Toni der Hüttenwirt 253 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt 253 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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Freundinnen umarmten sich herzlich. Sandra stieg ein und fuhr ab. Laura sah ihr nach.

      *

      Das Taxi hielt vor der altehrwürdigen Villa in Sachsenhausen. Sandra zahlte und gab ein gutes Trinkgeld. Der Taxifahrer trug ihr die Einkaufstaschen zum Eingangsportal.

      Drinnen nahm Sandra noch einmal eine warme Dusche und zog frische Sachen an. Die Autowerkstatt rief an und teilte mit, dass sie den Wagen am nächsten Vormittag abholen könne.

      Nach einem kleinen Imbiss machte sich Sandra auf den Weg ins Sportstudio, das, nicht weit entfernt, im Hintergebäude einer Seitenstraße lag. Unterwegs kam sie an einer Reinigung vorbei. Sie hatte dort noch nie Anzüge und Pullover von Thorsten abgegeben.

      »Also hören Sie, das ist ein Maßanzug und ich erwarte, dass er tiptop gereinigt wird. Ich wünsche, dass er von Hand gebügelt wird. Den Aufpreis übernehme ich gern.«

      Die ältere Dame verzog keine Mine. Sie breitete den Anzug mit der Weste aus und versah jedes Kleidungsstück mit einer kleinen Papiermarke.

      Sandra zahlte.

      »Morgen Mittag ist der Anzug fertig«, sagte die Dame hinter der Ladentheke. Dann raffte sie den Anzug zusammen. Sandra war schon auf dem Weg zur Tür.

      »Hallo, junge Frau, da ist etwas in der Tasche«, rief sie ihr hinterher. »Es ist immer dasselbe, die Kunden kontrollieren die Taschen nicht.«

      Sandra blieb in der offenen Tür stehen. Die Frau kontrollierte alle Taschen.

      »Sehen Sie!«, rief sie. »Haben Sie die Brosche noch nicht vermisst?«

      »Oh … oh … die Brosche … mmm«, stotterte Sandra und wurde tiefrot. Ihr war, als setze ihr Herz einige Schläge aus.

      Schnell nahm sie die Brosche und stürmte aus dem Laden.

      Wie in Trance hastete Sandra die Straße entlang. In der Hosentasche hatte sie ihre Faust um die Brosche geschlossen. Sie brannte wie Feuer. Sie erinnerte sich genau. Es war an Karstens Geburtstag gewesen, als Sandra die Brosche an Heikes Jacke entdeckt hatte. Es war ein schönes, ausgefallenes Stück. Sandra hatte Heike darauf angesprochen. Sie hatte bestätigt, dass es ein Einzelstück sei, angefertigt von Simon Klein, dem Juwelier, der in Frankfurt gerade sehr angesagt war. Sandra kannte ihn. Karsten hatte ihr Ohrringe und ein Armband, sowie einen Anhänger anfertigen lassen. Der Schmuckdesigner war teuer. Doch jede Frau konnte sicher sein, dass es ihr Schmuckstück kein ein zweites Mal gab.

      In Sandras Kopf drehte sich alles. Thorsten – Heike, Heike – Thorsten hämmerte es in ihrem Kopf. Laura hatte vorhin auch Anspielungen gemacht. Spielte Heike in Thorstens Leben doch eine Rolle, die über das Berufliche hinausging? Heike konnte die Brosche verloren haben. Aber wie kam sie in die Uhrentasche von Karstens Weste? Thorsten trug keine Taschenuhr. Sandra wusste, dass er die feinen Heftstiche nie auftrennte, welche die Tasche verschlossen, da er sie nicht benötigte. Hatte er die Brosche gefunden? Warum hat er sie dann in die Uhrentasche gesteckt? Warum hat er sie Heike nicht sofort zurückgegeben? Er musste die Brosche durch die schmale Öffnung neben den Heftfäden geschoben haben. Außerdem konnte sich Sandra nicht vorstellen, dass Heike die wertvolle Brosche im Büro trug. Auffallenden Schmuck im Büro zu tragen, war verpönt.

      Zweifel ergriffen ihr Herz. Wie in einem Film erinnerte sie sich plötzlich an viele Kleinigkeiten, die ihr schon längst hätten verdächtig vorkommen müssen. Das waren die langen Überstunden, die immer häufiger wurden, oder Karsten fuhr spät am Abend noch einmal ins Büro.

      Er hat eine Affäre mit Heike. Diese Erkenntnis brannte sich tief in Sandras Bewusstsein ein. Wie in Trance hastete sie weiter. Dabei nahm sie ihre Umgebung nicht wahr.

      Plötzlich sah sie einen Schatten auf sich zukommen, dann knallte sie an etwas.

