Wer auf dich wartet. Gytha Lodge

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Wer auf dich wartet - Gytha Lodge


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anderen Freunden von Juliette bekommen haben, suchen Sie die bitte auch auf.«

      »Das heißt, wir glauben, der Freund, der es gemeldet hat, könnte es in Wahrheit selbst gewesen sein?«, fragte O’Malley.

      »Achtzig Prozent aller Frauen«, sagte Hanson bedeutungsvoll und zog ihr Telefon aus der Tasche, um Angelines Nummer einzugeben. Jonah musste lächeln. Sie hatten in der Woche zuvor über diese Erkenntnis gesprochen. Die Tatsache, dass vier von fünf ermordeten Frauen von einem Partner getötet wurden, hatte Schlagzeilen gemacht, und die Studie war eine Bestätigung dafür gewesen, wie sie ihre Mordermittlungen angingen. Man nahm sich immer den Partner vor. Immer.

      »Statistisch gesehen, ist es weniger wahrscheinlich, wenn sich herausstellt, dass er zu dem Zeitpunkt tatsächlich von zu Hause aus mit ihr geskypt hat«, wandte O’Malley grinsend ein.

      Jonah bemerkte, dass sie alle davon ausgingen, es mit einem Mord zu tun zu haben. Nach Aidan Pooles Anruf und dem chemischen Geruch schien das mehr oder weniger eine gegebene Tatsache zu sein. Trotzdem bereitete es Jonah Unbehagen. Voreilige Schlüsse waren ihm zutiefst zuwider.

      McCullough rief ihn vom Eingang der Wohnung, und er kehrte zu ihr zurück. »Nichts Dramatisches, aber ich habe die Dose gefunden, aus der das Messer stammt. Wir haben die Fingerabdrücke gesichert, danach habe ich hineingeschaut, und es ist definitiv die richtige.«

      Er folgte ihr zu einem aufgeklappten Karton in einer Ecke der Wohnung, in dem eine offene Metalldose stand, darin ein leerer Umriss in Hartschaum, in dem das Messer gelegen hatte.

      »War die Dose offen, als Sie sie gefunden haben?«

      »Nein. Sie war geschlossen und säuberlich in dem Karton verstaut«, antwortete McCullough.

      »Ziemlich ordentlich«, sagte Jonah.

      »Für einen Mörder?«, fragte McCullough. »Sie meinen, wenn jemand es wie Selbstmord aussehen lassen wollte, hätte er die Schachtel offen liegen lassen, um deutlich zu machen, dass es ihr Messer ist?«

      »Möglich«, sagte Jonah, der sich nicht zu irgendwelchen Schlüssen verlocken lassen wollte. Es zählte zu McCulloughs größten Freuden, brillante Theorien von übertrieben selbstgewissen Beamten abzuschießen. »Aber für einen Selbstmord wäre es auch ziemlich ordentlich. Es sagt uns also nicht viel. Es ist bloß merkwürdig.«

      »So sind die Menschen, habe ich festgestellt« sagte McCullough. »Selbst die nichtkriminellen.«

      Angeline erwies sich als schwierig. Juliette rief sie aus dem Erdgeschoss des Gebäudes an, wo sie sich auf eine Fensterbank gesetzt hatte und ein Notebook auf dem Schoß balancierte. Angeline weinte offensichtlich schon, als sie ans Telefon ging.

      »Ich muss Sie nur ein paar Dinge fragen«, sagte Hanson in beruhigendem Tonfall. »Mein DCI sagt, dass Sie einen Schlüssel zu Zoes Wohnung haben. Gibt es dafür einen besonderen Grund?«

      »Damit ich ihren Kater füttern kann.« Angeline schluchzte unvermittelt laut los. »O Gott. Was ist mit ihm passiert? Ich habe nicht … Vielleicht hat die Polizei ihn rausgelassen, und er ist … er ist überfahren worden oder …«

      »Ich schaue nach ihm«, erwiderte Juliette rasch. »Schon gut. Wie heißt er?«

      »Monkfish«, sagte Angeline mit bebender Stimme. »Es ist eine Perserkatze.«

      »Ist er … weiß?«, erkundigte Juliette sich, deren Kenntnis über Katzen sich darauf beschränkte, diejenigen zu streicheln, die ihre Freunde zufällig besaßen.

      »Ja«, bestätigte Angeline. »Wie … wie Blofelds Katze, hat Zoe immer gesagt.«

      »Danke«, sagte Juliette und notierte das ohne besonderen Grund ebenfalls. »Hatte sonst noch jemand einen Schlüssel?«

      »Nein«, antwortete Angeline. »Ich glaube nicht … Oh, vielleicht Felix.«

      »Felix?«, fragte Juliette und dachte kurz an eine weitere Katze.

