Sex Revolts. Simon Reynolds

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Sex Revolts - Simon  Reynolds


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Feindseligkeit des Gangsterrappers Ice T gegenüber dem weißen Amerika spezifisch gegen »yo moms« (vielleicht wegen des matronenhaften öffentlichen Images des Parents Music Resource Centers, das sich für die Zensur von Rockmusik einsetzte1). Die Bedrohung, die Ice T so lustvoll zelebriert, liegt in seinem Einfluss auf weiße Kids begründet, die damit aufwachsen, schwarz und gerissen sein und die Ketten der spießigen Werte ihrer Mütter sprengen zu wollen.

      Im Nachkriegsamerika verknüpfte sich die Furcht vor Momism mit anderen Ängsten, etwa vor dem Kommunismus oder der Demokratisierung der Kultur. Wie der Pseudo-Freudianismus, von dem er letzten Endes abstammt, drang auch der Anti-Momism in die Popkultur selbst vor: als Möglichkeit, jemandem für den ausdruckslosen Konformismus im Amerika der 1950er die Schuld zu geben. Frauen und Mütter galten als die Verwalterinnen der Häuslichkeit (statt als das, was deutlich näher liegen würde, nämlich als ihre größten Opfer), die ihre Ehemänner dem 9 to 5-Regime des Broterwerbs als Sklaven überlassen. Mütter waren demnach auch schuld an der Kriminalität, weil sie ihre Söhne schlecht erzogen, indem sie diese mit ihrer Liebe überschütteten. In dieser seltsamen Doppelmoral wurden Frauen gleichzeitig als Architektinnen des konventionellen Lebens – mit all seinen Einschränkungen und Fesseln für die männliche Ungezähmtheit – und als die sichtbarsten Opfer desselben betrachtet: zugleich Kastrierende und Kastrierte.

      Diese pseudo-freudianische Analyse zog sich durch die Massenkultur der 1950er/60er, durch Filme wie Wie bringt man seine Frau um? oder Psycho – Norman Bates ermordet seine Mutter, weil er die nahezu inzestuöse Intimität zwischen den beiden durch ihre geplante Wiederverheiratung gefährdet sieht und verinnerlicht dann ihre Persönlichkeit aus Schuldgefühlen. Wann immer Norman eine Frau attraktiv findet, ist diese Phantom-Mutter genauso eifersüchtig und zwingt ihn, ihre Rivalin aus dem Weg zu räumen. Mehr Bezug zu Rock ’n’ Roll hat der ungezügelte Anti-Momism von … denn sie wissen nicht, was sie tun. Gleich zu Beginn macht der Film in einer Szene, in der der betrunkene, undisziplinierte James Dean einem verständnisvollen Polizisten sein Herz ausschüttet, klar, dass die Verfehlungen des Teenagers seine dominante Mutter und seinen schwachen Vater zur Ursache haben. Sein Zuhause beherbergt sogar zwei kastrierende Mütter, denn seine Großmutter mütterlicherseits lebt ebenfalls mit im Haushalt. Und so jammert Dean: »They eat [Dad] alive … they make mush out of him, just mush«, und er fügt hinzu: »If he had the guts to knock Mum cold once, then she’d be happy and stop picking on him.« Das Leiden seines Charakters liegt in der Abwesenheit eines starken väterlichen/männlichen Prinzips begründet, mit dem er sich identifizieren könnte. Ohne dieses ist er der monströsen Herrschaft der Frauen schutzlos ausgeliefert.

      John Osbornes Blick zurück im Zorn spielte für eine Generation unzufriedener Jugendlicher in Großbritannien eine ähnliche Rolle wie … denn sie wissen nicht, was sie tun in den USA. Oberflächlich betrachtet liest sich das Theaterstück als beißende Antwort auf den Niedergang Großbritanniens nach dem Ende des Empires, auf die Schwerfälligkeit der 1950er, als sich die Hoffnungen auf einen Wiederaufbau, die während des Zweiten Weltkriegs geweckt wurden, als leer entpuppten und die konservative Regierung versuchte, eine glanzlose Version der gesellschaftlichen Ordnung vor dem Krieg zusammenzuflicken. So zumindest wurde das Stück sowohl von der Fan- als auch der Gegenseite aufgefasst. Doch der psychosexuelle Subtext von Blick zurück im Zorn ist dem von … denn sie wissen nicht, was sie tun sehr ähnlich: die Absenz eines starken patriarchalen Prinzips zur Identifikation, das Leid junger Männer in einer herrenlosen Welt voller impotenter Väter, und über allem thront eine bösartige Furcht und Abscheu vor Frauen, den Repräsentantinnen einer alles durchziehenden Mittelmäßigkeit.

      Der Rebellen-Diskurs der 1950er wird von der Figur der Matriarchin als Cheforganisatorin von Konformismus und Mittelmäßigkeit heimgesucht. Der Dichter Ted Hughes beschrieb die literarische Tradition des englischen Mainstreams als »erstickenden mütterlichen Oktopus«. Alice Jardine hat eine Tradition des literarischen Muttermordes in den Werken amerikanischer Autoren des 20. Jahrhunderts ausgemacht: Bei Autoren wie Norman Mailer, Henry Miller und William S. Burroughs stellt die Mutter »nahezu immer eine bösartige, grausame, chaotische, unkontrollierbare, essenziell monströse phallische Macht« dar. Ganz besonders in Burroughs’ fiktiven Werken, fügt Robin Lydenberg hinzu, sei die Mutter, gemessen an konventionellen Vorstellungen von Geschlechtsunterschieden und Familienstruktur, ein notwendiges Werkzeug innerhalb eines größeren Systems patriarchaler Macht, das versucht, das Individuum von Anbeginn seines Lebens zu dominieren.

      Die Rockmusik der 1960er gründete auf genau dieser Gegenüberstellung von rebellischer Männlichkeit und der Frau als Inkarnation des Konformismus. Rebellische Frauen fanden sich in einer Zwickmühle wieder. So schreibt Ellen Willis in einem Essay über Bob Dylan: »Damals habe ich die Vorstellung, dass Frauen die Hüterinnen unterdrückerischer konventioneller Werte seien, nicht hinterfragt: Ich hielt mich einfach für eine Ausnahme. Ich war nicht besitzergreifend. Ich konnte das Verlangen der Männer nachvollziehen, unterwegs zu sein, denn spirituell gesprochen war ich selbst unterwegs. Das war zumindest meine Fantasie. Meine Lebenswirklichkeit war nicht so eindeutig.«


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