Die Kreuzritter. Henryk Sienkiewicz

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Die Kreuzritter - Henryk Sienkiewicz


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Kreuzritter. Aber als Litauer gewöhnt, dem Willen des Großfürsten blindlings zu gehorchen und selbst bestürzt über dessen Zorn, begann er unterwegs in seiner Weise, dem jungen Ritter freundschaftlich zuzureden und sagte: »Weißt Du, was ich Dir rate? Hänge Dich sofort auf. Der König ist erbost – also wird man Dir den Kopf abhauen. Warum solltest Du ihn nicht wieder guten Mutes machen? Hänge Dich auf, Kamerad! Bei uns ist dies Sitte!«

       Noch halb betäubt vor Scham und Schrecken, schien Zbyszko anfangs die Worte des Knäs nicht recht zu begreifen, aber schließlich verstand er sie und blieb voll Verwunderung stehen.

       »Was sagst Du?«

       »Hänge Du Dich auf. Wozu solltest Du Dich erst aburteilen lassen? Den König machst Du dadurch wieder guten Mutes,« wiederholte Jamont.

       »Hänge Du Dich auf!« rief der junge Ritter. »Im Grunde bist Du noch ein Heide, obwohl Du getauft bist, denn Du weißt nicht einmal, daß es bei den Christen Sünde ist, so etwas zu thun.«

       Der Knäs zuckte die Achseln.

       »Es würde ja nicht aus freiem Willen geschehen. Also lasse Dir den Kopf abschlagen, wenn Du dies vorziehst.«

       Wohl fuhr es Zbyszko durch den Sinn, daß er den Bojaren für solche Worte zum Zweikampfe, zu Fuß oder zu Pferd, mit dem Schwerte oder mit dem Beile herausfordern müsse, doch unterdrückte er dies Verlangen sofort wieder. Sagte er sich doch, daß ihm schwerlich Zeit dafür bleibe. Daher senkte er traurig das Haupt und schweigend ließ er sich den Händen der Bogenschützen übergeben.

       Im Saale wurde indessen die allgemeine Aufmerksamkeit von andern Ereignissen in Anspruch genommen. Als Danusia sah, was vorging, erschrak sie dermaßen, daß ihr der Atem in der Brust stockte. Ihr Antlitz war totenbleich, ihre Augen traten vor Entsetzen weit hervor, regungslos wie ein Wachsbild in der Kirche schaute sie auf den König. Und als sie schließlich hörte, ihrem Zbyszko solle der Kopf abgehauen werden, als er festgenommen und fortgeführt wurde, da ergriff sie unendliches Leid. Ihr ganzes Gesicht und ihre Lippen begannen zu zucken, nichts half, weder die Furcht vor dem König, noch daß sie sich mit den Zähnchen in die Lippen biß – zuletzt brach sie in so lautes, schmerzliches Schluchzen aus, daß aller Augen sich auf sie richteten, und selbst der König sagte: »Wer ist das?«

       »Allergnädigster König!« rief die Fürstin Anna, »das ist die Tochter Jurands aus Spychow, die Herrin jenes unseligen Ritters. Er versprach ihr drei Pfauenbüsche von den Helmen der Deutschen, und da der Komtur eine derartige Helmzier trug, glaubte er, dieser werde ihm von Gott selbst gesandt. Nicht aus Böswilligkeit hat er dies gethan, o Herr, sondern nur aus Unverstand, deshalb sei ihm gnädig und strafe ihn nicht, auf den Knien bitten wir Dich darum!«

       Bei diesen Worten erhob sie sich, und Danusia an der Hand nehmend, eilte sie mit ihr auf den König zu. Er wich etwas zurück, aber beide knieten vor ihm nieder und Danusia rief, während sie mit den Händchen die Füße des Herrschers umschlang: »Gnade für Zbyszko, König, Gnade!«

       Und in leidenschaftlicher Erregung, in der höchsten Angst, verbarg sie ihr helles Köpfchen in dem weiten grauen Gewande des Königs, indem sie dessen Knie küßte und dabei zitterte wie Espenlaub. Die Fürstin Anna Zicmowit kniete auf der andern Seite und hielt die gefalteten Hände demütig zum König empor, in dessen Antlitz sich Sorge und Verwirrung ausdrückten. Zwar schob er seinen Lehnstuhl etwas zurück, doch stieß er Danusia nicht gewaltsam von sich, sondern bewegte nur beide Hände, als ob er eine Fliege von sich abwehren wolle.

       »Laßt mich in Frieden!« rief er. »Der Jüngling hat eine große Schuld auf sich geladen, denn der Schimpf trifft das ganze Königreich. Sein Haupt muß fallen!«

       Doch die kleinen Hände schlangen sich immer fester um seine Knie, und die kindliche Stimme klang immer trauriger: »Gnade für Zbyszko, König, Gnade für Zbyszko.«

       Alsdann ließen sich auch die Ritter vernehmen:

       »Des Mädchens Vater, Jurand aus Spychow, der berühmte Ritter, ist ein Schrecken für die Kreuzritter.«

       »Und jener Jüngling hat sich schon bei Wilna sehr verdient gemacht,« fügte Powala hinzu.

