Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5. Antje Ippensen

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Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5 - Antje Ippensen


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Mann, der in der Regel ihr Lebensgefährte war. Zu ihrem Gefährten wurde er durch das Große Vereinigungsritual, das die Vermählung der Großen Göttin symbolisierte und aus dem Mann den göttlichen Helden machte, den die Göttin sich erwählte.

       Im Laufe der Zeit hatte sich diese Regierungsform dahin entwickelt, dass beide, Matriarchin und Heros, gemeinsam die Verantwortung übernahmen und sich die Regentschaft gleichberechtigt teilten. – Grundlage allen Tuns war die Anbetung der Großen Muttergöttin; Jahreszeitenrituale hielten das Land im Gleichgewicht und die Menschen im Einklang mit der Natur – ja, so war es jedenfalls gewesen, ehe die Zeit der Dürre kam. Erst jetzt griffen Verwirrung, Anarchie und allgemeine Sinnlosigkeit um sich wie ein Steppenbrand. Niemand wusste, wodurch die Katastrophe ausgelöst worden war, nicht einmal die höchsten Zauberpriesterinnen von Co-Lha.

       War es da verwunderlich, dass Riyala in den Augen der Mutter eine verzweifelte Bitte um Hilfe las?

       Es lag ihr schon auf der Zunge, eine aufrichtige und beruhigende Antwort zu geben, zu erklären, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun wolle, um ihrem Land beizustehen ...

       Aber sie zögerte. Zu sehr genoss sie ihr jetziges Leben: die prickelnden Treffen mit Nigel, die Küsse im Mondlicht und die kleinen Dorffeste, auf denen sie wild und ausgelassen tanzten, sie und ihr Verehrer aus dem Volke, der sie nach wie vor für das Gauklermädchen Zalana hielt. Nigel staunte oft darüber, wie findig und geschickt seine Zalana darin war, Nahrungsmittel und Wasser aufzutreiben. Seit er und das „Gauklermädchen“ sich ineinander verliebt hatten, ging es dem Dorf Arjenez besser als zuvor, die Menschen waren kräftiger und konnten sich auch das halbverhungerte Gesindel von außerhalb besser vom Halse halten. Niemand unter den Dorfbewohnern ahnte, dass Zalanas „Mitbringsel“ sämtlich aus den Speisekammern der Mondburg stammten ...

       Und auch die Lehrzeiten beim Edelstein-Magister waren ungemein aufregend und verliehen Riyala ein wachsendes Machtgefühl, das ihr sehr gefiel. Zwar war ihr noch immer nicht ganz klar, welche Ziele der alte Mann verfolgte – wie alt mochte er überhaupt sein, und wer war er wirklich? Doch gerade diese Rätselhaftigkeit reizte sie umso mehr.

       Dies alles aufgeben und nur noch für die Pflichten gegenüber dem Land leben? Wie öde und bedrückend! Wo bliebe da ihr eigenes Vergnügen? Nein, all das hatte wohl noch etwas Zeit.

       In das lange Schweigen hinein sagte die Matriarchin leise: „Ich denke, du weißt sehr gut, weshalb ich dich hierher rufen ließ, meine Tochter.“

       Auf einmal bemerkte Riyala, wie erschöpft und verbraucht ihre Mutter aussah: Jedes einzelne Fältchen in ihrem zarten Gesicht sprach von unendlicher Müdigkeit.

       Rasch senkte Riyala den Blick und schaute auf das kostbare blau-silberne Tuch, das den Altar bedeckte. In verschlungenen Mustern waren die drei Lebensalter der Großen Göttin hineingewebt: Jungfrau, Mutter und Weise Alte Frau. Dieses Bild, von den Zauberpriesterinnen Co-Lhas kunstvoll gefertigt, besaß große spirituelle Bedeutung. Riyala jedoch dachte bei der Betrachtung nur mit Unbehagen daran, was sie selbst vor einem Jahr an genau dieser Stelle getan hatte: Anstatt zu meditieren und zu beten, hatte sie hier – ohne jegliche geistig-seelische Vorbereitung – heimlich eine Portion des dunklen Traumgiftes zu sich genommen.

       Wieder erklang die leise Stimme ihrer Mutter: „Sieh mich an, Riyala.“

       Lass mich doch in Ruhe, dachte Riyala missmutig, hob aber gehorsam den Kopf.

      „ Du hast dich in der letzten Zeit verändert und an Reife und Kraft gewonnen, seitdem dich der alte Mann in die Lehre genommen hat. Jener Teil unseres Volkes, das innerhalb der Stadtmauern lebt, verehrt und liebt dich; es sieht dich als Hoffnungsträgerin, während es mir und deinem Vater immer weniger vertraut.“

       Die Matriarchin machte eine Pause.

       Ja, auch das stimmte: Riyala sonnte sich oft in den bewundernden Blicken der städtischen Bevölkerung; sie sah es gern, wenn Mütter ihre kleinen Kinder hochhoben, damit diese die „Tochter der Hoffnung“ sehen konnten – das genau war der Beiname, den man ihr gab.

