Peter Grant - Ein Leben für Led Zeppelin. Mark Blake
Читать онлайн книгу.Büro im vierten Stock eines Gebäudes am Cavendish Square ein. Sie ignorierten Stigwoods Begrüßung, griffen sich einen schweren Glasaschenbecher und donnerten diesen mit solcher Wucht gegen seinen Schreibtisch, dass der glatt splitterte.
Arden schleifte daraufhin den verängstigten Manager hinaus auf den Balkon. Don bestand stets darauf, dass er Stigwood bloß die Straße unter ihnen zeigen und ihn warnen wollte, dass er irgendwann „dort unten“ enden würde, wenn er weiterhin versuchte, ihm Acts abspenstig zu machen.
Doch anscheinend preschten Ardens Jungs vor und forderten, dass Stigwood über die Klinge springen müsste. Sie hoben ihn hoch und ließen ihn kopfüber vom Balkongeländer baumeln. Laut Arden trug Stigwood noble Chelsea-Boots und seine Spießgesellen mussten sich ganz schön ins Zeug legen, damit ihnen ihr Opfer nicht aus den Fingern rutschte und ins Verderben stürzte.
Abhängig davon, wer die Geschichte erzählt, fiel Stigwood entweder in Ohnmacht oder entleerte seinen Darm in seine Hosen – oder sogar beides –, bevor die Angreifer ihn wieder hochziehen und auf dem Büroteppich entsorgen konnten.
Grant gestand Barrie Keeffe, dass er einer von jenen Kerlen gewesen war, die Stigwood an jenem Tag vom Balkon baumeln ließen. „Er hatte ganz eklige dürre Fußgelenke“, vertraute er ihm an. Als Ed Bicknell ihn auf diesen Vorfall ansprach, gab sich Peter zurückhaltend: „Ich wollte ihm doch bloß die Aussicht zeigen.“
Doch war das tatsächlich der Fall? Stigwood wurde mit Sicherheit von Don Ardens Leuten bedroht und vermutlich auch über den Balkon gehalten. Allerdings hat niemand bestätigt, dass Peter Grant mit von der Partie war. Die kombinierte Macht von Angst und Suggestion reichte aus, und die Geschichte von Robert Stigwood und seinem Balkon zählt schon seit Jahrzehnten zu den Evergreens unter den Rock-Anekdoten.
1965 begann es in Don Ardens Imperium jedoch zu kriseln. Robert Stigwood veranstaltete im selben Jahr die zweite UK-Tour von Chuck Berry und ging aufgrund der schwachen Kartenverkäufe fast pleite. Die Beatles, die Stones und andere britischen Gruppen hatten sich fleißig bei Berrys und Little Richards Musik bedient, sie einer Generalüberholung unterzogen und einer jüngeren Generation verkauft.
Don Arden sollte in den folgenden Jahren aber neue Acts finden und neue Fehden ausfechten. So wie auch sein Lehrling.
Eines Nachmittags im Jahr 1965 kam Sharon Osbourne, geborene Arden, nachhause und Peter Grant war fort. „Es war, als ob er eines Tages noch vor der Schule gewartet hätte und am nächsten es schon tabu gewesen wäre, seinen Namen zu erwähnen“, sagte sie. Als Grant und Don Arden sich später auf der Straße begegneten, so erinnert sich Sharon, sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen und die Leibwächter ihres Vaters hätten die beiden trennen müssen.
Grant hatte die ultimative Todsünde begangen und einen von Dons Acts weggelockt. Ardens Touren halfen Gene Vincent und all den anderen, Platten zu verkaufen, doch bekam er selbst keine Tantiemen. Als diese Acts nun keine Hallen mehr füllten, verdiente Arden kein Geld mehr mit ihnen. Arden sollte in den Siebzigerjahren als Manager von Black Sabbath und Electric Light Orchestra noch ordentliche Profite einfahren, doch in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre kämpfte er darum, nicht den Anschluss zu verlieren.
Die Plattenfirma, die Grant und Mickie Most mit Arden gründen wollten, kam nie zustande. Stattdessen machte sich Most selbstständig. So gründete er im Sommer 1964 die Firmen RAK Music Management, RAK Publishing und RAK Records und bezog in der Oxford Street 155–157 in einem Büro im sechsten Stock Quartier. Ein paar Tische, ein Sofa, eine Dartscheibe und eine Empfangsdame namens Irene mussten für den Anfang reichen. Peter Grant sollte ihm folgen.
Das Haus gehörte der Campingzubehör-Dynastie Millets, deren Laden sich im Erdgeschoss befand und deren Instandhaltung des Gebäudes eher nonchalanter Natur war. Der klapprige Aufzug in Hausnummer 155 galt als besonders unzuverlässig. Wenn Grant zur Arbeit erschien und ihn außer Betrieb vorfand, drehte er kurzerhand um und ging wieder heim.
„Manchmal versuchte ich, zu Fuß hinaufzusteigen“, erzählte er einem Journalisten. Offenbar hatte er sich mit jemandem im zweiten Stock angefreundet, wo er eine schnelle Kaffeepause einlegen konnte – „um mich kurz zu erholen“.