       Aber der König blieb unerschütterlich, obgleich er selbst durch Danusias Bitten gerührt war.

       »Laßt mich in Frieden!« sagte er abermals. »Nicht mir hat er Böses angethan, und nicht ich kann ihn begnadigen. Mag ihm der Gesandte des Ordens verzeihen, dann verzeihe auch ich ihm, wenn nicht, so falle sein Haupt.«

       »Verzeiht ihm, Kuno!« rief Zawisza Sulimczyki, der Schwarze. »Sogar der Meister wird Euch nicht darob tadeln!«

       »Gnade für ihn, Herr,« riefen beide Fürstinnen.

       Kuno drückte die Augen zu und erhob stolz sein Haupt, wie wenn er darüber frohlocke, daß sowohl die beiden Fürstinnen als auch so namhafte Ritter sich zu einer Bitte an ihn verstanden. Im nächsten Augenblick jedoch veränderte sich sein Gesichtsausdruck vollständig, er senkte den Kopf, faltete die Hände auf der Brust, sein Stolz verwandelte sich in Demut und in gedämpftem, sanftem Tone sprach er: »Christus, unser Erlöser, vergab dem Sünder am Kreuze und seinen Feinden ...«

       »So spricht ein wahrer Ritter!« rief Bischof Wysz.

       »Ja, ein wahrer Ritter!«

       »Weshalb sollte ich ihm nicht verzeihen, da ich nicht nur ein Christ, sondern mich ein Ordensbruder bin?« fuhr Kuno fort. »Ich verzeihe ihm von ganzem Herzen als Diener Christi und als Ordensbruder.«

       »Ehre sei ihm!« rief Powala von Taczew.

       »Ehre und Ruhm!« stimmten die andern bei.

       »Aber,« begann der Kreuzritter wieder, »ich bin ja Gesandter hier bei Euch, und in mir ist die hohe Würde des ganzen Ordens verkörpert. Wer daher mich, den Gesandten, beleidigt, der beleidigt den Orden, und wer den Orden beleidigt, der beleidigt Christus selbst. Deshalb kann ich die Kränkung, Gott und den Menschen gegenüber, nicht verzeihen – wenn aber Eure Gesetze sie ungestraft hingehen lassen, soll es allen christlichen Magnaten kund gethan werden.«

       Nach diesen Worten trat ein dumpfes Schweigen ein. Man vernahm nur Zähneknirschen, die schweren Atemzüge unterdrückter Wut und das Schluchzen Danusias.

       Als der Abend anbrach, waren alle Herzen Zbyszko zugeneigt. Sogar diejenigen Ritter, welche des Morgens bereit gewesen waren, ihn auf einen Wink des Königs hin mit dem Schwerte zu durchbohren, suchten jetzt ein Mittel ausfindig zu machen, wodurch sie ihm helfen könnten. Die beiden Fürstinnen beschlossen, sich mit der Bitte an die Königin zu wenden, sie möge Lichtenstein veranlassen, von der Klage abzustehen, oder sie möge im Notfalle an den Großmeister des Ordens schreiben, auf daß er Kuno befehle, die Sache fallen zu lassen. Dieser Weg schien umso sicherer zu sein, als Jadwiga eine solche Verehrung gezollt ward, daß der Großmeister sich den Zorn des Papstes und den Tadel aller christlichen Fürsten zugezogen hätte, wenn er nicht auf ihre Bitte eingegangen wäre. Auch durfte man dies kaum annehmen, da Konrad von Jungingen ein friedliebender Mensch und weit milder war als seine Vorgänger. Unglücklicherweise aber verbot Wysz, der Bischof von Krakau, welcher der Leibarzt der Königin war, aufs strengste, die Sache auch nur mit einem Worte vor ihr zu erwähnen.

       »Jedes Todesurteil macht ihr Kummer,« sagte er, »sogar wenn ein Straßenräuber der gerechten Strafe verfällt, nimmt sie es sich zu Herzen, wie wäre es also erst jetzt, da es einem Jüngling an das Leben geht, welcher sicherlich ihr Mitleid verdient. Jede Sorge könnte ihr schaden, ihre Gesundheit ist jedoch von größerer Bedeutung für das Königreich, als die Häupter von zehn Rittern zusammengenommen.« Schließlich erklärte der Bischof, wer es wage, seinen Worten entgegenzuhandeln und die Herrin zu beunruhigen, der ziehe sich den Zorn des Königs zu.

       Durch diese Erklärung erschreckt, standen die beiden Fürstinnen von ihrem Vorhaben ab und beschlossen,


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