Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Jaroslav Hašek

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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk - Jaroslav Hašek


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Heutzutag bezahlt man ein Lederkanapee gut.«

      »Sonst haben Sie nichts angestellt, Schwejk?« fragte der Feldkurat verzweifelt, während er sich den Kopf mit den Händen festhielt.

      »Melde gehorsamst, Herr Feldkurat, ich hab noch statt zwei Flaschen Nußbranntwein, wie ihn der Hauptmann Schnabl kauft, fünf Flaschen gebracht, damit bißchen Vorrat da is und damit wir was zu trinken ham. Kann ich jetzt das Klavier wegschaffen lassen, bevor man uns das Versatzamt sperrt?«

      Der Feldkurat machte eine hoffnungslose Handbewegung, und kurz darauf wurde das Klavier schon auf den Wagen geladen.

      Als Schwejk aus dem Versatzamt zurückkam, saß der Feldkurat vor einer offenen Flasche Nußbranntwein und schimpfte darüber, daß er zum Mittagmahl ein nicht durchgebratenes Schnitzel bekommen habe.

      Der Feldkurat war wieder betrunken. Er erklärte Schwejk, daß er von morgen an ein neues Leben führen werde.

      Alkohol trinken sei gemeiner Materialismus, man müsse ein geistiges Leben führen.

      Er philosophierte etwa eine halbe Stunde lang. Als er die dritte Flasche öffnete, kam der Trödler, und der Feldkurat verkaufte ihm für eine Bagatelle das Kanapee, forderte ihn auf, sich mit ihm zu unterhalten, und war sehr ungehalten, als der Händler sich entschuldigte, er müsse gehen, da er noch einen Nachttisch kaufen wolle.

      »Schade, daß ich keinen hab«, sagte der Feldkurat vorwurfsvoll, »der Mensch denkt nie an alles.«

      Nachdem der Händler gegangen war, knüpfte der Feldkurat eine freundschaftliche Unterhaltung mit Schwejk an und leerte mit ihm eine weitere Flasche. Ein Teil der Unterhaltung war dem persönlichen Verhältnis des Feldkuraten zu Weibern und Karten gewidmet.

      Sie saßen lange. Auch der Abend traf Schwejk und den Feldkuraten in freundschaftlichem Gespräch an.

      In der Nacht änderte sich jedoch das Verhältnis. Der Feldkurat verfiel in seinen gestrigen Zustand, verwechselte Schwejk mit jemand anderem und sagte ihm: »Keineswegs, gehn Sie nicht fort, erinnern Sie sich an den rothaarigen Trainkadetten?«

      Diese Idylle dauerte so lange, bis Schwejk dem Feldkuraten sagte: »Jetzt hab ich genug, jetzt kriechst du ins Bett und schläfst ein, verstehst du!«

      »Ich kriech schon, Schatzerl, ich kriech schon – wie sollte ich nicht kriechen«, lallte der Feldkurat, »erinnerst du dich, daß wir zusamm in die Quinta gegangen sind und daß ich dir die Griechischaufgaben gemacht hab? Ihr habt eine Villa in Zbraslaw und könnt mit dem Dampfer auf der Moldau fahren. Wissen Sie, was das ist, die Moldau?«

      Schwejk zwang ihn, Stiefel und Kleider auszuziehen. Der Feldkurat folgte mit einem Protest an unbekannte Personen.

      »Sehn Sie, meine Herren«, sagte er zum Schrank und zum Ficus7, »wie meine Verwandten mit mir umgehen?

      Ich kenn meine Verwandten nicht«, entschloß er sich plötzlich, indem er sich ins Bett legte, »und wenn sich Himmel und Erde gegen mich verschwören sollten, ich kenn sie nicht…«

      Und durchs Zimmer dröhnte das Schnarchen des Feldkuraten.

      IV

      In diese Tage fällt auch der Besuch Schwejks in seiner Wohnung bei seiner alten Bedienerin Frau Müller. Schwejk fand dort eine Kusine von Frau Müller vor, die ihm weinend mitteilte, letztere sei noch an dem nämlichen Abend, an dem sie Schwejk zur Assentierung gefahren hatte, verhaftet worden. Man hätte die alte Frau vor das Kriegsgericht gestellt, und weil man ihr nichts nachweisen konnte, halte man sie im Konzentrationslager in Steinhof gefangen. Es war bereits eine Karte von ihr eingetroffen.

      Schwejk ergriff diese häusliche Reliquie und las:

      »Liebe Aninka! Wir haben uns hier sehr gut, alle sind wir gesund. Die Nachbarin neben mir im Bett hat Fleck und auch schwarze gibts hier. Sonst ist alles in Ordnung.

