Ace in Space. Judith C. Vogt

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Ace in Space - Judith C. Vogt


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hatte Schutz gesucht, ja, ein verdammtes, neues Zuhause, nachdem sie Hadronic hinter sich gelassen hatte. Dass sie aber gleich mit fliegenden Fahnen in die Gang aufgenommen wurde, war nicht abgesprochen gewesen. Jetzt konnte Danai allerdings auch nicht zurückstecken. Weder konnte sie es mit ihrem Ego vereinbaren, sich selbst zum Prospect zu erklären, noch würde eine solche Bescheidenheit ihr Standing hier verbessern. Es wäre genau das Zeichen von Schwäche, auf das diese Raubtiere lauerten.

      Sie wurde schon die ganze Zeit beobachtet, und es war nur eine Frage der Zeit bis … ja, da kam sie auch schon, die Quittung für die Anmaßung, die Mama ihr eingebrockt hatte: Die drei Prospects der Gang steuerten, nach einer Druckbetankung sichtlich angetrunken, von der Bar aus auf sie zu. Drei gekränkte Halbstarke, das bedeutete Ärger.

      Danai blieben nur wenige Optionen. Sie konnte ihr kaum geleertes Bierglas stehenlassen und sich ins Quartier verkrümeln, das Mama ihr schon im ehemaligen Arbeiterkomplex des Minenasteroiden zugewiesen hatte. Aber jetzt einfach zu verschwinden würde die Konfrontation nur hinauszögern. Sie sah sich um. Von der President keine Spur. Letztlich war das gleichgültig. Wenn Danai jetzt nach ihrer Mama rief, wäre sie endgültig unten durch.

      »Da ist es ja, unser neues Vollmitglied«, spottete die junge Frau in der Mitte des Trios. Ihre kleine Gestalt und die zarten Gesichtszüge standen im Kontrast zu ihrer Glatze und dem Tank-Top, das den Blick auf ihre kräftigen Arme frei ließ. Subkutane Stränge unter dunkler Haut verstärkten ihre Oberarmmuskeln und vermittelten zusammen mit Schlangentattoos den Eindruck eines wimmelnden Gewirrs auf ihrer Haut. Callsign »Tabs«, erinnerte sich Danai.

      Zu Danais Linken beugte sich ein schmächtiger, weißer Kerl mit langer, platinblonder Haarmatte zu ihr herab und grinste herausfordernd. Eine neurologische Schnittstelle war seitlich an seinem Hals angebracht und in seine nackte Hühnerbrust waren zahlreiche Zierblättchen implantiert.

       Dean, oder so? Nein, Nean. Noch ohne Callsign.

      Ganz rechts und etwas abseits stand der dritte, auf dessen Jacke sie beim Eintreten gelatscht war, weil ihr Blick so angespannt von Gesicht zu Gesicht gewandert war. Mit verschränkten Armen und düsterem Blick musterte er sie. Er war stämmig und muskulös, bartlos, das lange Haar zu einem Dutt gebunden. Er war Navig oder wollte zumindest den Anschein erwecken, denn ein Geflecht von dunklen und dennoch fluoreszierenden Linien bedeckte Arme, Hände, Finger und Hals. Es breitete sich sogar im Gesicht übers Kinn und wie zwei stilisierte Flügel über die Stirn aus. Die Tätowierungen wirkten wie irgendetwas zwischen Datenleitungen und Beschwörungssymbolen einer vergessenen Religion. Kian, Callsign »Marauder«, oder war es »Prophet«? Zu viele neue Namen …

      Die drei trugen, wie beinahe alle hier im Raum, ärmellose Kutten mit Projektionen des Ganglogos auf dem Rücken: dem Teufelsgesicht mit der Retro-Fliegerbrille. Alkoholgeschwängerter Atem schlug ihr entgegen.

      Danai lehnte sich in ihre kunstlederbezogene Sitzbank zurück und gab sich Mühe, ganz entspannt zu wirken.

      »Andere müssen hier hart arbeiten. Aber mit einer Mum, die zufällig Queen und President ist, erspart man sich jede Menge Drecksarbeit. Nicht wahr, Prinzessin?«, fragte Tabs, als befänden sie sich gerade bereits mitten im Gespräch.

      Nean lachte dreckig, als hätte die Glatzentussi etwas besonders Schlagfertiges gesagt. »Ha! Genau – Prinzessin!«

      »Leck mich«, antworte Danai nur und nahm demonstrativ gleichgültig einen Schluck Bier.

      »Oh«, spottete Tabs und deutete eine fahrige Verbeugung an, »verzeiht, Eure Hoheit, dass das Fußvolk Eure Kreise stört. Dann lasst doch die Hose runter, damit ich der durchlauchtigsten Anweisung den königlichen Arsch betreffend besser nachkommen kommen!«

      Nean überschlug sich vor Lachen und hämmerte mit der Faust auf den Tisch, immer noch nach vorn gebeugt. Er schien nicht die hellste Diode in der Konsole zu sein, wohingegen Tabs sich übertrieben gewählt ausdrücken konnte.