Während Most seine Firmen gründete, kümmerte sich Grant weiterhin um die Animals. Seine Beziehung zu Don Arden wurde jedoch auf ihrer ersten US-Tour auf die Probe gestellt. In jenem Sommer schallte „House of the Rising Sun“ aus jedem amerikanischen Autoradio. Die Tour der Animals begann mit ihnen als Headliner im Paramount Theatre am New Yorker Time Square. Es war eine Galavorstellung für die zu Besuch weilenden jungen Briten – jedoch weniger für Little Richard und Chuck Berry, die für sie den Abend eröffnen mussten.
Auf der Tour machte Grant die schockierende Entdeckung, dass Arden für die Animals zwei unterschiedliche Verträge mit der William Morris Agency abgeschlossen hatte. Die Band hatte einen Vertrag über 1.200 Dollar pro Abend unterzeichnet, doch Arden hatten noch einen separaten Deal mit der Agentur und erhielt von ihr die drei- bis vierfache Summe: „Es gab zwei verschiedene Verträge, die beide auf Papier der William Morris Agency aufgesetzt waren, was ich nie hinterfragt hatte. Und schon bald war die Kacke am Dampfen.“
Hinter der Bühne im Paramount wurden Grant, Mike Jeffery und die Animals angeblich Allen Klein vorgestellt, einem Buchhalter aus New Jersey, der seit kurzem den Soulsänger Sam Cooke als Business-Manager betreute. Klein war ein großer Opportunist und wusste über jenes Phänomen, das die amerikanische Presse als „British Invasion“ bezeichnete, nur allzu gut Bescheid. Im Verlauf der nächsten Jahre sollte er sämtliche Großkaliber der britischen Szene becircen – die Beatles, die Stones, die Kinks und The Who. Aber alles fing mit den Animals an.
Als er noch als Buchhalter für Plattenfirmen und Musikverlage die Bilanzprüfung durchführte, fiel Klein auf, wie wenig Geld letztendlich bei den Musikern selbst landete. Auch stellte er seinen Eifer unter Beweis, indem er Morris Levy, dem Boss von Roulette Records, der Verbindungen zur Mafia hatte, auf die Schliche kam. Beeindruckt von Kleins Hartnäckigkeit und Chuzpe freundete Levy sich mit dem Prüfer an. Diese Beziehung sollte Klein später noch sehr zugute kommen.
Allen Klein wusste, was Popstars und ihre Betreuer nicht wussten – oder schlicht ignorierten: dass ihre Plattenfirmen sie über den Tisch zogen. Sein Angebot war simpel. Er schlug vor, die Verträge der Animals neu zu verhandeln und alle, Peter Grant eingeschlossen, zu reichen Männern zu machen. Klein wollte auf eine Gebühr verzichten und stattdessen nur eine Provision einbehalten. Wenn sein Plan fehlschlagen würde, hätten sie zumindest nichts verloren. Als Zeichen seines guten Willens versprach er Grant und Mike Jeffery, für einen Auftritt der Animals im neuen Film von Nancy Sinatra, Get Yourself a College Girl, eine Gage in Höhe von 10.000 Dollar herauszuschlagen. Klein hielt Wort. Nur kurze Zeit später flog er nach London, um sich mit Mickie Most zu treffen.
Inzwischen hatte Most Platten für die Animals, die Nashville Teens und Hermanʼs Hermits produziert. Bei Letzteren handelte es sich um eine Gruppe aus Manchester, die mit „Iʼm Into Something Good“ einen Hit gehabt hatte und nun dasselbe in Amerika erreichen wollte. Allerdings machte Most kein Geld. Stattdessen musste er amerikanische Labels förmlich anbetteln, seine Singles zu übernehmen, und verdiente bloß magere fünfzig Prozent Tantiemen an den US-Verkäufen. Somit lief Klein mit seinen Versprechungen vom großen Geld bei ihm offene Türen ein.
Allen Kleins Meeting mit Mosts Finanziers bei EMI in London war von Sturheit und Bullshit geprägt. Tatsächlich konnte sich Klein kaum die Flugkosten oder seine Suite im Grosvenor Hotel leisten. Mehr Schein als Sein, gelang es ihm dennoch sein Image als amerikanischer Geldsack mit geheimer Mafia-Connection zu etablieren. Gleich zu Beginn schlug er eine Tasse Tee aus und erklärte, dass Mickie Most jeglichen existierenden Vertrag ignorieren würde, wenn er nicht mehr Geld bekäme. Kleins durch und durch englische Gastgeber waren völlig perplex. Noch mehr erstaunte sie, dass ihn selbst ihre Androhung rechtlicher Schritte kaltzulassen schien. Niemand hatte bis dahin den obersten Entscheidungsträger von Großbritanniens größter Plattenfirma auf so eine Art und Weise herausgefordert. Plötzlich verschoben sich die Fronten zwischen den Künstlern und dem Label.
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