Krieg und Frieden. Лев Толстой

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Krieg und Frieden - Лев Толстой


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die eine große Ähnlichkeit mit der Melodie des lustigen Bauerntanzes Trepak hatten, erschienen auf einmal in allen Saaltüren die lächelnden Gesichter auf der einen Seite des männlichen, auf der andern des weiblichen Hausgesindes, welches herbeigelaufen war, um zu sehen, wie fidel der Herr des Hauses tanzte.

      »Nein, unser Väterchen! Wie ein Hirsch!« sagte laut von der einen Tür her die Kinderfrau.

      Der Graf tanzte gut und war sich dessen bewußt; seine Dame hingegen konnte nicht gut tanzen und strebte auch gar nicht danach, etwas Besonderes zu leisten. Ihr kolossaler Körper stand gerade, während die mächtigen Arme schlaff herabhingen (ihren Ridikül hatte sie der Gräfin übergeben); es tanzte eigentlich nur ihr ernstes, aber hübsches Gesicht. Was bei dem Grafen in seiner ganzen rundlichen Figur zum Ausdruck kam, sprach sich bei Marja Dmitrijewna nur in dem allmählich immer deutlicher lächelnden Gesicht und in der sich immer mehr in die Höhe hebenden Nase aus. Aber wenn der Graf, der immer mehr in Zug kam, die Zuschauer durch die überraschende Gewandtheit seiner Fußstellungen und die behenden Sprünge seiner geschmeidigen Beine entzückte, so brachte demgegenüber Marja Dmitrijewna trotz des nur sehr geringen Eifers, den sie in den Bewegungen der Schultern oder in der runden Haltung der Arme bei Umdrehungen und beim Aufstampfen bewies, doch einen nicht minderen Eindruck hervor, indem ein jeder bei der Würdigung ihrer Leistungen verdientermaßen ihre Beleibtheit und ihr sonst so ernstes Wesen berücksichtigte. Der Tanz wurde immer lebhafter. Ein den beiden vis-à-vis tanzendes Paar konnte auch nicht für einen Augenblick die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und versuchte es nicht einmal. Das allgemeine Interesse konzentrierte sich auf den Grafen und Marja Dmitrijewna. Natascha zupfte alle in der Nähe Stehenden an den Ärmeln und Kleidern, obgleich diese auch so schon kein Auge von den Tanzenden wandten, und verlangte, sie sollten doch ihr Papachen ansehen. In den kurzen Pausen des Tanzes schöpfte der Graf mit Anstrengung wieder Luft, aber er winkte den Musikanten und rief ihnen zu, sie sollten schneller spielen. Immer schneller und schneller, immer kunstvoller und kunstvoller drehte und schwenkte sich der Graf; bald tanzte er auf den Fußspitzen, bald auf den Hacken um Marja Dmitrijewna herum. Endlich drehte er seine Dame so um, daß sie wieder auf ihren ursprünglichen Platz zu stehen kam, und führte den letzten Pas aus, indem er sein geschmeidiges Bein nach hinten in die Höhe hob, den von Schweiß bedeckten Kopf mit dem lächelnden Gesicht tief hinabbeugte und mit dem rechten Arm eine große runde Bewegung machte – unter lautschallendem Händeklatschen und Lachen der Zuschauer, wobei sich Natascha besonders hervortat. Die beiden Tanzenden standen still, rangen mühsam nach Atem und trockneten sich mit ihren Batisttüchern das Gesicht.

      »Ja, ja, so tanzte man zu unserer Zeit, meine Teuerste!« sagte der Graf.

      »Ein famoser Tanz, dieser Danilo Kupor!« erwiderte Marja Dmitrijewna, indem sie schwer und langsam aus- und einatmete, und streifte sich die Ärmel in die Höhe.

      XXI

      Während im Sall bei Rostows nach den Klängen der vor Ermattung falsch spielenden Musikanten die sechste Anglaise getanzt wurde und die müden Diener und Köche das Abendessen herrichteten, erlitt Graf Besuchow einen sechsten Schlaganfall. Die Ärzte erklärten, es bestände keine Hoffnung auf Genesung mehr. Dem Kranken wurde die Beichte in der Weise abgenommen, daß er dem Geistlichen nur durch Zeichen antwortete, und darauf das Abendmahl gereicht; dann traf man die nötigen Vorbereitungen zur Letzten Ölung, und es herrschte im Haus ein geschäftiges Treiben und eine erwartungsvolle Unruhe, wie sie eben in solchen Augenblicken das Gewöhnliche sind. Außerhalb des Hauses, vor dem Torweg, drängten sich, vor den heranrollenden Equipagen sich verbergend, die Sargmacher, welche eine gewinnbringende Bestellung für das Begräbnis des reichen Grafen erwarteten. Der Oberkommandierende von Moskau, der sonst immer seine Adjutanten geschickt hatte, um sich nach dem Befinden des Kranken erkundigen zu lassen, kam an diesem Abend persönlich, um von dem berühmten Würdenträger aus der Zeit der Kaiserin Katharina, dem Grafen Besuchow, Abschied zu nehmen.

