blut entzündet!

       O schönes Rom, wo lustiges Getümmel,

      Zur Maskenzeit, den Ernst vom Ernst entbindet!

       Es gaukeln froh der Fantasei Gestalten

       Auf bunter Bühne klein zum Ei gerundet;

      Das ist die Welt, anmutgen Spukes Walten.

       Der Genius mag aus dem Ich gebären

       Das Nicht-Ich, mag die eigne Brust zerspalten,

      Den Schmerz des Seins in hohe Lust verkehren.

       Das Land, die Stadt, die Welt, das Ich – gefunden

       Ist alles nun. In reiner Himmelsklarheit

      Erkennt das Paar sich selbst, nur treu verbunden

       Aufstrahlet ihm des Lebens tiefe Wahrheit.

       Nicht mehr mit bleicher Unlust mattem Tadel

      Betört den Sinn die überweise Narrheit;

       Erschlossen hat das Reich die Wundernadel

       Des Meisters. Tolles zauberisches Necken,

      Dem Genius gibt’s hohen Herrscheradel,

       Und darf zum Leben aus dem Traum


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