Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ulrich Muller
Читать онлайн книгу.thematisiert und haben seit Erscheinen des Bandes weiter an Bedeutung gewonnen (vgl. Schöni 2009; Dehnbostel 2015b).
Gonschorrek (2003) fokussiert im Unterschied zu Falk (2000) seine als Lehrbuch konzipierte Betrachtung vornehmlich auf die betriebliche Weiterbildung. Betriebliche Ausbildung und Umschulung als weitere von ihm benannte Bereiche gelten in dieser Perspektive als nachrangig. Großes Gewicht wird bei der Darstellung auf den individuellen Lernprozess selbst gelegt. Dabei wird ausführlich auf lernpsychologische und lerntheoretische Erkenntnisse und Ansätze rekurriert. Bildungsmanagement wird schließlich in Abgrenzung und als Erweiterung zur traditionellen betrieblichen Bildung konzipiert. Mit dieser Fortentwicklung ist die Vorstellung verbunden, dem in Holzkampschen Kategorien beschriebenen expansiven Lernen statt dem vormaligen defensiven Lernen zu größerem Gewicht zu verhelfen. Die in sich schlüssige Darstellung ist allerdings durch ein sehr voraussetzungsreiches Verständnis von Lernen und Bildung geprägt, was eine Übertragbarkeit erschwert.
Ebenfalls als Lehrbuch hat Stender (2009) seinen Band „Betriebliches Weiterbildungsmanagement“ konzipiert, das sich vornehmlich an Studierende der Wirtschaftspädagogik richtet. Darin wird der Versuch unternommen, sowohl einer ökonomisch-betriebswirtschaftlichen Perspektive als auch einer pädagogischen Sichtweise gerecht zu werden. In dem Band werden neben begrifflichen Grundlagen auch ein Rahmenmodell zum betrieblichen Weiterbildungsmanagement vorgestellt. Dieses Rahmenmodell unterscheidet u.a. die Aufbauorganisation und Ablauforganisation betrieblichen Weiterbildungsmanagements.
Hinsichtlich der Aufbauorganisation zeigen sich unterschiedliche unternehmerische Organisationsmöglichkeiten betrieblichen Bildungsmanagements, bei denen betriebswirtschaftliche Überlegungen zentral sind. Insbesondere die Frage einer potenziellen Externalisierung von Weiterbildungs- und Personalentwicklungsaufgaben wird dabei intensiv diskutiert. Hinsichtlich der Ablauforganisation werden unterschiedliche Formen von Bildungsbedarfsanalysen sowie individuelle Potenzialanalysen und entsprechende Instrumente vorgestellt. Hier werden auch Fragen des Kompetenzmanagements und der Förderung des Transfers betrieblicher Weiterbildung thematisiert. Zudem werden die konkrete Programmplanung, die Durchführung und das Qualitätsmanagement betrieblicher Weiterbildung vorgestellt. Eingeordnet wird die konkrete Ebene schließlich durch die Beschreibung der gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowohl der betrieblichen als auch der beruflichen Weiterbildung. Dabei werden der Unternehmensrahmen und der unternehmensexterne gesellschaftlich-rechtliche Rahmen sinnvollerweise getrennt voneinander behandelt.
Da sich die genannten Werke stark auf die Praxis richten und als Lehrbücher dienen, stellt Diesner (2008) folgerichtig ein theoretisches Defizit bei der wissenschaftlichen Durchdringung betrieblichen Bildungsmanagements fest. In einer von ihr vorgelegten Dissertation unterscheidet sie mit Bezug auf das St. Gallener Managementmodell insbesondere zwischen einer normativen und einer strategischen Ebene betrieblichen Bildungsmanagements, für die sie eine Grundlegung erarbeitet. In der Ausarbeitung erfolgt zunächst eine begriffliche Klärung, indem das Bildungsmanagement von verwandten Gegenstandsbereichen wie der Personalentwicklung oder dem Personalmanagement abgegrenzt wird. Verschiedene theoretische Zugänge auf der normativen und der strategischen Ebene werden ausführlich dargestellt und damit ein Bezugsrahmen für die Analyse betrieblichen Bildungsmanagements entwickelt. Auf dieser Basis wurden vier Fallstudien durchgeführt, diese auf Grundlage des zuvor entwickelten Bezugsrahmens strukturiert dargestellt und die Ergebnisse wieder auf das entwickelte Vorverständnis rückbezogen. In der Zusammenführung von Theorie und Praxis entwickelt die Autorin einen analytischen Blick auf das betriebliche Bildungsmanagement und es wird eine „kognitive Landkarte des Bildungsmanagements“ (ebd., S. 417) für Unternehmen bereitgestellt. Das gesamte Vorgehen wird transparent geschildert und die Ergebnisse überzeugend dargestellt. Offen bleibt allerdings, inwieweit die in Großunternehmen gewonnenen Erkenntnisse auch für das Bildungsmanagement in kleineren Unternehmen zutreffend sind. Handlungspraktische Hinweise sind ebenfalls nur in geringem Maße enthalten – doch galt der operativen Ebene auch nicht die Aufmerksamkeit der Autorin.