      »Autsch!«, rief sie.

      Ihre Schulter schmerzte. Sie rieb sich die Schulter. Sandra war an einen Laternenpfahl geknallt. Sie hastete weiter und stieß gleich mit einem Passanten zusammen. Mit beiden Händen hielt sie sich an ihm fest und riss ihn mit zu Boden.

      »Ganz schön stürmisch, junge Frau!«, drang eine Stimme in ihr Bewusstsein, die weich, warm und tief klang.

      Sandra sah auf und errötete.

      »Tut mir leid, dass ich Sie umgerissen habe«, sagt sie verlegen.

      »Es ist nichts passiert. Ich habe auch nicht aufgepasst. Es ist nichts geschehen, wirklich.«

      Der Mann stand auf und sammelte Obst ein, das ihm heruntergefallen war.

      Sandra blieb einfach sitzen. Sie zog die Beine an. Ihre Hose hatte ein Loch und ihre Hand eine Schramme. Sie zog die Beine an, legte die Arme über die Knie, streckte die verletzte Hand aus und legte den Kopf auf ihren arm.

      Dann flossen die Tränen. Es war alles zu viel.

      »Sie können hier nicht sitzen bleiben«, sprach der Mann sie an. »Hier fallen die Leute über sie. Außerdem sind sie verletzt. Dort drüben ist eine Apotheke. Kommen Sie, ich helfe Ihnen!«

      Sandra reagierte nicht. Stattdessen brach ein neuer Strom von Tränen los.

      Durch den Tränenschleier bekam sie mit, wie der Mann vor ihr in die Hocke ging.

      »Ich weiß, solche Hautabschürfungen brennen wie Feuer. Und Schmutz ist auch in der Wunde. Lassen Sie sich helfen, bitte!«

      Sandra schüttelte den Kopf.

      »Gehen Sie! Lassen Sie mich allein! Kümmern Sie sich nicht um mich!«, schluchzte sie.

      »Das geht schon mal gar nicht«, sagte er. »Dann mache ich mich wegen unterlassener Hilfeleistung schuldig.«

      Er stand auf, fasste sie an den Schultern und stellte sie auf die Füße.

      »Sie stehen unter Schock. Tut Ihnen sonst noch etwas weh? Arme? Beine? Rücken? Schmerzt Sie ein Körperteil besonders?«

      Sandra schüttelte den Kopf. Es war ihr peinlich. Sie wurde rot.

      »Hören Sie, das hat nichts mit Ihnen zu tun. Es ist heute einfach nicht mein Tag. Alles geht schief, einfach alles. Gehen Sie, bitte!«

      »So leicht werden sie mich nicht los. Auf der anderen Straßenseite ist ein Café. Dorthin bringe ich Sie jetzt.«

      Sandra gab den Widerstand auf. Der Fremde nahm Sandras unverletzte Hand und zog sie mit sich fort. Im Straßencafé suchte er einen der hinteren Tische mit Sonnenschirm aus. Dort drückte er Sandra sanft, aber bestimmt auf einen Stuhl und zwar so, dass sie mit dem Rücken zu den Gästen saß.

      »Bedienung!«, rief er laut. »Bitte kommen Sie! Das ist ein Notfall.«

      Als die Bedienung kam, bestellte er zwei Tassen Kaffee und einen Schnaps für Sandra. Die Bedienung sah Sandras Hand und holte gleich Verbandszeug.

      Willenlos ließ sich Sandra von dem fremden Mann die Hand verbinden.

      »Trinken Sie den Apfelschnaps, damit Sie wieder Farbe ins Gesicht bekommen«, sagte er.

      Sandra kam der Aufforderung nach.

      »Sie sehen jetzt schon besser aus. Möchten Sie Kuchen?«

      Sandra schüttelte den Kopf. Statt einer Antwort füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen.

      »Können Sie bitte gehen?«, schluchzte sie. »Ich ertrage es nicht, dass sich jemand um mich kümmert. Ihre Freundlichkeit und Ihre Hilfsbereitschaft machen alles nur noch schlimmer. Es ist alles so schrecklich. Meine Welt liegt in Scherben.«

      »Ah, deshalb hatten Sie einen schlechten Tag? Sie haben ein Erdbeben erlebt. Danach wurde alles von Tornados und Hurrikans verwüstet und jetzt rollt auch noch ein Tsunami an. An solchen Tagen wünscht man sich auf einen anderen Planeten, am besten, in eine andere Galaxie.«

      »Genauso ist es«, sagte Sandra leise.

      »Okay, dann tun wir so, als sei ich ein Außerirdischer, der zur Ihrer Rettung herbeigeeilt ist. Mein Name ist Thorsten


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