      »Was denkst du dir, Frischling?«, hakte Kian ein. »Kommst hier ins Loco Hana, kriegst von deiner Mami ’ne boots Extrawurst gebraten, und anstatt uns ein Bier auszugeben wie ein Ehrenbro, kriegen wir von dir nur ein ›Leck mich‹? Aus welchem Grund hältst du dich für was Besseres, du Corp-Frakster?«

      Danai beugte sich nach vorne, um zu antworten. Wie immer in Situationen dieser Art kämpfte sie darum, die passenden Worte aus ihrem Mund zu pressen und suchte nach alternativen Wegen: Wörter, die nicht mit Vokalen begannen. ›Arschloch‹, ›aber‹ und ›albern‹ fielen damit weg.

      Wie sollte das für sie in dieser verdammt lächerlichen Jockey-Soap-Show funktionieren? Wäre sie in der Lage, einen coolen Spruch zu droppen, hätte sie dem Trio damit vielleicht schon den Treibstoff aus den Triebwerken nehmen können, aber dieser Pfad stand ihr wie üblich nicht offen. Natürlich war sie nervös, wenn drei mit Wut und Alkohol vollgetankte Free-Turfler vor ihr standen – wie es jeder andere Mensch, egal wie hart drauf, in dieser Situation auch wäre. Aber ihr Stottern versaute ihr jeden lässigen Spruch, und wenn das Stottern ihn nicht versaute, dann das Nachdenken darüber, ob das Stottern ihn versauen würde. Dieses Drecksstottern gesellte sich zu ohnehin schon vorhandener sozialer Anspannung wie die Follower zu einem Gramstar. Und die Hyänen vor ihr würden ihre Sprechweise als nackte Angst auslegen, was den Jagdtrieb nur noch mehr anstacheln würde.

      »I–, nein, will keinen Stress, nur in Ruhe mein Bier trinken.« Alle Corp-Strategien, die sie kannte, um flüssig zu sprechen, waren vergessen. Andererseits hätte es hier auch kaum geholfen, wenn sie den Satz gesungen hätte. Also stotterte sie ihn.

      Und so sicher wie das Prost in der Bar lachte Nean sie aus.

      »Ru-ru-ru-ru«, äffte Tabs sie zeitgleich nach. »Jetzt hast du die Prinzessinnenhosen voll, was?«

      Danai hasste nichts im Leben so sehr wie dieses Nachäffen. Für sie war es nicht einfach Spott, wie er eben unter Jockeys, unter Pilotinnen, unter Angetrunkenen üblich war; für sie war es wie das Aufstoßen einer Tür zu all den vergangenen Schmähungen, und schlimmer noch: zum Ärger über sich selbst, nicht einfach normal sprechen zu können, zur Frage, ob sie es nicht einfach genug wollen musste, damit es doch klappte. Irgendwo musste dieser Zorn jetzt hin. Pech für die erbärmlichen Prospects. Leider blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als diesen drei Affen die Fressen blutig zu schlagen. Tabs, auf die sich ihre Wut fokussierte, war allerdings außer Reichweite. Sie nahm das zweitbeste Ziel: den vorgebeugten Nean und sein fieses Lachen. Ihre Faust traf ihn voll; ohne auszuholen ließ sie die Rechte vorschnellen und pflanzte sie seitlich in seine Fratze, wie einen brutalen Kuss direkt auf den Wagenknochen. Die Wucht des Hakens riss den Kerl von den Beinen. Er knallte am Tischrand auf und glitt dann unkoordiniert mit den Armen rudernd zu Boden.

      Noch in der Schlagbewegung war Danai aufgesprungen, aber Tabs hatte auch keine Sekunde gezögert. Sie packte Danai am gefütterten Kragen ihrer Fliegerjacke. Zum Glück verließ sich die Prospect dabei vor allem auf ihre verstärkten Cybermuskeln. Danai stieß einmal mit dem Kopf nach hinten, um den Reflexmodder einzuschalten und spürte dann das rauschartige Gefühl, als ihre körperlichen Reaktionen übermenschlich beschleunigten.

      Dazu kam ihr Training im Hadrona, der bei Hadronic Inc. favorisierten und für alle Mitglieder der Streitkräfte obligatorischen Kampfkunst. Sie drehte sich seitlich und schlug in einer raschen Bewegung mit dem Ellbogen von oben auf die sie greifenden Arme. Schon war sie dabei um den Tisch, bekam Tabs’ Kopf zu fassen und drückte fest zu, ein Griff wie in einem Schraubstock. Danai fühlte die aus Schmerz und Orientierungslosigkeit geborene Panik ihrer Gegnerin. Die Frau tastete wild herum, griff sich eine Flasche und zerschmetterte sie auf der Tischplatte.

      »Stopp!«, schrie Kian. Tatsächlich atmete Danai einmal tief ein und ließ von Tabs ab, bevor das hier in einer blutigen Sauerei für eine von ihnen beiden gipfeln würde.

      Tabs hielt den Flaschenhals, der in messerscharfe Glassplitter auslief, in der rechten Hand, und rieb sich mit der anderen den Kopf. Nean hievte sich mühsam hoch, setzte sich auf den Tisch und hielt sich den Kiefer. Eine Menge Augenpaare aus dem Raum richteten sich auf das Geschehen. Marlene schlug einer Frau im Mecha-Overall das vermutlich immer noch filmende Tablet aus der Hand.


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