      „ Mit jedem Tag, der ohne Regen verstreicht, wird unsere Lage ernster“, fuhr die Mutter fort. „Dein Land braucht dich, Riyala. Du hast bei dem alten Mann viel gelernt – nun ist es an der Zeit, deine Fähigkeiten in den Dienst von Co-Lha zu stellen. Du bist ja sehr verschwiegen, mein liebes Kind ...“, die Stimme der Matriarchin wurde immer eindringlicher, fast beschwörend, „... doch ich bin sicher, dass du etwas tun kannst. Der alte Mann besitzt große Macht; auch wenn dein Vater und ich stets dachten, dass etwas Dunkles von ihm ausgeht. Aber du bist jung und voller Kraft und Licht. Geh hinaus und zeige dich auch den armen Menschen draußen, denen es noch um so vieles schlechter geht! – Dein Vater und ich haben beschlossen, zu deinen Gunsten abzudanken.“

       Obwohl sie gewusst hatte, dass so etwas kommen würde, hallten diese letzten Worte wie Donnerschläge in Riyalas Ohren wider. Sie schluckte.

       Jetzt war der Moment da.

      „ Mutter, ich werde darüber nachdenken“, log Riyala so überzeugend wie möglich, und gleichzeitig nahm sie ein kleines Silberglöckchen und läutete. Eine Dienerin huschte herbei und brachte ein Tablett mit zwei Gläsern. Eines davon reichte Riyala der Matriarchin, das andere nahm sie selbst.

      „ Wir leben in schwierigen Zeiten, Mutter“, sagte sie. „Ich sehe, dass du nervös bist und eine Stärkung brauchst. Und auch ich selbst benötige einen kräftigenden Heiltrank, der mir hilft, eine Entscheidung zu treffen – Lass uns also gemeinsam auf bessere Zeiten trinken.“

       Dankbar und vertrauensvoll nahm die Herrscherin von Co-Lha einen tiefen Zug von der klaren Flüssigkeit, die mit jener ganz bestimmten Edelsteinessenz gemischt war. In Riyalas Glas befand sich nur Wasser.

       Es war das erste Mal, dass sie den „Fügsamkeitstrank“ anwendete.

       Überlege gut, bevor du Gebrauch davon machst, hatte der Magister sie gewarnt.

       Nun, das habe ich getan, dachte Riyala trotzig, als sei ihr Lehrmeister anwesend und zöge kritisch eine Augenbraue hoch. Das Gefühl, dass er in ihrer Nähe war und sie skeptisch beobachtete, beschlich sie ohnehin häufiger ... Andererseits versuchte er nie, sie auszuhorchen oder in sie zu dringen, wenn sie bei ihm war. Manchmal sprach er Warnungen aus, aber er hielt ihr keine Predigten. Er beriet sie, ließ ihr aber stets die freie Wahl der Entscheidung. Er ...

       Die eben noch klaren Augen ihrer Mutter wirkten auf einmal seltsam verschleiert. Mit einer gänzlich veränderten, nachsichtigen Stimme murmelte sie: „Nun, mein liebes Kind ... all das hat ja noch viel Zeit. Es ist nicht so wichtig. Wir sprechen wieder darüber, wenn du es wünschst.“

       Sie schien nicht einmal zu merken, dass ihre Worte dem widersprachen, was sie gerade eben noch erklärt hatte.

       Riyala zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, aber innerlich war ihr ganz elend vor Schuldgefühlen. Aus Erfahrung wusste sie jedoch, dass ihr schlechtes Gewissen bald wieder verfliegen würde ... So war es jedenfalls bei all ihren Lügereien gewesen.

       Nur kurz dachte sie über das anstrengende Versteckspiel nach, das sie beständig führen musste. Zwischen Arjenez, Co-Lha und der Felshöhle des Magisters hin- und herpendelnd ... und stets hatte sie auf ihre Worte und Taten sorgfältig aufzupassen, um ihre verschiedenen „anderen“ Leben vor jedermann geheimzuhalten. Bis zum heutigen Tag war sie davon überzeugt, dass der Kristallhexer trotz seiner Gedanken-Schau-Fähigkeit nichts von Nigel wusste – oder redete sie sich das doch nur ein? Bei allen verdammten Raben des Todes – man konnte sich bei ihm einfach nicht sicher sein.

       Riyala war froh, dass sie das Reisen mittlerweile ganz allein und aus eigener Kraft beherrschte. Die ersten vier oder fünf Male hatte sie noch die Hilfe des Magisters in Anspruch nehmen müssen. Von jenem äußerst klaren Traum wusste sie ja, wie sie ihn rufen konnte, und er war jedesmal prompt in ihrem Schlafgemach erschienen, um seine Kräfte mit den ihren zu vereinigen. So war sie anfangs natürlich nur zu seiner Höhle gereist, hatte sich dann unter einem Vorwand verabschiedet und war nach Arjenez gelaufen. Um später dann wieder zu ihm zurückkehren zu müssen. Inzwischen war sie glücklicherweise


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