Peter Grant - Ein Leben für Led Zeppelin. Mark Blake
Читать онлайн книгу.um sie vor den Angriffen der deutschen Luftwaffe zu bewahren. Auch Grant gehörte etwas weniger als zwei Jahre lang zu ihnen und wohnte in dieser Zeit im Northbrook House, dem Privathaus des Schuldirektors von Charterhouse, das in eine Unterbringung für die Jungs aus Battersea umgewandelt worden war.
Grant zeichnete ein lebendiges Bild von sozial benachteiligten Kindern aus der großen Stadt, die sich gegen ihre reichen und privilegierten Schulkameraden behaupten mussten. „Der Zweite Weltkrieg tobte, doch gab es da noch einen Krieg, von dem niemand wusste“, erzählte Grant dem Melody Maker. „Da kam es zu großen Schlachten und wir verprügelten sie.“
Grant besaß eine Fotografie von Northbrook. Auf der Rückseite hatte Dorothy die Eckdaten seines Aufenthalts festgehalten und dass Peter dort sehr glücklich gewesen wäre. Entweder ignorierte sie die „großen Schlachten“ oder wusste schlichtweg nichts davon.
In Interviews erwähnte Grant oft, dass er ein uneheliches Kind war und betonte stets den Kampf seiner Mutter. Sherry Coulson, die Witwe von Clive Coulson, der einst Bad Company gemanagt hatte, erinnert sich an lange Gespräche mit Peter. „Er erzählte mir, dass er aus echt ärmlichen Verhältnissen stammte“, sagt sie. „Er berichtete von bedrückender Armut. Wie wenig sie zu essen hatten und wie sie es zubereiteten. Auch erzählte er mir, dass seine Mutter sehr hart arbeitete, um sie über Wasser zu halten. Er liebte seine Mutter und auch deren Mutter spielte eine Rolle in seinem Leben. Peter zufolge zogen sie ihn zusammen groß.“
Catherine Grants familiäre Verbindung zu Hampshire mag erklären, warum ihre Tochter während des Kriegs in diesem County lebte. Nach Kriegsende waren Peter und seine Mutter im September 1945 in ihr Haus in der Norhyrst Avenue zurückgekehrt. Er besuchte die St. Walter John School noch bis Februar 1948.
So wie ein Großteil Londons hatten auch Norwood und die angrenzenden Gebiete durch die deutschen Luftangriffe dauerhafte Narben davongetragen, auch wenn nicht alle davon auf den ersten Blick sichtbar waren. Eine ganze Generation sollte ohne Väter, Onkel oder Brüder heranwachsen. So mancher Kriegsheimkehrer war von seinen Erfahrungen traumatisiert. Der körperliche und psychische Schaden, den die Überlebenden davongetragen hatten, war immens.
In Interviews erklärte Grant, dass er eine „richtig schlechte Schulbildung“ hätte und wie seine Schullaufbahn vom Krieg durcheinandergebracht worden war. Es entstand somit der Eindruck, dass hier ein zwölfjähriger Junge durch die Ritzen des Schulsystems gerutscht und de facto vergessen worden war.
Nach Battersea setzte er seine schulische Ausbildung an der Rockmount School in der Chevening Road in Upper Norwood fort. Dort blieb er sechs Monate, bis er offenbar gebeten wurde, die Schule wieder zu verlassen. „Als ich schon etwas älter war, saßen wir beisammen und unterhielten uns“, sagt Warren Grant. „Zu den Dingen, die er mich wissen ließ, zählte, dass er in der Schule niemals mitgearbeitet hatte.“
„Peter erzählte mir, dass er einmal in der Woche aus der Schule geholt und zu einer speziellen Betreuung geschickt wurde“, erinnert sich Mark Long. Diese kinderpsychologischen Sitzungen wurden angeordnet, weil Grant sich seinen Lehrern (und offenbar auch seiner Mutter) zufolge der elterlichen Kontrolle entzog. „So schickten ihn seine Mum und die Schule in eine Klasse für Problemkinder.“
Bei einer dieser Sitzungen fragte sich Grant, ob seine Verhaltensauffälligkeiten vielleicht ein Familienmerkmal waren. Sein Cousin, Onkel Ernests Sohn Geoffrey, der ein paar Jahre jünger als Peter war, besuchte schließlich dieselbe Beratungsstunde.
Grant erzählte Journalisten mitunter, dass er die Schule mit 13 abgebrochen hätte, um als Bühnenhelfer zu arbeiten. Allerdings wurde der 13-jährige Peter im August 1948 an der Ingram County Secondary School for Boys in Thornton Heath eingeschrieben. Die „Ingram Road“, wie sie gemeinhin genannt wurde, war eine Art Hauptschule für Kinder, die ihre „Eleven Plus“-Prüfung nicht bestanden hatten. Mithilfe dieses Tests, der im Rahmen der britischen Bildungsreform 1944 eingeführt worden war, wurde festgelegt, ob ein Kind für einen der begehrten Plätze an einer Grammar School infrage kam.
