Die Kreuzritter. Henryk Sienkiewicz

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Die Kreuzritter - Henryk Sienkiewicz


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übergaben, um von hier aus zu Fuße weiter zu gehen; war es doch ein Ding der Unmöglichkeit, durch das Dickicht oder über die Sümpfe zu reiten. Unterwegs wies Jagienka auf einen dichten Wald, der sich hinter einer großen, mit Sumpfgewächsen bedeckten Wiese hinzog, und sagte: »Dieser Wald gehört Cztan aus Rogow.«

       »Dem, der Dich gern zum Weibe nehmen möchte?«

       Sie fing an zu lachen.

       »Er würde mich schon nehmen, wenn ich mich nehmen ließe.«

       »Du wirst Dich schon vor ihm schützen können, da Dir Wilk beisteht. Wie ich gehört habe, sollen sie ja wie Hunde fortwährend die Zähne gegen einander fletschen. Ich möchte nur wissen, weshalb sie sich noch nicht auf Leben und Tod gefordert haben.«

       »Weil das Väterchen, als es in den Krieg zog, also zu ihnen sprach: ›Wenn Ihr Euch schlagen werdet, dann kommt mir keiner von Euch mehr unter die Augen.‹ Was sollten sie daher machen? Und dann! Was schnauben beide vor Wut, wenn sie in Zgorzelic zusammentreffen, später aber trinken sie in der Schenke gemeinsam so lange, bis sie unter den Tisch fallen.«

       »Das sind einfältige Burschen!«

       »Warum denn?«

       »Nun, wenn Zych nicht zu Hause war, hätte doch der eine oder der andere in Zgorzelic einfallen und Dich mit Gewalt entführen können.«

       Jagienkas blaue Augen funkelten mit einem Male. »Glaubst Du denn, daß ich mir dies gefallen ließe? Als ob es in Zgorzelic keine Knechte gäbe, als ob ich den Speer und die Armbrust nicht zu führen wüßte! Sie sollen es nur einmal probieren, die beiden! Schön würde ich einen jeden nach Hause jagen, um dann noch selbst Nogow, oder Brzozowa anzugreifen. Das Väterchen wußte, daß es ruhig in den Krieg ziehen konnte.«

       Bei diesen Worten blickte sie so wild um sich her und schüttelte so drohend die Armbrust, daß Zbyszko lachend erklärte: »Ei, ei. Du solltest ein Ritter und nicht ein Mädchen sein!«

       Sie aber beruhigte sich sofort wieder und entgegnete: »Ja, ja, Cztan schützte mich vor Wilk, und Wilk vor Cztan. Zudem stand ich auch unter der Obhut des Abtes, und den Abt zu reizen, ist nicht geraten.«

       »Ach was, alle fürchten sich vor dem Abte, aber ich – und ich sage die Wahrheit, so wahr mir der heilige Jerzy beistehen soll – fürchtete mich weder vor dem Abte noch vor Zych, weder vor den Zgorzelicer Knechten noch vor Dir, wenn ich Dich haben möchte.«

       Auf diese Worte hin blieb Jagienka plötzlich stehen, schaute den Sprechenden prüfend an, und fragte langsam und in seltsam weichem Tone: »Möchtest Du mich haben?«

       Mit glühenden Wangen und weit geöffnetem Munde harrte sie dann auf seine Antwort.

       Doch er hatte augenscheinlich nur davon gesprochen, was er an Stelle von Wilk oder von Cztan thun würde. So schüttelte er denn nach kurzem Schweigen sein goldblondes Haupt und erklärte: »Wozu soll es dienen, wenn ein Mädchen sich den Burschen widersetzt, da sie einmal heiraten muß? Findet sich kein dritter Bewerber, bleibt Dir ja doch nichts anderes übrig, als einen der beiden zu wählen. Oder vielleicht nicht?«

       »In der Weise solltest Du nicht mit mir reden!« warf das Mädchen traurig ein.

       »Weshalb denn nicht? Ich bin lange von hier fort gewesen, ich weiß daher nicht, ob es in der Nähe von Zgorzelic jemand giebt, welcher Dir besser gefallen würde.«

       »Ach,« meinte nun Jagienka, »laß mich in Frieden.«

       Schweigend gingen sie weiter. Nur langsam kamen sie durch das Gehölz, das immer dichter wurde, weil Bäume und Sträucher mit wildem Hopfen bewachsen waren. Zbyszko, voranschreitend, bahnte den Weg, indem er teils das Gestrüpp auseinander riß, teils die hindernden Aeste zurückbog. Jagienka, der Jagdgöttin ähnlich, folgte ihm mit der Armbrust auf der Schulter.

