Sex Revolts. Simon Reynolds

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Sex Revolts - Simon  Reynolds


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ein Landstreicher und roch Zeitzeugen zufolge auch so. Frauen waren seine »Soul Kitchen«, eine wärmende Feuerstelle, an der er sich kurz erholen konnte, bevor er weiterzog.

      Die archetypische Stones-Hymne »(I Can’t Get No) Satisfaction« protestierte 1965 gegen eine Gesellschaft, die jungen Männern die Möglichkeit einer ungezähmten, wilden Existenz verweigerte. Im Lexikon der Sehnsüchte Mitte der 1960er war »satisfaction« ein mehrdeutiger Schlüsselbegriff, der sexuelle wie existenzielle Konnotationen haben konnte. Und es war die Aussicht auf »satisfaction«, die die wilden Jungs in den Käfig der Ehe lockte. 1968 schlugen die Stones mit Songs wie »Jumpin’ Jack Flash« zurück, der die triumphale Geschichte eines Jungen erzählt, der sich den Kräften, die seine Ausgelassenheit unterdrücken, widersetzt – insbesondere der Meckerziege, die ihn großzog und mit einem Gürtel in die Schranken wies. Die Furcht davor, dass die Freundin sich in die Mutter verwandeln könnte, findet sich in »Have You Seen Your Mother, Baby, Standing in the Shadow?« wieder, während »Mother’s Little Helper« – ein geringschätziger Song über Hausfrauen mittleren Alters, die auf Beruhigungsmittel angewiesen sind – Frauen als die kraftlosen Opfer der Vorstadt ausmacht.

      Einer der bemerkenswertesten Songs der 1960er über die Mutter als bösartige, konterrevolutionäre Macht ist »Sarah Crazy Child« (1967) von John’s Children. Sarah ist ein wildes Mädchen, das seine Unschuld und seinen freien Geist plötzlich verliert. »Sarah Crazy Child is devouring all the street«, heißt es in der ersten Strophe noch voller Bewunderung, doch dann wird sie 13 und vergisst, »how to dream«. Ihr Bruder ist ähnlich rebellisch, doch beide sind nicht in der Lage, ihrem traurigen Schicksal zu entkommen, das irgendwie mit ihrer »broken dusty mother« und ihrem »face melted just like wax« zusammenhängt. Ihr freier Geist wird durch Konformität erstickt: »soullessly they submitted to the guillotine of their home«.

       THIS IS NOT A LOVE SONG

      Natürlich waren es nicht nur männliche Punkbands, die auf Vorstellungen von emotionaler Bindung nichts gaben, wie man am vergnügt-sarkastischen »Love Und Romance« der Slits sehen kann. Auch Gang of Fours Kritik an der Liebe war von der radikalfeministischen Kritik an Romantik, Heirat und Familie inspiriert worden. Wenn aber Frauen romantische Liebe hinterfragen, ist das ein Bruch mit der Norm (da von Singer-Songwriterinnen für gewöhnlich Lieder über Herzschmerz erwartet werden). Tun es Männer, reihen sie sich damit leider in eine lange Rock-Tradition ein. Die Ablehnung von Liebe hat sich im Punk gehalten: In den Linernotes ihres Albums Atomizer (1986) zollten Big Black den Bands Tribut, »die keine Liebeslieder schreiben« (was an die italienischen Futuristen erinnert, die erklärten, dass Maler dem Motiv der weiblichen Nacktheit abschwören sollten), während Nirvanas Millionenseller Nevermind (1991) zwei Songs beinhaltet – »Breed« und »In Bloom« –, die von einer Furcht vor der Fortpflanzung und emotionaler Stagnation durchzogen sind. »Breed« handelt laut Kurt Cobain von »der kleinstädtischen und ländlichen Mittelschicht in den USA, die mit 18 heiratet, schwanger wird, mit einem Baby festsitzt – und das alles gar nicht will«. (Ironischerweise war Cobain ein Jahr später selbst Ehemann und Vater.) Was die Punk-Metal-Wüstlinge von Guns N’ Roses angeht, so zeugt sogar ihr zärtlichster Song, »Sweet Child O’ Mine« (Appetite for Destruction, 1987), von starker Ambivalenz im Hinblick auf die Liebe. Zuerst schwärmt Axl Rose von seinem Mädchen als einem dem Mutterleib ähnlichen Schutzraum vor einer unerträglichen Welt. Doch am Ende wandelt sich die Musik von idyllisch zu wütend und Rose rennt gegen die Sackgasse des Glücks an: »Where do we go now?« Der Kokon scheint fast zu bequem geworden zu sein und Axl denkt sich: »Zeit für eine Pause.«

      Eigentlich wirkt Morrissey in seiner Musik und seinen Interviews wie das Musterbeispiel eines Muttersöhnchens. In einem seiner Songs jedoch – »The Queen Is Dead« vom gleichnamigen The-Smiths-Album (1986) – scheint er sich lossagen zu wollen. »The Queen Is Dead« ist eine komplexe Allegorie auf den Niedergang Englands. Ganz bewusst knüpft es an »God Save the Queen« an, die antiroyalistische Hymne der Sex Pistols, die gegen die Jubiläumsfeiern von 1977 schoss und sich so gegen die regressive Nostalgie und Sehnsucht nach dem verloren gegangenen Glanz des britischen Imperiums richtete. Unbewusst scheint »The Queen Is Dead« auch auf Malcolm McLarens Perspektive zurückzugreifen, der die englische Kultur für inzestuös, klaustrophobisch und dem Tod geweiht hielt. Eine Strophe richtet sich an Prinz Charles, der scherzhaft gefragt wird, ob er denn nie im Hochzeitsgewand seiner Mutter auf den Titelbildern der Boulevardzeitungen erscheinen wollte. Diese sonderbare Identifizierung mit dem Prinzen von Wales lässt sich vielleicht am besten als Anerkennung einer Gemeinsamkeit zwischen Morrissey und Charles erklären: hier der asketische Einsiedler, dessen Leben nie begonnen hat,


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