Ekkehard. Joseph Victor von Scheffel

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Ekkehard - Joseph Victor von Scheffel


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Hattemer, Denkmale usw. I. 420.

      Ekkehards Auszug

      Fünftes Kapitel

      Früh morgens darauf saß die Herzogin samt ihren Leuten im Sattel, heimzureiten, und der Abt hatte keine Einwendung erhoben, da sie sich jegliche Abschiedsfeierlichkeit verbat. Darum lag das Kloster in stiller Ruhe, als drüben schon die Rosse wieherten, nur Herr Cralo kam pflichtschuldig herüber. Er wußte, was die Sitte gebot.

      Zwei Brüder begleiteten ihn.

      Frau Hadwig nahm den dargebotenen Becher, tat, als wenn sie daran nippte, gab ihn aber wieder zurück und sprach: Erlaubet, teurer Vetter, was soll der Frau das Trinkgefäß? Ich heische ein anderweitig Gastgeschenk. Habet Ihr nicht gestern von Quellen der Weisheit gesprochen?

      Ihr sollet mir aus des Klosters Bücherei einen Virgilius verehren!

      Immer zu Scherz geneigt, sagte Herr Cralo, der eine gewichtigere Forderung erwartet hatte, was soll Euch der Virgilius, so Ihr der Sprache nicht kundig seid?

      Es versteht sich, daß Ihr mir den Lehrer dazu gebet, sprach die Herzogin ernst.

      Da schüttelte der Abt bedenklich das Haupt: Seit wann werden die Jünger des heiligen Gall als Gastgeschenke vergeben?

      Sie aber sprach: Ihr werdet mich verstanden haben. Der blonde Pörtner wird mein Lehrer sein, und heut am dritten Tage längstens wird der Virgilius und er sich bei mir einstellen! Gedenket, daß des Klosters Streit um die Güter im Rheintal und die Bestätigung seiner Freiheiten in Schwaben in meiner Hand ruhet, und daß ich nicht abgeneigt, auch auf dem Twieler Felsen den Jüngern Sankt Benedikts ein Klösterlein herzurichten...

      Lebet wohl, Herr Vetter!

      Da winkte Herr Cralo betrübt dem dienenden Bruder: Traget den Kelch in die Schatzkammer zurück. Frau Hadwig reichte ihm anmutig die Rechte, die Rosse stampften, Herr Spazzo schwang den Hut – in leichtem Trab ritt der Zug aus des Klosters Bann heimwärts.

      Von des Wächters Turmstube ward ein mächtiger Strauß in die Abreitenden geworfen, dran allein an Sonnenblumen die Hälfte eines Dutzends prangte, der Astern nicht zu gedenken, aber niemand fing ihn auf, und der Rosse Huf brauste drüber hin...

      Im trockenen Graben vor dem Tor hatten sich die Schüler der äußeren Klosterschule versteckt. Langes Leben der Frau Herzogin in Schwaben! Heil ihr!... und sie soll die Felchen bald schicken! Heil! klang ihr Ruf gellend in der Scheidenden Ohr.

      Wem für ein ungezogen Benehmen drei Feiertage und die besten Seefische bewilligt sind, der hat gut schreien, sprach Herr Spazzo.

      Langsam ging der Abt ins Kloster zurück; er ließ Ekkehard, den Pörtner, zu sich rufen und sprach zu ihm: Es ist eine Fügung über Euch ergangen. Ihr sollet der Herzogin Hadwig einen Virgilius überbringen und ihr Lehrer werden.

      »Die alten Lieder des Maro mögen mit lieblichem Sang die skythischen Sitten besänften,« heißt's im Sidonius. Es ist nicht Euer Wunsch...

      Ekkehard schlug die Augen nieder, seine Wangen röteten sich –

      Was des Menschen Herzenswunsch ist, dazu läßt er sich gern befehligen.

      Des Gehorsams Gelübde, sprach Ekkehard, heißt mich des Vorgesetzten Willen sonder Zagen und Aufschub, sonder Lauheit und Murren vollziehen.

      Er beugte sein Knie vor dem Abte.

      Dann ging er nach seiner Zelle. Es war ihm, als hätte er geträumt. Seit gestern war ihm fast zu vieles begegnet. Es geht noch andern ebenso; lang einförmig schleicht das Leben, – wenn des Schicksals Wendungen kommen, folgt Schlag auf Schlag. Es rüstet sich zur Reise. »Was du begonnen, laß unvollendet zurück, zieh ab deine Hand vom Geschäft, darin sie tätig war, zeuch aus im Schritt des Gehorsams,« es war ihm kaum Not, sich diesen Satz seiner Regel vorzuhalten.

      Er nahm Pergament und Farben und trug's seinem Gefährten hinüber, daß er statt seiner die letzte Hand ans Begonnene lege; Folkard war gerade daran, ein neues Bild zu entwerfen, wie David vor der Bundeslade tanzt und die Laute spielt, – er schaute nicht auf. Schweigend verließ Ekkehard seine Künstlerstube.

      Er wandte sich zur Bibliothek, den Virgil auszulesen. Wie er droben stand im hochgewölbten Saal, einsam unter den schweigenden Pergamenten, da kam ein Gefühl der Wehmut über ihn; auch das Leblose stellt sich bei Abschied und Wiedersehen vor den Menschen, als trüg's eine Seele in sich und nähme Anteil an dem, was ihn bewegt.

      Die Bücher waren seine besten Freunde. Er kannte sie alle und wußte, wer sie geschrieben; – manche der Schriftzüge erinnerten an einen vom Tode schon entführten Gefährten...

      Ekkehard machte sich keine Gedanken drüber.


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