      Essen haben wir genug und klauben Erdäpfel auf Suppe. Ich hab gehört, daß Herr Schwejk schon is, also krieg das irgendwie heraus, wo er liegt, damit wir ihm nach dem Krieg das Grab bepflanzen lassen können. Ich hab vergessen, Dir zu sagen, daß am Boden in dem dunklen Winkel in dem Kistel ein kleines Hunterl is, ein Rattler, ein Junges. Aber das is schon viele Wochen, was er nichts zu fressen gekriegt hat seit der Zeit, wo sie wegen um mich gekommen sind. So denk ich, daß schon zu spät is und daß das Hunterl auch schon in Gottes ruht.«

      Und über dem ganzen Brief die rosa Stampiglie: Zensuriert k. u. k. Konzentrationslager Steinhof.

      »Und wirklich war das Hunterl schon tot«, schluchzte die Kusine der Frau Müller, »und auch Ihre Wohnung möchten Sie nicht mehr erkennen. Ich hab dort Näherinnen auf Quartier. Und die ham sich draus einen Damensalon gemacht. Überall sind Modebilder auf den Wänden und Blumen in den Fenstern.«

      Die Kusine der Frau Müller war nicht zu beruhigen.

      Unter unaufhörlichem Schluchzen und Wehklagen äußerte sie zu guter Letzt die Befürchtung, Schwejk sei desertiert und wolle auch noch sie ruinieren und ins Unglück stürzen. Zum Schluß redete sie mit ihm wie mit einem verkommenen Abenteurer.

      »Das ist sehr spaßig«, sagte Schwejk, »das gefällt mir ausgezeichnet. Also daß Sies wissen, Frau Kejr, Sie ham ganz recht, ich bin freigekommen. Aber erst hab ich fünfzehn Wachtmeister und Feldwebel erschlagen müssn. Aber sagen Sies niemandem …«

      Und Schwejk verließ sein Heim, das ihn nicht aufnahm, mit den Worten: »Frau Kejr, in der Wäscherei hab ich ein paar Kragerln und Vorhemden, also beheben Sies mir, damit ich mich, bis ich vom Militär zurückkomm, im Zivil in was anzuziehn hab. Geben Sie auch acht, daß mir im Schrank nicht Motten in die Kleider kommen. Und die Fräuleins, was in meinem Bett schlafen, laß ich grüßen …«

      Dann ging Schwejk in den »Kelch«. Als Frau Palivec ihn erblickte, erklärte sie, sie werde ihm nichts einschenken, er sei wohl desertiert.

      »Mein Mann«, begann sie die alte Geschichte aufzuwärmen, »war so vorsichtig und is dort, der Arme sitzt für nichts und wieder nichts. Und solche Leute gehn in der Welt herum und laufen vom Militär fort. Man hat Sie hier schon wieder vorige Woche gesucht.«

      »Wir sind vorsichtiger als Sie«, schloß sie ihre Rede, »und sind im Unglück. Jeder hat nicht das Glück wie Sie.«

      Diesem Gespräch wohnte ein älterer Herr bei, ein Schlosser aus Smíchov, der auf Schwejk zukam und ihm sagte: »Ich bitt Sie, warten Sie draußen auf mich, ich muß mit Ihnen sprechen.« Auf der Straße verständigte er sich mit Schwejk, den er nach der Empfehlung der Wirtin Palivec für einen Deserteur hielt. Er teilte ihm mit, daß er einen Sohn habe, der auch desertiert sei und sich bei der Großmutter in Jasena bei Josefstadt befinde.

      Ohne der Versicherung Schwejks, er sei kein Deserteur, zu achten, drückte er ihm einen Zehner in die Hand.

      »Das is die erste Hilfe«, sagte er, indem er Schwejk mit sich in eine Weinstube auf der Ecke schleppte, »ich versteh Sie, vor mir müssen Sie sich nicht fürchten.«

      Schwejk kehrte spät in der Nacht zum Feldkuraten zurück, der noch nicht zu Hause war.

      Er kam erst gegen früh, weckte Schwejk und sagte: »Morgen fahren wir eine Feldmesse zelebrieren. Kochen Sie schwarzen Kaffee mit Rum. Oder noch besser, kochen Sie Grog.«

       11

       I

      Die Vorbereitungen zur Tötung von Menschen sind stets im Namen Gottes oder eines vermeintlichen höheren Wesens vor sich gegangen, das die Menschen ersonnen und in ihrer Phantasie erschaffen haben.

      Bevor die alten Phönizier einem Gefangenen den Hals durchschnitten, hielten sie ebenso einen feierlichen Gottesdienst ab wie einige Jahrtausende später neue Generationen, ehe sie in den Krieg zogen und ihre Feinde mit Feuer und Schwert


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