      Das prächtige Wartezimmer war voller Menschen. Alle standen respektvoll auf, als der Oberkommandierende, nachdem er ungefähr eine halbe Stunde allein bei dem Kranken gewesen war, von dort wieder herauskam; er erwiderte die Verbeugungen nur durch ein leises Neigen des Kopfes und bemühte sich, möglichst schnell an den auf ihn gerichteten Blicken der Ärzte, Geistlichen und Verwandten vorbeizukommen. Fürst Wasili, der in diesen Tagen recht blaß und mager geworden war, gab dem Oberkommandierenden das Geleit und sagte einige Male leise etwas zu ihm.

      Nachdem er den Oberkommandierenden hinausbegleitet hatte, setzte Fürst Wasili sich im Saal ganz allein auf einen Stuhl, legte das eine Bein hoch über das andere, stützte den Ellbogen auf das Knie und bedeckte die Augen mit der Hand. Nachdem er so eine Zeitlang gesessen hatte, stand er auf und ging mit ungewöhnlich raschen Schritten, sich mit ängstlichen Augen nach allen Seiten umsehend, den langen Korridor hinunter nach den hinteren Zimmern des Hauses, zu der ältesten Prinzessin.

      Die Personen, die in dem schwach beleuchteten Wartezimmer anwesend waren, sprachen in ungleichem Flüsterton miteinander, verstummten aber jedesmal und blickten mit fragenden, erwartungsvollen Augen nach der Tür, die in das Zimmer des Sterbenden führte und einen schwachen Ton vernehmen ließ, sooft jemand durch sie herauskam oder hineinging.

      »Jedem Menschenleben«, sagte ein bejahrter Geistlicher zu einer Dame, die sich neben ihn gesetzt hatte und ihm kindlich-gläubig zuhörte, »jedem Menschenleben ist seine Grenze gesetzt, die man nicht überschreiten kann.«

      »Hoffentlich ist es noch nicht zu spät, um ihm die Letzte Ölung zu geben?« fragte die Dame mit Hinzufügung des geistlichen Titels des Angeredeten, als ob sie darüber keine eigene Meinung hätte.

      »Das Sakrament, meine Liebe, ist etwas Hohes und Großes«, erwiderte der Geistliche und strich sich mit der Hand über die Glatze, auf der einige zurückgekämmte, halbergraute Haarsträhnen lagen.

      »Wer war denn das? War das nicht der Oberkommandierende selbst?« wurde am andern Ende des Zimmers gefragt. »Was er für ein jugendliches Aussehen hat!«

      »Und dabei ist er doch schon in den Sechzigern. Ob das wahr ist: es heißt, daß der Graf niemand mehr erkennt? Man wollte ihm schon die Letzte Ölung geben.«

      »Ich habe einen gekannt, der siebenmal die Letzte Ölung erhalten hat.«

      Die zweite Prinzessin kam mit verweinten Augen aus dem Zimmer des Kranken und setzte sich neben den Doktor Lorrain, der in einer graziösen Pose, mit dem Ellbogen auf den Tisch gestützt, unter dem Porträt der Kaiserin Katharina saß.

      »Sehr gut«, antwortete der Arzt auf die Frage, wie ihm das Moskauer Wetter gefalle. »Es ist ein vorzügliches Wetter, ein ganz vorzügliches Wetter, Prinzessin, und dazu kommt noch, daß man hier in Moskau die Empfindung hat, man wäre auf dem Land.«

      »Nicht wahr?« sagte die Prinzessin mit einem Seufzer. »Darf er jetzt trinken?«

      Doktor Lorrain überlegte.

      »Hat er die Medizin eingenommen?«

      »Ja.«

      Der Arzt sah nach seiner Breguetschen Uhr.

      »Nehmen Sie ein Glas abgekochtes Wasser, und tun Sie eine Prise« (er zeigte mit seinen schlanken Fingern, was das Wort Prise bedeutete) »Cremor tartari hinein.«

      »Es ist mir noch nie ein Fall vorgekommen«, sagte der deutsche Arzt in sehr mangelhaftem Russisch zu einem Adjutanten, »daß jemand nach dem dritten Schlaganfall am Leben geblieben wäre.«

      »Er ist aber auch ein außerordentlich lebenskräftiger Mann gewesen«, erwiderte der Adjutant. »Wem wird nun dieser Reichtum zufallen?« fügte er flüsternd hinzu.

      »Dazu wird sich schon ein Liebhaber finden«, antwortete der Deutsche lächelnd.

      Alle blickten wieder nach der Tür, die ihren knarrenden Ton hören ließ: die zweite Prinzessin, welche das von Doktor Lorrain verordnete Getränk bereitet hatte, trug es dem Kranken hin. Der deutsche Arzt trat zu Doktor Lorrain.

      »Vielleicht zieht es sich doch noch bis morgen vormittag hin?« fragte der Deutsche auf französisch, aber mit schlechter Aussprache.

      Doktor Lorrain zog die Lippen


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