Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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Und ferne Quellen, Wälder, flüstern, rauschen.

      Geh auf, du Zauberland voll tausend Wonnen,

       Geh auf der Sehnsucht, Sehnsucht auszutauschen,

       Wenn sie sich selbst erschaut im Liebesbronnen!

      Das Wasser schwillt – Fort! stürzt euch in die Fluten!

       Kämpft an mit Macht! Bald ist der Strand gewonnen,

       Und hoch Entzücken strahlt in Feuergluten!“

      Der Magus klappte das Buch zu; aber in dem Augenblick stieg ein feuriger Dunst aus dem silbernen Trichter, den er auf dem Kopfe trug und erfüllte den Saal mehr und mehr. Und unter harmonischem Glockengetön, Harfen-und Posaunenklang, begann sich alles zu regen und wogte durcheinander. Die Kuppel stieg auf und wurde zum heitern Himmelsbogen, die Säulen wurden zu hohen Palmbäumen, der Goldstoff fiel nieder und wurde zum bunten gleißenden Blumengrund und der große Kristallspiegel zerfloß in einen hellen herrlichen See. Der feurige Dunst, der aus dem Trichter des Magus gestiegen, hatte sich nun auch ganz verzogen und kühle balsamische Lüfte wehten durch den unabsehbaren Zaubergarten voll der herrlichsten anmutigsten Büsche und Bäume und Blumen. Stärker tönte die Musik, es ging ein frohes Jauchzen auf, tausend Stimmen sangen:

      „Heil! hohes Heil dem schönen Urdarlande!

       Gereinigt, spiegelhell erglänzt sein Bronnen,

       Zerrissen sind des Dämons Kettenbande!“

      Plötzlich verstummte alles, Musik, Jauchzen, Gesang; in tiefem Schweigen schwangen der Magus Ruffiamonte und der Fürst Bastianello di Pistoja sich auf die beiden Strauße und schwammen nach der Lotosblume, die wie eine leuchtende Insel aus der Mitte des Sees emporragte. Sie stiegen in den Kelch dieser Lotosblume und diejenigen von den um den See versammelten Leuten, welche ein gutes Auge hatten, bemerkten ganz deutlich, daß die Zauberer aus einem Kästchen eine sehr kleine, aber auch sehr artige Porzellanpuppe hervornahmen und mitten in den Kelch der Blume schoben.

      Es begab sich, daß das Liebespaar, nämlich der Prinz Cornelio Chiapperi und die Prinzessin Brambilla, aus der Betäubung erwachten, in die sie versunken und unwillkürlich in den klaren spiegelhellen See schauten, an dessen Ufer sie sich befanden. Doch wie sie sich in dem See erblickten, da erkannten sie sich erst, schauten einander an, brachen in ein Lachen aus, das aber nach seiner wunderbaren Art nur jenem Lachen Königs Ophiochs und der Königin Liris zu vergleichen war, und fielen dann im höchsten Entzücken einander in die Arme.

      Und sowie das Paar lachte, da, o des herrlichen Wunders! stieg aus dem Kelch der Lotosblume ein göttlich Frauenbild empor und wurde höher und höher, bis das Haupt in das Himmelblau ragte, während man gewahrte, wie die Füße in der tiefsten Tiefe des Sees festwurzelten. In der funkelnden Krone auf ihrem Haupte saßen der Magus und der Fürst, schauten hinab auf das Volk, das ganz ausgelassen, ganz trunken vor Entzücken jauchzte und schrie: „Es lebe unsere hohe Königin Mystilis!“ während die Musik des Zaubergartens in vollen Akkorden ertönte.

      Und wiederum sangen tausend Stimmen:

      „Ja aus der Tiefe steigen selge Wonnen

       Und fliegen leuchtend in die Himmelsräume.

       Erschaut die Königin die uns gewonnen!

      Das Götterhaupt umschweben süße Träume,

       Dem Fußtritt öffnen sich die reichen Schachten. –

       Das wahre Sein im schönsten Lebenskeime

       Verstanden die, die sich erkannten – lachten!“ –

      Mitternacht war vorüber, das Volk strömte aus den Theatern. Da schlug die alte Beatrice das Fenster zu, aus dem sie hinausgeschaut, und sprach: „Es ist nun Zeit, daß ich alles bereite; denn bald kommt die Herrschaft, und bringt wohl noch gar den guten Signor Bescapi mit.“ So wie damals, als Giglio ihr den mit Leckerbissen gefüllten Korb hinauftragen mußte, hatte die Alte heute alles eingekauft zum leckern Mahl. Aber nicht wie damals durfte sie sich herumquälen in dem engen Loch, das eine Küche vorstellen sollte, und in dem engen armseligen Stübchen des Signor Pasquale. Sie hatte vielmehr über einen geräumigen Herd zu gebieten und über eine helle Kammer, so wie die Herrschaft wirklich in drei bis vier nicht zu großen Zimmern, in denen mehrere hübsche Tische, Stühle und sonstiges ganz leidliches Gerät befindlich, sich sattsam bewegen konnte.

