So Gut Wie Vorüber. Блейк Пирс

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So Gut Wie Vorüber - Блейк Пирс


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die Straße. Cassie musste ihn andauernd daran erinnern, sich vom Asphalt fernzuhalten. Er war so unachtsam, dass er sich leicht vor einen entgegenkommenden Wagen werfen könnte.

      „Ich habe Hunger!“, beschwerte sich Ella.

      Verzweifelt dachte Cassie an ihr unberührtes Frühstück.

      „Hinter der nächsten Kurve gibt es einen Kiosk“, sagte Antoinette. „Dort gibt es kalte Getränke und Snacks.“ Sie wirkte an diesem Morgen sonderlich gut gelaunt, auch wenn Cassie keine Ahnung hatte, woran das lag. Aber sie war froh, dass Antoinette den Anschein machte, sich für sie zu erwärmen.

      Sie hoffte, in dem Kiosk eine billige Uhr erstehen zu können, da sie ohne Handy keine Ahnung hatte, wie spät es war. Doch der Laden entpuppte sich als Gärtnerei, die Setzlinge, Baby-Bäume und Dünger verkaufte. Der Kiosk an der Ladenkasse bot lediglich Erfrischungsgetränke und Snacks an. Der ältere Ladenbesitzer, der auf einem Barhocker neben dem Gasofen saß, erklärte ihr, dass sie sonst nichts hatten. Die Preise waren unglaublich hoch und sie zählte gestresst ihren dürftigen Geldscheinbündel, um jedem Kind Schokolade und einen Saft zu kaufen.

      Während sie bezahlte, rannten die Kinder über die Straße, um die Esel zu begutachten. Cassie rief ihnen nach, zurückzukommen, doch sie ignorierten sie.

      Der grauhaarige Mann zuckte mitfühlend mit den Schultern. „Kinder eben. Sie kommen mir bekannt vor. Wohnen Sie in der Nähe?“

      „Ja. Das sind die Kinder der Dubois. Ich bin das neue Au-Pair und heute ist mein erster Arbeitstag“, erklärte Cassie.

      Sie hoffte auf nachbarschaftliche Bestätigung, doch stattdessen weiteten sich die Augen des Mannes alarmiert.

      „Die Dubois? Sie arbeiten für die?“

      „Ja.“ Cassies Ängste kamen zurück. „Warum? Kennen Sie sie?“

      Er nickte.

      „Jeder kennt die Dubois. Und Diane, Pierres Frau, hat manchmal bei mir Pflanzen gekauft.“

      Er sah ihr verwundertes Gesicht.

      „Die Mutter der Kinder“, erklärte er. „Sie ist letztes Jahr verstorben.“

      Cassie starrte ihn mit dröhnendem Kopf an. Sie konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte.

      Die Mutter der Kinder war verstorben und zwar erst im vergangenen Jahr. Warum hatte ihr niemand davon erzählt? Auch Maureen hatte nichts erwähnt. Cassie hatte angenommen, dass Margot ihre Mutter war, bemerkte aber nun ihre Naivität. Margot war viel zu jung, um die Mutter einer Zwölfjährigen zu sein.

      Diese Familie hatte erst kürzlich einen Verlust erlitten, war von einer Tragödie auseinandergerissen worden. Maureen hätte sie darüber aufklären müssen.

      Aber Maureen hatte nichts von den Pferden gewusst, weil man es ihr vermutlich nicht erzählt hatte. Mit stechender Angst fragte sich Cassie, ob Maureen auch davon nichts gewusst hatte.

      Was war mit Diane geschehen? Wie ging Pierre mit dem Verlust um? Wie hatte dieser die Kinder und die gesamte Familiendynamik beeinflusst? Was hielten sie von Margots Ankunft im Haus? Sie wunderte sich nicht mehr über das angespannte Gefühl, das wie ein Drahtseil in jeder Interaktion innerhalb des Hauses präsent war.

      „Das ist – das ist wirklich traurig“, stotterte sie und realisierte, dass der Ladenbesitzer sie neugierig ansah. „Ich habe nicht gewusst, dass sie so kürzlich verstorben ist. Ich nehme an, ihr Tod war für alle eine traumatische Erfahrung.“

      Mit tiefem Stirnrunzeln händigte der Mann ihr das Wechselgeld aus und sie steckte die Münzen ein.

      „Ich bin mir sicher, Sie kennen den Hintergrund der Familie.“

      „Ich weiß nicht viel, würde es also wirklich zu schätzen wissen, wenn Sie mir erzählen könnten, was geschehen ist.“ Cassie beugte sich nervös über den Tresen.

