Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ulrich Muller
Читать онлайн книгу.konkrete Handeln der Führungskräfte und Mitarbeiter in der Organisation bedarf es geeigneter Instrumente und Maßnahmen. Hier kann als Beispiel die Balanced Scorecard genannt werden, ein in vielen Unternehmen verbreitetes Management-Tool, das zunehmend auch im Bildungsbereich eingesetzt wird (vgl. Schweizer & Gloger, 2006). Das zweite Ordnungsmoment einer Bildungseinrichtung sind ihre Strukturen, wie sie z.B. in Stellen und ihrer Beschreibung, Geschäftsverteilungsplänen und Organigrammen dargestellt werden (vgl. Bartz, 2006). Schließlich bilden Organisationen einen gewissen „Charakter“ aus, der sich in ihrer Kultur niederschlägt. Gemeinsame Grundannahmen und Werte einer Bildungseinrichtung schlagen sich nieder in Symbolen und Ritualen, in der äußeren Gestaltung des Bildungshauses, in Sprache und Auftreten der Mitarbeiter. Diese Kultur ist spürbar und erlebbar. Sie zu gestalten ist eine wesentliche Leitungsaufgabe (vgl. Dubs, 2005: 118). Dabei muss man sich jedoch bewusst sein, dass sich Organisationskulturen über einen längeren Zeitraum herausgebilden und daher auch nur unter einer längerfristigen Perspektive veränderbar sind. Der sicherlich bedeutsamste kulturelle Aspekt einer Bildungsorganisation ist die in ihr gelebte und erlebte Lernkultur. Lernkulturen bieten Orientierung für Bildungsprozesse und wirken sich auf das konkrete Lehren und Lernen aus. Sie sind „in und durch Lehr-, Lern- sowie Kooperations- und Kommunikationsprozesse immer wieder aufs Neue hergestellte Rahmungen, die ihren Mitgliedern spezifische Entwicklungsmöglichkeiten bieten“ (Weinberg, 1999: 98). Die Lernkultur umfasst u.a. das Selbst- und Rollenverständnis der Lernenden und Lehrenden und zeigt sich u.a. in der Raumgestaltung, im Repertoire der Lehr-/ Lernmethoden, in der Medienausstattung, in der Nutzung unterschiedlicher Lernorte, in Ritualen und Regeln der Kommunikation.
Prozesse: Der wichtigste Prozess in einer Bildungseinrichtung oder -abteilung ist das Bildungsprozessmanagement. Hier geht es um die Erbringung der zentralen Aufgabe. Das Bildungsprozessmanagement ist in dem Modell an zwei Stellen verortet. Daran lässt sich zum einen das zentrale Spezifikum von Bildungsorganisationen festmachen. Zum anderen zeigen sich darin wichtige Unterschiede in den Bildungsbereichen und in verschiedenen Organisationstypen. Im Hinblick auf die Konstitution eines Bildungsmanagements, das die Bildungsbereiche umfassend betrachtet, scheint es in besonderem Maße nötig, gerade die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Bereichen und zwischen den jeweiligen Institutionstypen herauszuarbeiten.
In der oben dargestellten Form bildet das Modell einen spezifischen Organisationstyp ab, dessen primärer Existenzgrund die Erbringung von Bildungsdienstleistungen ist. Zu dieser Art von Organisation zählen Schulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen oder Weiterbildungsakademien der Wirtschaft, die eigenständig auf einem (externen) Markt tätig sind. In diesen Organisationen zielt das Bildungsprozessmanagement auf den zentralen Geschäftsprozess. Mit ihrem Angebot wendet sich die Organisation an externe Kunden. Anders verhält es sich, wenn eine Organisation primär andere Zwecke als Bildung verfolgt, z.B. ein Unternehmen der Automobilbranche oder die Steuerbehörde eines Landes. Auch in diesen Organisationen findet Bildungsarbeit statt, jedoch nicht als zentraler Geschäftsprozess, sondern als Unterstützungsprozess neben anderen (wie z.B. Personalarbeit oder Infrastrukturbewirtschaftung). Bildung ist in diesem Kontext anderen Zielen und Aufgaben untergeordnet (vgl. Abbildung 5).
Auch in einer Organisation mit dem primären Zweck, Bildung anzubieten, findet sich jedoch Bildungsarbeit als Unterstützungsprozess. Wenn beispielsweise eine Erwachsenenbildungseinrichtung ihre eigenen Dozenten fortbildet („Train-the-trainer“), so ist dies ein Unterstützungsprozess, der sich an die eigenen Mitarbeiter wendet. Mithilfe des Rahmenmodells können die strukturellen Unterschiede zwischen unterschiedlichen Bildungsbereichen und den sich dort (funktional) ausdifferenzierenden Organisationstypen herausgearbeitet werden.