      Indem die Alte nun ein feines Linnen über den Tisch breitete, den sie in die Mitte des Zimmers gerückt, sprach sie schmunzelnd: „Hm! – es ist doch ganz hübsch von dem Signor Bescapi, daß er uns nicht allein die artige Wohnung eingeräumt, sondern uns auch mit allem Notwendigen so reichlich versorgt hat. Nun ist wohl die Armut auf immer von uns gewichen!“

      Die Türe ging auf, und hinein trat Giglio Fava mit seiner Giacinta.

      „Laß dich“, sprach Giglio, „laß dich umarmen, mein süßes, holdes Weib! Laß es mich dir recht aus voller Seele sagen, daß erst seit dem Augenblick, da ich mit dir verbunden, mich die reinste herrlichste Lust des Lebens beseelt. – Jedesmal, wenn ich dich deine Smeraldinen, oder andere Rollen, die der wahre Scherz geboren, spielen sehe, oder dir als Brighella, als Truffaldino, oder als ein anderer humoristischer Fantast zur Seite stehe, geht mir im Innern eine ganze Welt der kecksten, sinnigsten Ironie auf und befeuert mein Spiel. – Doch sage mir, mein Leben, welch ein ganz besonderer Geist war heute über dich gekommen? – Nie hast du so recht aus dem Innersten heraus Blitze des anmutigsten weiblichen Humors geschleudert; nie warst du in der kecksten, fantastischten Laune so über alle Maßen hebenswürdig.“

      „Dasselbe“, erwiderte Giacinta, indem sie einen leichten Kuß auf Giglios Lippen drückte, „dasselbe möcht ich von dir sagen, mein geliebter Giglio! Auch du warst heute herrlicher, als je und hast vielleicht selbst nicht bemerkt, daß wir unsere Hauptszene unter dem anhaltenden gemütlichen Lachen der Zuschauer über eine halbe Stunde fort improvisierten. – Aber denkst du denn nicht daran, welch ein Tag heute ist? Ahndest du nicht, in welchen verhängnisvollen Stunden die besondere Begeisterung uns erfaßte? Erinnerst du dich nicht, daß es heute gerade ein Jahr her ist, da wir in den herrlichen hellen Urdarsee schauten und uns erkannten?“

      „Giacinta“, rief Giglio in freudigem Erstaunen, „Giacinta, was sprichst du? – Es liegt wie ein schöner Traum hinter mir, das Urdarland – der Urdarsee! – Aber nein! – es war kein Traum – wir haben uns erkannt! – O meine teuerste Prinzessin!“

      „Oh“, erwiderte Giacinta, „mein teuerster Prinz!“ – Und nun umarmten sie sich aufs neue und lachten laut auf und riefen durcheinander: „Dort liegt Persien – dort Indien – aber hier Bergamo – hier Frascati – unsere Reiche grenzen – nein nein, es ist ein und dasselbe Reich, in dem wir herrschen, ein mächtiges Fürstenpaar, es ist das schöne herrliche Urdarland selbst – Ha, welche Lust!“ –

      Und nun jauchzten sie im Zimmer umher und fielen sich wieder in die Arme und küßten sich und lachten. –

      „Sind sie“, brummte die alte Beatrice dazwischen, „sind sie nicht wie die ausgelassenen Kinder! – Ein ganzes Jahr schon verheiratet und liebeln noch und schnäbeln sich und springen umher und – o Heiland! werfen mir hier beinahe die Gläser vom Tische! – Ho ho – Signor Giglio, fahrt mir nicht mit Euerm Mantelzipfel hier ins Ragout – Signora Giacinta, habt Erbarmen mit dem Porzellan und laßt es leben!“

      Aber die beiden achteten nicht auf die Alte, sondern trieben ihr Wesen fort. Giacinta faßte den Giglio endlich bei den Armen, schaute ihm in die Augen und sprach: „Aber sage mir, lieber Giglio, du hast ihn doch erkannt, den kleinen Mann hinter uns, im bunten Talar mit der elfenbeinernen Schachtel?“ – „Warum“, erwiderte Giglio, „warum denn nicht, meine liebe Giacinta? Es war ja der gute Signor Bescapi mit seiner schöpferischen Nadel, unser jetziger treuer Impresario, der uns zuerst in der Gestalt, wie sie durch unser innerstes Wesen bedingt ist, auf die Bühne brachte. Und wer hätte denken sollen, daß dieser alte wahnsinnige Scharlatan –“

      „Ja“, fiel Giacinta dem Giglio in die Rede, „ja dieser alte Celionati in seinem zerrissenen Mantel und durchlöcherten Hute –“

      „–


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