      »Der Vermieter.«

      »Ah, verstehe. Haben Sie seine Adresse?«

      »Er wohnt unten.«

      »In dem Stockwerk unter Zoe?«, fragte Juliette und dachte, dass das ziemlich unüblich war.

      »Ja«, sagte Angeline. »Ich weiß seine Apartmentnummer nicht, aber … wenn Sie sich auf dem Treppenabsatz im ersten Stock rechts halten, ist es die erste Tür auf der linken Seite.«

      »Das ist wirklich hilfreich, vielen Dank«, sagte Juliette in einem Tonfall, den man gegenüber einem Kind anschlagen würde. »Hatte sie außer Ihnen noch andere enge Freunde?«

      »Ja. Maeve. Sie hat früher mit ihr zusammengewohnt. Und Victor. Aus dem Café.«

      »Dem Café? Hat sie in einem Café gearbeitet?«

      »Ja«, sagte Angeline, und ihre Stimme brach erneut. »Sie hätte heute Morgen dort sein sollen.«

      »Es tut mir leid«, war alles, was Juliette sagen konnte, bevor sie nach den Telefonnummern der beiden fragte, die Angeline ihr bereitwillig nannte, obwohl Juliette hören konnte, dass sie nach wie vor kaum beieinander war.

      »Oh«, sagte Angeline plötzlich. »Ich bin mir nicht sicher, ob das Victors aktuelle Nummer ist. Er hat eine neue und … ich vergesse immer, sie zu speichern.«

      »Ich probiere es einfach«, erklärte Juliette ihr. »Keine Sorge. Nur noch eine letzte Frage, und dann können wir Sie für eine Weile in Frieden lassen. Wann haben Sie Zoe zum letzten Mal gesehen, und welchen Eindruck hat sie gemacht?« Das waren eigentlich zwei Fragen, doch Angeline schien es nicht zu bemerken.

      »Gestern Vormittag«, antwortete sie. »Ich muss immer wieder daran denken … ich war wütend auf sie. Ich wollte ihr Modell stehen, und sie … sie hat mich verletzt, und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass sie das gar nicht getan hat, sondern … ich war einfach dumm!«

      »Inwiefern?«, fragte Juliette. Die Antwort sprudelte ausnahmsweise förmlich aus Angeline heraus, sodass Juliette sich fragte, ob sie darauf gewartet hatte, dieses kleine Geständnis zu machen.

      »Sie hat gesagt, es sei meine … meine Gebrochenheit, die sie an mir mögen würde. Wenn ich ihr für ihre Zeichnungen oder Gemälde Modell gesessen habe. Und das hat wehgetan. Ich dachte, sie würde mir sagen, dass ich schön bin.«

      »War das … ungewöhnlich für Zoe? Dass sie schroff war?«

      Es entstand eine Pause, bevor Angeline sagte: »Ja. Also … ich weiß nicht. In letzter Zeit vielleicht nicht.«

      »Sie meinen, dass sie sich in letzter Zeit verändert hatte?« Juliette wartete. »Dass sie wütender oder unfreundlicher geworden war?«

      »Irgendwie schon. Ich weiß nicht. Sie hat sich einfach zurückgezogen, wissen Sie.«

      »Gab es einen Grund dafür?«

      Wieder zögerte Angeline, bevor sie mit zittriger Stimme sagte: »Diese Beziehung hat sie wirklich beschädigt. Ich meine, er war nett zu ihr, aber gleichzeitig fühlte sie sich seinetwegen auch schlecht.«

      »Ist er … in irgendeiner Weise ausfällig oder gewalttätig geworden?«

      »Nein, nein«, erwiderte Angeline hastig. »Das will ich damit nicht sagen. Nur … manchmal sind Menschen einfach nicht gut für einander.«

      Im Wagen ließ Domnall O’Malley den Chef in Ruhe nachdenken. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, den DCI nicht zu stören, wenn der sich alle Details durch den Kopf gehen ließ. Und auch O’Malley war es lieber, wenn die ersten Eindrücke sich ungestört setzen konnten.

      Im CID marschierte Sheens direkt in sein Büro. Lightman war gegangen, vermutlich um seine Pläne für den Abend zu verfolgen, was immer er vorhatte, und auch sonst waren an einem Freitagnachmittag um kurz vor fünf nicht mehr viele andere Detectives da. Es herrschte die Art Ruhe, die entweder der Konzentration förderlich war oder lähmend wirkte.

      O’Malley


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