Abbildung 5: Bildungsmanagement als Unterstützungsprozess
Quelle: Müller, 2007: 118
Leitfragen und Impulse
■ Welche Veränderungen in den Umweltsphären sind für Ihre Einrichtung besonders relevant? Welche werden es künftig voraussichtlich werden? Wie ist die Organisation auf diese Veränderungen vorbereitet?
■ Welche Anspruchsgruppen können Sie für Ihr Unternehmen identifizieren? Wie wichtig sind die einzelnen Gruppen und wie stark ist ihr Einfluss?
■ Was sind die zentralen Werte und Normen, an denen sich Ihre Organisation ausrichtet? Wie werden diese an die Anspruchsgruppen kommuniziert? Welche Ressourcen tauscht das Unternehmen mit den Anspruchsgruppen aus? Wo existiert Knappheit, wo gibt es in besonderem Maße Konkurrenz und Konflikte?
■ Welche Ordnungsmomente können Sie identifizieren? Gibt es eine schriftlich niedergelegte Strategie? Ist Ihnen diese bekannt, wird sie kommuniziert? Wie ist die Organisation aufgebaut? Welche Strukturen existieren? Wie würden Sie die Kultur des Unternehmens kennzeichnen?
■ Welche Führungsprozesse kennen Sie in Ihrer Organisation?
■ Welche Unterstützungsprozesse können Sie unterscheiden?
■ Wie und wo würden Sie das Bildungsprozessmanagement in Ihrer Organisation verorten?
Bildungsprozessmanagement
Bildungsprozessmanagement bezieht sich auf die Entwicklung und Steuerung des Kernprozesses einer Bildungsorganisation. Es zielt auf das Initiieren, Planen, Gestalten, Anbieten, Durchführen und Auswerten von Lernmöglichkeiten. Im System der didaktischen Handlungsebenen ist das Bildungsprozessmanagement auf der Ebene „Didaktik“ angesiedelt. Im Zentrum unseres Denkens und Handelns stehen dabei die Lernenden.
Bildungsprozessmanagement kann angewendet werden auf das Gesamtprogramm einer Einrichtung (z.B. die Programmplanung einer Volkshochschule, das Gesamtprogramm einer Weiterbildungsakademie oder die Entwicklung eines schulinternen Curriculums) oder aber auf einzelne Projekte (z.B. das Teilprogramm „Seniorenakademie“ der VHS, eine Qualifizierungsreihe für die neu ernannten Führungskräfte eines Konzerns oder für ein Projekt zur Qualifizierung von Streitschlichtern in einer Schule).
Unser Modell für das Bildungsprozessmanagement umfasst einen Handlungszyklus, der von der Bildungsbedarfsanalyse, über Programmplanung, Veranstaltung, Prüfung, Transfersicherung, Evaluation bis zur Programmrevision reicht. Die folgende Abbildung zeigt diesen Zyklus im Überblick. Im Folgenden werden die einzelnen Elemente der Grafik erläutert, anschließend die einzelnen Handlungsschritte kurz gekennzeichnet.11
Abbildung 6: Bildungprozessmanagement
Quelle: Müller, 2007: 113
Der gesamte Handlungszyklus ist anzubinden an die Vision, das Leitbild und die Strategie der Organisation. Dadurch gerät in den Blick, dass es z.B. in der betrieblichen Weiterbildung um eine langfristige und proaktive „Vorsorge“ im Hinblick auf künftige Herausforderungen und die zu ihrer Bewältigung notwendigen Kompetenzen der Mitarbeiter geht.
Der innere Kreis der Grafik stellt ein allgemeines Handlungsmodell dar, das in einem Zyklus dargestellt und dem Managementhandeln zugrunde gelegt werden kann. Es wird in der Literatur in unterschiedlichen Varianten beschrieben. In analoger Form bildet der Zyklus auch die Basis jedes systematischen pädagogischen Denkens und Handelns. Dieser Zyklus stellt einerseits die innere Logik, das Grundgerüst, dar, nach dem sich der gesamte Bildungsprozessmanagementkreislauf aufbaut, er findet sich jedoch auch in jedem einzelnen Handlungsschritt des Kreislaufs.
Der äußere Kreis stellt die einzelnen Handlungsschritte dar. Die Bildungsbedarfsanalyse fragt danach, was überhaupt gelernt werden soll. Sie zielt auf eine systematische Ermittlung des Bildungsbedarfs aus der Sicht der Lernenden (subjektive Bildungsbedürfnisse) sowie der „abnehmenden Systeme“ („objektive“ Bildungsbedarfe aufgrund von Handlungssituationen, gesellschaftlicher bzw. betrieblicher Bildungsbedarf). Eine sorgfältige Bedarfsanalyse ist entscheidend im Hinblick auf gelingendes Lernen, denn sie stellt die „Passung“ her zwischen den Lernenden, den Handlungsanforderungen und dem geplanten Lernangebot.
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