Seufert (2013) vertieft unter einer auf gleicher theoretischer Basis die Arbeit von Diesner. Sie nimmt dabei eine explizit wirtschaftspädagogische Perspektive ein, fokussiert jedoch weniger stark auf Unternehmen, sondern beansprucht in ihrem Lehrbuch wiederum, das gesamte Bildungsmanagement – und damit eben auch und gerade in Bildungsorganisationen – darzustellen.
In der Gesamtschau ist als Zwischenfazit zu konstatieren, dass es kein einheitliches Verständnis davon gibt, was betriebliches Bildungsmanagement ausmacht, wie es definiert ist und welche wesentlichen Aspekte es enthält. Alle Werke bieten unterschiedliche Zugänge für eine angemessene Fassung und Beschreibung betrieblichen Bildungsmanagements an, keines erschließt Theorie und Praxis betrieblichen Bildungsmanagements im umfassenden Sinn.
4 Ebenen des Bildungsmanagements
Vor dem Hintergrund der vielen stark praxisorientierten Publikationen ist die zuvor angeführte Arbeit von Diesner (2008) verdienstvoll, da sie beginnt, die evidente theoretische Forschungslücke zu schließen. Eine umfassende Betrachtung betrieblichen Bildungsmanagements verbindet dabei sowohl eine theoretische Anbindung als auch praxisbezogene Sichtweise. Beide Perspektiven und Bezüge sind essenziell, um dem Gegenstand gerecht zu werden. Betriebliches Bildungsmanagement lässt sich analytisch in unterschiedliche Ebenen fassen, die jeweils aufeinander bezogen sind und zusammenwirken (vgl. Seufert 2013, S. 39ff.). Auf einer operativen Ebene ist das „Tagesgeschäft“ des Bildungsmanagements angesiedelt. Die operative Ebene ist dabei identisch mit der konkreten betrieblichen Bildungsarbeit. Auf der strategischen Ebene ist die längerfristige Ausrichtung der Betrieblichen Bildungsarbeit zu verorten, die mittelfristige Schwerpunktsetzungen verdeutlichen. Die strategische Ebene ist zugleich die Verbindung zur normativen Ebene, die das Betriebliche Bildungsmanagement mit der Unternehmensphilosophie in Bezug setzt.
Abbildung 7: Ebenen des betrieblichen Bildungsmanagements
Quelle: Eigene Darstellung
Die Aufgaben und wesentlichen Inhalte der einzelnen Ebenen werden nachfolgend genauer dargestellt.
4.1 Normative Ebene
Auf der normativen Ebene sind die Verbindungen des Bildungsmanagements mit der Unternehmensphilosophie und Unternehmenskultur anzusiedeln. Die Unternehmensphilosophie wird u. a. durch die Geschichte und damit der gewachsenen Kultur eines Unternehmens geprägt. Die Größe, das Alter und die Branchenzugehörigkeit eines Unternehmens spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Gesellschaftsform und die Struktur der Anteilseigner. SAP, Siemens oder die Drogeriemarktkette dm – um drei prominente Beispiele zu nennen – sind hinsichtlich ihrer Unternehmenskultur sehr heterogen.
Die konkrete Verfasstheit des Bildungsmanagements und die Entwicklung strategischer Ziele und prioritärer Handlungsfelder können daher nur in Abhängigkeit von der Unternehmensverfassung erfolgen. So spiegelt auch die von Stender (2009, S. 79ff.) intensiv bearbeitete Frage, inwiefern das Weiterbildungsmanagement externalisiert werden soll und kann, die Unternehmensverfassung wider. Die normative Ebene des Bildungsmanagements muss dabei den Werten und der Unternehmensphilosophie des Gesamtunternehmens entsprechen. Das dabei – häufig implizit – zu Grunde liegende Menschenbild beeinflusst maßgeblich das Verständnis des Bildungsmanagements. Sichtbar wird dies etwa in unterschiedlichen Kompetenzmodellen, die in einzelnen Unternehmen entwickelt wurden und werden. Diesner (2008, S. 431f.) schlägt in diesem Zusammenhang vor, dass sich in den Unternehmen unter anderem folgende Fragen vorgelegt werden sollten:
■ Welches Bild haben wir vom Menschen im Unternehmen?
■ Welche Konsequenzen hat dieses Bild für unsere Tätigkeit?
■ Welche Werte legen wir unserem Handeln zugrunde?
■ Welche Rolle spielt Bildung für unser Unternehmen?
■ Wie gehen wir mit den Entwicklungsansprüchen unserer Mitarbeitenden um?
■ Ist Bildung in unseren Leitbildern als Thema aufgenommen?
■ Bieten unsere Leitbilder eine Anschlussfähigkeit für das Bildungsmanagement