       »Hinter diesem Gehölze werden wir an einen reißenden Bach kommen,« bemerkte das Mädchen nach einiger Zeit, »doch kenne ich eine Stelle, wo eine Furt ist.«

       »Meine Lederschuhe reichen bis zu den Knien, wir werden also trocken hinüber gelangen,« antwortete Zbyszko.

       Bald darauf standen sie an dem Bache. Mit Leichtigkeit fand Jagienka die Furt, kannte sie doch die Wälder von Moczydoly ganz genau. Es zeigte sich indessen bald, wie stark das Bächlein durch den Regen angeschwollen war, denn die ganze Furt stand unter Wasser. Da nahm Zbyszko, ohne lange zu fragen, das Mädchen auf die Arme.

       »Laß mich, ich kann allein hinüber gehen!« rief Jagienka.

       »Faß mich um den Hals!« lautete indessen Zbyszkos Antwort.

       Behutsam schritt er über die überschwemmte Furt, vorsichtig mit dem Fuße immer wieder probierend, ob er auch sicheren Boden unter sich habe. Jagienka aber schmiegte sich jetzt, wie er es gewünscht hatte, dicht an ihn an. Ehe sie jedoch das andere Ufer erreichten, sagte sie plötzlich: »Zbyszko!«

       »Ja, was willst Du?«

       »Ich nehme weder Cztan, noch Wilk!«

       Fest hielt er sie inzwischen in seinen Armen, ließ sie dann achtsam auf das Geröll herabgleiten und erwiderte nach einer Weile etwas verwirrt: »Möge Dir Gott das zu teil werden lassen, was das Beste für Dich ist. Dann wird es Dir nicht schlimm ergehen.«

       Sie befanden sich jetzt nicht mehr sehr weit von dem Ostapange-See. Jagienka ging nun voran. Von Zeit zu Zeit wandte sie sich um und legte, ihrem Begleiter Schweigen gebietend, den Finger auf den Mund. Aus feuchtem, morastigem Grunde führte sie ihr Weg zwischen Gestrüpp und grauen Weiden hindurch. Von rechts her drang ein merkwürdiges Geräusch zu ihnen, das nur von Vögeln herrühren konnte und welches Zbyszko mit Staunen erfüllte, da um diese Zeit die Zugvögel gewöhnlich schon nach dem Süden gezogen waren.

       »Dort ist eine nie zufrierende Stelle,« flüsterte Jagienka, »wo sich Enten aufhalten. Aber auch der See gefriert selbst bei der größten Kälte nur längs des Ufers. Sieh nur, welch ein Dunst hier aufsteigt.«

       Zbyszko schaute durch das Gestrüpp. Sein Blick fiel auf eine graue Nebelwand, die den See vor ihren Blicken verbarg.

       Abermals legte Jagienka den Finger auf den Mund; schon nach wenigen Sekunden hatten sie ihr Ziel erreicht. Behutsam kroch das Mädchen unter eine alte Weide, deren Aeste fast in das Wasser hingen. Zbyszko folgte dem Beispiele Jagienkas. Geraume Zeit hindurch verhielten sich die beiden völlig still. Durch den dichten Nebel vermochten sie nichts zu unterscheiden, nur über ihren Köpfen ertönte in regelmäßigen Zwischenräumen das klagende Piepen der Kiebitze. Schließlich jedoch erhob sich ein Wind; die Gesträuche, das gelb gefärbte Laub der Weiden rauschten, der Nebelschleier senkte sich langsam und die leicht bewegte, völlig verödete Oberfläche des Sees ward sichtbar.

      »Ist nichts zu sehen?« flüsterte Zbyszko.

       »Nichts. Verhalte Dich ruhig!«

       Der Luftzug ließ jedoch bald wieder nach, eine tiefe Stille trat ein. Da mit einem Male zeigte sich auf der Oberfläche des Wassers ein dunkler Kopf, ein zweiter ward sichtbar und endlich, endlich tauchte ganz in der Nähe der Lauernden ein großer Biber, einen frischgebrochenen Zweig im Maule, vom Ufer ins Wasser. Die Schnauze in die Höhe haltend, den Zweig mit sich ziehend, schwamm er zwischen den Wasserlinsen und den Enten umher. Zbyszko, der näher am Stamm lag als Jagienka, bemerkte plötzlich, wie diese vorsichtig den Arm hob und das Haupt weit vorsteckte: augenscheinlich zielte sie auf das Tier, welches, die Gefahr nicht ahnend, die es bedrohte, kaum einen Pfeilschuß von dem kahlen Ufer entfernt, hin und her schwamm.

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      Der Jüngling ergriff mit der einen Hand die Zöpfe, mit der andern preßte er das


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