Im so klassenbewussten Großbritannien der Nachkriegsjahre konnte das Bestehen oder Nicht-Bestehen des „Eleven Plus“-Examens weitläufige Konsequenzen für den Werdegang eines Kindes nach sich ziehen. Dieselbe Reform sah außerdem vor, mehr technisch orientierte Schulen, sogenannte Secondary Moderns, einzurichten, um Kinder zu fördern, deren Fähigkeiten eher praktischer als akademischer Natur waren, doch nichts dergleichen kam letztendlich zustande. Secondary Moderns wie die Ingram Road wurden schon bald von jungen Menschen frequentiert, die sich durch sehr unterschiedliche Talente auszeichneten und nur eins gemein hatten: Sie hatten die von der Regierung vorgesehene Prüfung entweder nicht bestanden oder gar nicht erst abgelegt. Peter Grant war eins dieser Kinder.
Als Grant an die neue Schule kam, stand Frederick T. B. Wheeler, ein erst unlängst zum Direktor ernannter ehemaliger Offizier der Royal Air Force, vor einer Herkules-Aufgabe. Der Zweite Weltkrieg hatte nun einmal seine Spuren hinterlassen und auch die Schule musste sich in Friedenszeiten von den Nachwirkungen erholen. Der Ingram Road fehlte es an Lehrern und grundlegender Ausstattung. Kinder konnten sich ganz leicht davonschleichen, oder auch einfach ignoriert werden.
Phil Carson zufolge, dem ehemaligen Senior-Vizepräsidenten von Atlantic Records, genoss die Schule in den Fünfzigerjahren einen beängstigenden Ruf. Carson, der sein „Eleven Plus“ erfolgreich abgelegt hatte, besuchte das St. Josephʼs College, eine Grammar School in Beulah Hill, Upper Norwood. Zwischen den beiden Schulen herrschte eine erbitterte Rivalität, die durch Eifersucht und Klassenunterschiede noch weiter angeheizt wurde.
Carson erinnert sich an einen Vorfall, der sich kurz vor seiner Zeit ereignet hatte. „Ein paar von unseren Jungs vom St. Josephʼs waren von ein paar Burschen von der Ingram Road attackiert worden“, erzählt er. „So wurde beschlossen, dass die beiden Schulen eine organisierte Schlacht ausfechten.“ Das dafür auserkorene Schlachtfeld war Streatham Common, eine Parklandschaft, die zwischen den beiden Schulen lag. „Am St. Josephʼs gab es eine Primaner-Klasse mit älteren Teenagern. Also schickten wir unsere Fußballmannschaft, von denen ein paar sogar schon 18 waren“, erinnert er sich. „Offenbar entsandte die Ingram Road gerade mal acht oder neun Jugendliche, von denen die meisten erst 15 waren – und sie vernichteten unsere Fußballelf, kloppten ihnen regelrecht die Scheiße aus dem Leib!“
Jahre später, als sich die beiden über ihre Kindheit unterhielten, erwähnte Carson auch die Schlacht von Streatham Common. Peter entgegnete, dass er zu den Fußsoldaten der Ingram Road gezählt hatte. „Ich stellte mir das gerne so vor wie damals im Burenkrieg, als Gandhi, Winston Churchill und der zukünftige südafrikanische Premierminister [Louis Botha] auf demselben Schlachtfeld standen“, lachte er und bezog sich damit auf die Schlacht von Spion Kop, wo sich die Lebensläufe dreier späterer Anführer von Weltruf kurzfristig überschnitten. „Aber natürlich war die Sache nicht von solch nachhaltiger Bedeutung.“
Carson glaubt, dass der Kampf sich kurz vor seiner Einschulung am St. Josephʼs im Sommer 1955 ereignete, doch Grant hatte die Ingram Road bereits fünf Jahre zuvor hinter sich gelassen. „Ich weiß noch, dass Peter mir sagte, er wäre dort gewesen“, erzählt Carson. „Und ich möchte mich nicht ganz von dieser Vorstellung lösen, weil es nun einmal so eine tolle Geschichte ist.“
Es ist auf jeden Fall eine Anekdote, die perfekt illustriert, inwiefern er in der Lage war, den brancheninternen Tratsch zur Förderung seiner Reputation auszunutzen. Allein die Vorstellung, wie ein junger Grant gegen drei Jahre ältere Schüler einer rivalisierenden Bildungseinrichtung in den Kampf zieht, passte jedenfalls gut zum späteren Peter Grant, der sich in The Song Remains the Same einen Gebäudeverwalter lautstark zur Brust nimmt. Die Realität war hingegen komplizierter.
Grants Ansatz zum Thema Bildung verbesserte sich auch weiterhin nicht und bewegte den Schuldirektor Wheeler zu einem harschen Urteil. „Dieser Mann wird es im Leben nie zu etwas bringen. Er ist nutzlos – ein hoffnungsloser Fall!“, berichtet Helen. „So dachte er sich: ‚Leck mich doch, ich werde sehr wohl etwas erreichen.‘“
Jahrzehnte später klang Grant immer noch wie ein Mann, der es seinen Kritikern so richtig zeigen wollte. „Ich weiß schon, dass ein paar dieser hohen Tiere aus den Chefetagen der Plattenfirmen erschaudern, wenn