      Er schüttelte den Kopf.

      „Es ist nicht meine Aufgabe, mehr zu sagen. Sie arbeiten für die Familie.“

      Warum machte das einen Unterschied, fragte sich Cassie. Ihre Fingernägel vergruben sich unter ihrer Nagelhaut und ihr wurde bewusst, dass sie ihre alte Stressgewohnheit wieder aufgenommen hatte. Was der ältere Mann ihr erzählt hatte, war besorgniserregend genug – was er sich weigerte, ihr zu sagen, war noch schlimmer. Vielleicht würde er ihr gegenüber offener sein, wenn sie ehrlich mit ihm war.

      „Ich verstehe die Situation hier überhaupt nicht und habe Angst, mich übernommen zu haben. Um ehrlich zu sein, hat mir niemand davon erzählt, dass Diane gestorben ist. Ich weiß nicht, was geschehen ist oder wie die Situation davor aussah. Es würde mir wirklich helfen, die Familie besser zu verstehen.“

      Er nickte mitfühlend, doch dann klingelte das Telefon in seinem Büro und sie wusste, dass die Gelegenheit vorbei war. Er ging, um zu antworten und schloss die Tür hinter sich.

      Enttäuscht drehte sich Cassie vom Tresen weg und schulterte ihren Rucksack, der sich nun zweimal so schwer anfühlte. Vielleicht waren es die zermürbenden Informationen, die der Mann ihr gegeben hatte, die sie nun herunterdrückten. Als sie den Laden verließ, fragte sie sich, ob sie die Möglichkeit haben würde, alleine zurückzukommen, um mit dem alten Mann zu sprechen. Er kannte die Geheimnisse der Familie Dubois und sie hoffte verzweifelt, diese herauszufinden.

      KAPITEL SECHS

      Ellas erschrockener Schrei brachte Cassie ruckartig zurück in die Gegenwart. Sie blickte über die Straße und sah zu ihrem Entsetzen, dass Marc durch den Holzzaun geklettert war und nun einer immer größer werdenden Herde haariger, grauer und lehmverkrusteter Esel Gras hinstreckte. Sie legten ihre Ohren an und knabberten aneinander, während sie sich an ihn drängten.

      Ella schrie erneut, als einer der Esel Marc anrempelte, sodass dass dieser rücklings auf dem Boden landete.

      „Komm raus!“, rief Cassie und rannte über die Straße. Sie beugte sich über den Zaun, packte ihn an seinem T-Shirt und zog ihn zu sich, bevor er totgetrampelt wurde. Hatte das Kind Todessehnsüchte? Sein Shirt war klatschnass und dreckig und sie hatte keinen Ersatz dabei. Zum Glück schien die Sonne, aber sie sah bereits, wie sich im Westen die Wolken sammelten.

      Als sie Marc seine Schokolade gab, stopfte er sich den ganzen Riegel in den Mund. Mit vollen Backen lachte er los und spuckte Schokostückchen auf den Boden, dann rannte er mit Antoinette davon.

      Ella schob ihre Schokolade beiseite und begann, laut zu weinen.

      Cassie nahm das kleine Mädchen wieder auf den Arm.

      „Was ist los? Hast du keinen Hunger?“, fragte sie.

      „Nein. Ich vermisse meine Mama“, schluchzte sie.

      Cassie nahm sie fest in den Arm und spürte Ellas warme Wange an ihrer.

      „Es tut mir leid, Ella. Es tut mir so leid. Ich habe eben erst davon gehört. Du musst sie furchtbar vermissen.“

      „Ich wünschte, Papa würde mir sagen, wo sie hingegangen ist“, klagte Ella.

      „Aber …“ Cassie suchte nach Worten. Der Ladenbesitzer hatte klargemacht, dass Diane Dubois verstorben war. Warum war Ella anderer Ansicht?

      „Was hat dein Papa dir erzählt?“, fragte sie vorsichtig.

      „Er hat gesagt, dass sie weggegangen ist, wollte aber nicht sagen, wohin. Er hat nur gemeint, dass sie weg ist. Warum ist sie gegangen? Ich will, dass sie zurückkommt!“ Ella drückte ihren Kopf an Cassies Schulter und weinte sich das Herz aus.

      Cassies Kopf drehte sich. Ella muss damals vier gewesen sein und hätte sicherlich verstanden, was es bedeutete, zu sterben. Es muss eine Zeit der Trauer und eine Beerdigung gegeben haben. Oder vielleicht nicht?

      Sie scheute sich,


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